Förderung steht auf der Kippe - Para-Leichtathletin droht Karriere-Aus wegen 0,01 Sekunden

Fr 15.10.21 | 08:10 Uhr
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Para-Leichtathletin Janne Engeleiter (imago images/Axel Kohring)
Audio: Inforadio | 14.10.2021 | Andreas Friebel | Bild: imago images/Axel Kohring

Janne Engeleiter gehört in ihrer Leistungsklasse zu den besten 100-Meter-Läuferinnen der Welt. Vor wenigen Wochen stand sie im paralympischen Finale. Doch jetzt droht ihr das Karriere-Ende. Der Grund ist der Bruchteil einer Sekunde. Von Andreas Friebel

Es geht um 0,01 Sekunden. Dieser kurze Moment hat Janne Engeleiter bei den Paralympischen Spielen in Tokio gefehlt, um die Kriterien für eine Sportförderung im neuen Jahr zu erfüllen. "Ich bin bei den Paralympics Neunte geworden. Mit einer Hundertstel hinter Platz acht. Um weiter zum Perspektivkader zu gehören, hätte ich Achte in Tokio werden müssen", erklärt Engeleiter.

Sportförderung nur bis Platz acht

Um es einmal konkret zu machen. Weil der Sprinterin im Finale 0,01 Sekunden gefehlt haben, gehört sie ab Januar nicht mehr zum sogenannten Perspektivkader. Monatlich 1.000 Euro finanzielle Unterstützung plus die Betreuung am Paralympischen Zentrum in Cottbus wären damit futsch. "Dieser Kaderstatus spielt eine unglaublich wichtige Rolle für mich. Zum einen, wegen der finanziellen Absicherung. Zum anderen, weil damit die Unterstützung am Stützpunkt, zum Beispiel in Form von Physiotherapeuten, ermöglicht wird."

Was der 26-Jährigen besonders bitter aufstößt, ist die Ungleichbehandlung zwischen Sportlern mit und ohne Handicap. Während Para-Leichtathleten in Tokio bestimmte Platzierungen erreichen mussten, um weiter gefördert zu werden, reichte bei den Olympiastartern allein die Tatsache, dass sie in Japan dabei waren. Wie erfolgreich sie dabei abschnitten, spielt für die Förderung keine Rolle. "Wir müssen uns für die Paralympics qualifizieren. Und dann dort noch zeigen, dass wir gut genug sind, um im Kader zu bleiben. Wir müssen uns also doppelt beweisen."

Ausnahme-Antrag ist gestellt

Und wie nun weiter? Die Sprinterin gibt sich kämpferisch und hat einen Ausnahme-Antrag gestellt. "Dafür benötigt man die Unterstützung der Bundestrainerin. Die habe ich. Und nun entscheidet der Deutsche Behindertensportverband, ob ich weiter unterstützt werde", so die 100-Meter-Läuferin.

Mit einer schnellen Entscheidung rechnet die Cottbusserin nicht. Sie trainiert aber trotzdem weiter. "Im Dezember steht ein Trainingslager an. Bis dahin, so hoffe ich, gibt es eine Entscheidung. Über das Jahr hinaus kann ich aber aktuell nicht planen." Denn sollte sie künftig keine Förderung mehr erhalten, ist Schluss. Vollzeit-Job und Vollzeit-Training lassen sich in Engeleiters Fall nicht unter einen Hut bringen.

Sendung: Inforadio, 15.10.2021, 9:15 Uhr

11 Kommentare

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  1. 11.

    Was für den nicht beeinträchtigen Leistungskader gilt, gilt auch für beeinträchtige Leistungskader. Daher der Begriff, Leistungssport.

  2. 10.

    Das ist doch eindeutige Diskriminierung! Wenn ich mich nicht irre ist Janne deutschen Rekord gelaufen!!! Und dann so eine Ansage von Funktionären, diese Leistung reicht nicht. Also wer deutschen Rekord läuft wird nicht mehr gefördert. Wie armselig sind die Verantwortlichen, dass sie eine Ausnahmegenehmigung beantragen muss. Schämt euch!!!

  3. 9.

    @Werner: arm dieser Kommentar ("Die erbrachte Leistung war halt einfach nicht gut genug..."). Empathie kann man leider nicht kaufen. Die Frage nach Diskrimierung stelle ich mir auch. Das System der Sportförderung wurde nach den guten Platzierungen der olympischen Spiele ja schon zurecht kritisiert.
    Ich drücke Frau Engeleiter die Daumen, dass der Antrag positiv beschieden wird.

  4. 8.

    .." tja, so macht man sich aber auch talente kaput; in solchen fällen sollte man die leistung fördern und nicht zerstören und dann wundert sich deutschland warum wir keine guten spitzensportler haben; Klasse habt ihr wieder prima hingekriegt!"

  5. 7.

    Es gibt Sportarten, da haben die Sportler zwei Wettkämpfe im Jahr, wo sie sich für einen Kaderplatz qualifizieren können. Und es hängt echt viel dran, ob man Kader ist und vor allem, in welcher Stufe man ist. Das Kadersystem sollte echt mal überprüft werden. Gerade für Kinder im Wachstumsalter ist zum Beispiel die ganze ärztliche und physiotherapeutische Begleitung in Berlin eine Katastrophe. Leistungssportler, die einen "normalen" Status haben, müssen manchmal Wochen auf einen MRT-Termin warten. Der Olympiastützpunkt hat die finanziellen Möglichkeiten nicht. Muss man sich mal vorstellen. Und die Jugendlichen verzweifeln manchmal, weil sie gern trainieren möchten ( ja stellt euch vor, sowas gibt's), aber nicht vernünftig begleitet werden. Wenn man nicht weiß, was wirklich alles dahintersteckt, um Leistungssport betreiben zu können, sollte man hier vorsichtig mit den Kommentaren sein.

  6. 6.

    Ich freue mich immer die Wettkämpfe zu sehen und finde es sollten die Regeln gleichgestellt werden egal ob behindert oder unbehindert. Es sollte keinen Unterschied machen.
    Das,Land sollte stolz sein das wir so viele motivierte Wettkämpfer/rin haben.
    mfg Christian

  7. 5.

    Dann aber bitte für die Sportler ohne Handicap die gleichen Regeln....das ist ja eher der springende Punkt..warum die anders behandelt werden...

  8. 4.

    Wenn die Regeln für Olympiateilnehmer mit und ohne Handicap unterschiedlich sind, handelt es sich um Diskriminierung.
    Dann bitte bei ALLEN Olympiateilnehmern jenseits Platz 8 sofort jede Unterstützung streichen.

    Das würde viel Geld sparen, das man der Förderung des Behindertensports zukommen lassen könnte :-)

    Ich wünsche Janne viel Erfolg beim Einspruch und im weiteren Leben - als Sportlerin vor allem :-)

  9. 3.

    Aber ist es nicht irgendwie eine Diskriminierung?
    Menschen mit Behinderung müssen sich doppelt beweisen und Menschen ohne brauchen es nicht?

  10. 2.

    Von außen leicht gesagt. Warum wird hier aber mit zweierlei Maß gemessen? Das ist ein gesellschaftliches Problem.

  11. 1.

    Wenn die Regeln neunmal so sind und es im Vorfeld transparent kommuniziert wurde, verstehe ich diesen Artikel nicht. Die erbrachte Leistung war halt einfach nicht gut genug, auch wenn es sehr knapp war. Hier sollte man sich an die aufgestellten Regelungen halten, damit alle SportlerInnen motiviert bleiben.
    A

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