Spiel gegen Maccabi Haifa - Staatsschutz ermittelt gegen Union-Fans nach antisemitischen Vorfällen

Es war das erste Pflichtspiel einer israelischen Mannschaft im während der NS-Zeit errichteten Olympiastadion. Bei der Partie kam es laut Polizei zu antisemitischen Übergriffen gegen Maccabi-Fans. Nun liegt erstes Bildmaterial aus dem Fanblock vor.
Fußball-Bundesligist 1. FC Union Berlin arbeitet gemeinsam mit der Polizei an der Aufarbeitung der antisemitischen Vorfälle während des Europapokal-Spiels gegen den israelischen Verein Maccabi Haifa. Es liege erstes Bildmaterial vor und man werde jetzt alle Informationsquellen nutzen, um Leute zu identifizieren, sagte Unions Kommunikationschef Christian Arbeit am Samstag bei einer Pressekonferenz.
Es hätten sich auch schon Menschen gemeldet, die im betroffenen Block waren und die Szenerie beobachtet hätten, sagte Arbeit. Diese könnten bei der Identifizierung behilflich sein. Am Donnerstagabend war es laut Berichten von Augenzeugen und Betroffenen im Olympiastadion zu Beleidigungen und Angriffen gegen Anhänger des israelischen Fußball-Meisters gekommen. Der Staatsschutz des Berliner Landeskriminalamtes ermittelt gegen mehrere Personen unter anderem wegen des Verdachts der Volksverhetzung.
Sie sollen bei einer Auseinandersetzung im Fan-Block Fans von Maccabi Haifa "verbal provoziert, bedroht und mit Bier beworfen" sowie fremdenfeindliche Äußerungen getätigt haben.
Brennende Flagge und "Sieg Heil"-Rufe
Gegen einen noch nicht identifizierten Tatverdächtigen wird wegen Inbrandsetzens einer Handfahne und Beschädigung einer ausländischen Flagge ermittelt. Der Mann konnte sich laut Polizei einer Festnahme entziehen, nachdem er beobachtet von einem Zivilbeamten versucht hatte, eine israelische Fahne eines Haifa-Fans anzuzünden.
Einem weiteren Mann wurde vorläufig die Freiheit entzogen, nachdem er nach dem 3:0-Erfolg des 1. FC Union im Gruppenspiel der Conference League gegen den israelischen Meister mehrfach "Sieg Heil" gerufen hatte. Er muss sich nun wegen "Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verantworten", teilte die Polizei mit. Insgesamt waren 470 Polizisten bei der Partie im Einsatz.
Zingler: "Dieses Verhalten ist beschämend und nicht tolerierbar"
Der 1. FC Union hat die Vorfälle am Freitagnachmittag in einer Stellungnahme scharf verurteilt. "Dieses Verhalten ist beschämend und nicht tolerierbar. Wir bitten die Betroffenen um Entschuldigung", wird Präsident Dirk Zingler zitiert [fc-union-berlin.de]. Antisemitismus sei in der Gesellschaft leider nach wie vor vorhanden, deshalb zeige er sich auch im Stadion. Der Klub werde Diskriminierung in seinen Reihen jedoch nie dulden. "Es gilt wachsam zu bleiben und unermüdlich dagegen anzugehen. Wir unterstützen die Ermittlungen der Polizei mit allen uns zur Verfügung stehenden Informationsquellen", so Zingler.
Der 56-Jährige wies aber auch auf viele friedliche Begegnungen im Zuge des Duells hin. Er betonte eine "herzliche Atmosphäre". Viele hätten "gestern und im Vorfeld des Spiels gute Begegnungen und Gespräche mit unseren Gästen aus Haifa und Vertretern jüdischer Organisationen und Vereine in Berlin", sagte Zingler. Diesen Weg werde man fortsetzen, "denn je mehr Menschen wir erreichen, desto wirksamer können Antisemitismus und Diskriminierung in der Gesellschaft bekämpft werden."
Erste Berichte während des Spiels
Bereits während des Spiels am Donnerstagabend hatte das Junge Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Berlin-Potsdam bei Twitter über die Vorfälle berichtet.
"Im gemischten Block wurden wir von Union-Fans bedroht, mit Bier beworfen" und unter anderem "als 'scheiß Juden' beleidigt", heißt es in einem Tweet: "Ein Union-Fan hat versucht, die Israel-Fahne einer unserer Zuschauerinnen anzuzünden, was glücklicherweise schnell durch Zivilpolizisten verhindert werden konnte."
