Fußball | Daniel Siebert - Das ist der Berliner Schiedsrichter-Kandidat für die WM in Katar

So 21.11.21 | 12:21 Uhr | Von Lorenz Schalling
Schiedsrichter Daniel Siebert pfeift während eines Spiels von Union Berlin. Quelle: imago images/Zink
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Noch ein Jahr bis zur Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar. Für viele gilt der Berliner Daniel Siebert nach seinem kometenhaften Aufstieg 2021 als Deutschlands Schiedsrichter Nummer Eins. Plant er schon für die Wüsten-WM? Von Lorenz Schalling

Die Vorbereitung auf die EM-Premiere im Sommer lief nicht nach Plan. Beim Flug nach Schottland ging Daniel Sieberts Reisetasche verloren. Zum Glück packt er, seit einem ähnlichen Vorfall, immer Trikot, Hose, Stutzen und die Karten samt Pfeife ins Handgepäck. "So kam es, dass ich am Sonntag um 11 Uhr noch in einen Sportladen ging, um mir Schuhe zu kaufen, sonst hätte ich das Spiel nicht pfeifen können", schildert Siebert seine Shopping-Tour in Glasgow. "Und die habe ich auch nur das eine Mal getragen, seitdem stehen sie bei mir zu Hause."

Es folgte der erste seiner drei Turnier-Einsätze, bei denen Siebert jedes Mal zu überzeugen wusste. Wie schon zuvor auf nationaler und internationaler Ebene, als er unter anderem das vorerst letzte Bundesliga-Derby zwischen Dortmund und Schalke sowie gleich vier Duelle zwischen den Top-Teams aus München, Leipzig und Dortmund leitete.

Sicheres WM-Ticket für Daniel Siebert?

Viele sehen in Siebert den Topfavoriten unter Deutschlands Unparteiischen für die Fußball-WM 2022. Denn der zweite deutschen EM-Schiedsrichter Felix Brych verabschiedet sich zum Jahresende freiwillig von der internationalen Ebene.

"Ich denke, ich bin nicht mehr und nicht weniger als ein Kandidat", bremst Siebert jedoch. Verletzungen, ein Leistungstief - es kann noch viel passieren in 365 Tagen. "Ich möchte den Moment genießen, denn nach der EM hat sich bei mir schon etwas geändert", gewährt der 37-Jährige Einblicke in seine Eigenwahrnehmung. "Ich spüre bei den Spielen, Atletico Madrid gegen Liverpool zum Beispiel, einen unfassbaren Leistungsdruck. Den hatte ich vorher so nicht."

Druck den er sich mit dem neuen Prädikat "EM-Schiedsrichter" auch ein Stück weit selber macht. Siebert ist aus eigener Erfahrung bewusst: "Es werden auch mal weniger gute Spielleitungen dabei sein und mal ein Shitstorm kommen, wie ich es nach dem DFB-Pokal-Halbfinale 2019 erlebt habe." Doch gerade aus Fehlern und negativen Erfahrungen hat der selbstreflektierte Berliner in seiner Laufbahn am meisten gelernt. Trotzdem sieht er sich auch jetzt noch als: "Schiedsrichter-Talent, das noch einige Dinge lernen kann und muss."

"Bringe ein gutes Gesamtpaket mit"

Die Kommunikation mit den Spielern und sein Spielverständnis sehen viele Experten als die größten Stärken des gebürtigen Lichtenbergers. Er selbst findet: "Ich bringe ein gutes Gesamtpaket mit. Ich bin in keinem Bereich der Beste, aber überall vorne mit dabei."

Dass seine Leistungen auch beim Fußball-Weltverband FIFA Beachtung finden, beweist seine Nominierung für den Arab Cup. Das Turnier mit 16 Nationen aus Arabien und Nordafrika findet im Dezember in Katar statt und gilt als Probe für die Fußball-WM 2022. Ein Testlauf für die Organisatoren, aber auch für die Unparteiischen. "Ich denke, dass es ein positives Signal für mich ist, dass ich im internationalen Bereich weiter Erfahrungen sammeln darf", findet Siebert.

Wegen Freitickets zur Schiedsrichterei

Es wird die nächste Bewährungsprobe für den Berliner, der als 14-Jähriger mit dem Pfeifen anfing. Als Jugendfußballer des FC Nordost ging er regelmäßig mit Freunden zu Hertha oder Union. "Mit der Schiedsrichter-Lizenz kam man kostenlos bei Bundesliga- und DFB-Spielen ins Stadion", erklärt Siebert einen der damaligen Motivationsgründe.

Die eigenen Spiele, ein Einsatz als Schiri und als Zuschauer ins Stadion, so sahen oft die Wochenenden des begeisterten Fußballers aus: "Das war für mich super, denn ich habe mir die zehn, fünfzehn Mark Eintritt gespart und mir zusätzlich noch mein Taschengeld verdient mit dem Pfeifen."

"Tradition" der Berliner Top-Schiedsrichter

Als sein Talent entdeckt wurde und Siebert in die Förderprogramme des Berliner Fußball-Verbandes (BFV) kam, musste er im Männerbereich die Stürmer-Karriere beim FC Nordost, auch aus Zeitgründen, beenden. "Im Rückblick war das die richtige Entscheidung, denn als Spieler wäre ich niemals so weit gekommen", resümiert Siebert heute.

Dass er so weit gekommen ist, lag auch an der Ausbildung im BFV: Monatliche Stützpunkt-Kurse, Lehrgänge in seinen Förder-Kadern. Alles zusätzlich zu den regulären Basiskursen des Deutschen Fußball-Bundes. "In Berlin haben wir jeden Monat noch etwas on Top gesetzt, zum Beispiel Lehrgänge gemacht oder Spiele besucht", schildert Siebert und sagt, er habe in Berlin: "eine Luxusausbildung genossen, die ich immer sehr zu schätzen wusste."

Während einer längeren Verletzungspause als Zweitliga-Schiri engagierte sich Siebert selbst als Ausbilder eines Leistungskaders des BFV.

Spitzen-Schiedsrichter aus Berlin haben Tradition: Lutz-Michael Fröhlich, Manuel Gräfe, Felix Zwayer und Daniel Siebert leiteten in den letzten 30 Jahren allein über 800 Bundesliga-Spiele.

EM-Aufregung und Vaterschaft

Die Erfahrung des ersten EM-Turniers, wurde im Sommer noch gepaart mit dem persönlichen Glück im Hause Siebert. Trotz der weiten Anreise aus dem Camp der EM-Schiris in Istanbul schaffte es der Wahl-Köpenicker pünktlich zu seiner Frau und zur Geburt seiner Tochter nach Berlin. Die neue Aufgabe als Vater liefert den willkommenen Ausgleich zu allen Strapazen, die der sportliche Karriere-Schub 2021 mit sich bringt.

Gerade nach so einem ereignisreichen Jahr ist ihm wichtig zu zeigen: "was meine Eltern mir in Sachen Bodenständigkeit und Demut beigebracht haben." Deshalb plant Siebert: "Die Weihnachtsferien und der Neujahrsurlaub werden dieses Mal etwas länger ausfallen, um das alles zu verarbeiten."

Am besten, damit er gestärkt auch 2022 die nächsten sportlichen Hürden meistert und zum Jahresende sein nächstes Großturnier erleben kann.

Beitrag von Lorenz Schalling

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