Solidarität durch Union-Anhänger
Es habe auch Union-Fans gegeben, "die sich gegen dieses Verhalten ausgesprochen haben", hieß es weiter. Betroffen waren die Blöcke 13 und 14 im Olympiastadion. Aus denen seien Große Teile der Gruppe dennoch "sicherheitshalber in den Maccabi-Block gewechselt." Union bat via Twitter um Hilfe bei der Ermittlung der mutmaßlichen Täter.
Von eben diesem Maccabi-Block selbst aus erlebte Elmar Werner das Geschehen - und bemerkte auch eben jenen Zustrom aus anderen Bereichen des Stadions. "Ich habe mich gewundert, dass Mitte der ersten Halbzeit eine ganze Truppe in den Block kam. Da wechselt man ja eigentlich nicht nochmal seinen Platz", schildert er am Freitagmorgen im Gespräch mit rbb|24.
Bedrückende Situation schon bei der Anreise
Werner selbst ist Union-Mitglied und engagiert sich schon lange für deutsch-israelische Projekte. Er war mit einer israelischen Bekannten im Stadion und trug einen Schal mit Davidstern und hebräischer Schrift. Die beiden hatten selbst eigentlich keine Tickets für den Gästeblock, hatten sich aber - auf eigenen Wunsch - gleich zu Beginn dort hingesetzt. "Ich war überrascht, dass die Ordner, die ja sonst immer ganz pingelig sind, uns geradezu hineingebeten haben. Zack, zack waren wir drinnen", berichtet Werner.
Seine israelische Begleitung war noch ohne Werner mit der S-Bahn zum Olympiastadion gefahren - und habe sich schon bei der Anreise unwohl gefühlt. "Es war für sie bedrückend", sagt Werner - und: "Sie hat eben auch schon ein paar Sprüche gegen Juden oder 'scheiß Juden' gehört. Ich bin groß und breit und als sie dann bei mir war, hat sie gesagt: 'Ich fühle mich besser, wenn ich neben dir stehe.'" Auf der Rückfahrt habe sie auf eine erneute Fahrt mit der Bahn verzichtet. "Ich habe sie dann gefahren, das war ihr lieber", so Werner.
Dank für Solidarität
Das Junge Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Berlin-Potsdam äußerte sich am Vormittag nach dem Spiel erneut via Twitter. Man bedanke sich "für die Welle der Solidarität online und an die Union-Fans, die sich im Stadion mit uns solidarisiert haben!" Ein Großteil der Unioner habe Maccabi "freundschaftlich empfangen und mit ihnen den Fußball gefeiert." Man erwarte aber auch, dass gegen Antisemitismus im Stadion konsequent vorgegangen werde, "damit dies auch weiterhin möglich ist. Für diskriminierungsfreien Fußball".
Justizsenator Behrendt bietet Hilfe bei Aufarbeitung an
Der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) reagierte entsetzt auf die Berichte über antisemitische Vorfälle. Der Politiker bezeichnete diese als "bestürzend". "Antisemitismus darf auch im Fußball keinen Platz haben. Meine Solidarität gilt den Fans des israelischen Meisters Maccabi Haifa", sagte der 50-Jährige. Behrendt bot seine Hilfe bei der Aufarbeitung an. "Wir unterstützen Vereine wie Union auf dem Weg zu einer Fankultur ohne Hass", betonte der Politiker.
Die Conference-League-Partie zwischen Union Berlin und Maccabi Haifa war das erste Pflichtspiel einer israelischen Fußball-Mannschaft in dem von den Nationalsozialisten anlässlich des für die Olympischen Spiele 1936 erbauten Berliner Olympiastadions. Union Berlin darf wegen Uefa-Regularien zu Zuschauerkapazitäten seine Heimspiele nicht im eigenen Stadion an der Alten Försterei in Köpenick bestreiten.
Antisemitismusbeauftragter bestürzt über Vorfälle
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, zeigte sich am Freitagabend ebenfalls bestürzt über die judenfeindlichen Ausfälle. "Die antisemitischen Vorfälle" zeigten, "dass Judenfeindlichkeit im Fußball noch immer verbreitet ist", sagte Klein den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Er sei "bestürzt, dass von deutschen Fans gerade an diesem historisch belasteten Ort statt Fairness und Respekt Hass und Gewalt ausgingen", sagte Klein.
Umso mehr begrüße er, dass der 1. FC Union den Vorfällen nachgehen wolle. Er hoffe aber auch, dass die Taten strafrechtlich geahndet würden. "Dass es auch Berliner Fans gab, die gegen das antisemitische Verhalten im Stadion aufgestanden sind, macht Mut", sagte Klein. Sie sollten allen anderen "ein Vorbild sein".
Sendung: Inforadio, 01.10.2021, 07:00 Uhr