Vor Spiel des Jahres im Brandenburg-Pokal - Wie ein Amateurverein sein Heimrecht verlor

Fr 12.11.21 | 14:01 Uhr | Von Shea Westhoff
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Fußballplatz in Brandenburg
Bild: imago images/Eibner

Der Siebtligist Fortuna Babelsberg spielt am Samstag im Brandenburger Landespokal gegen Energie Cottbus. Ein Traumlos - mit bitterem Beigeschmack: Der Klub aus Potsdam musste sein Heimrecht abgeben - wegen einer Fan-Rivalität, für die das Team nichts kann. Von Shea Westhoff

"Wir wollen niemanden miesmachen", stellt Chris Wittke im gemeinsamen Video-Gespräch mit seinem Trainer David Sommer und rbb|24 klar. Nicht den Brandenburger Fußball-Landesverband (FLB), nicht die zuständigen Behörden, nicht die Cottbuser, nicht den Vorstand des eigenen Vereins Fortuna Babelsberg, dessen Mittelfeldspieler Wittke ist. Doch gemeinsam mit seinem Trainer will er sich "Gehör verschaffen", wie er sagt. Denn die Mannschaft wurde um ihr Heimrecht gebracht für das vielleicht größte Spiel einer Amateurfußballer-Karriere.

"Ich habe mich riesig gefreut"

Es begann mit einem Traumlos: Energie Cottbus - einen höherklassigeren Gegner hätte Fortuna Babelsberg im Brandenburger Landespokal nicht erwischen können. Vier Pokalrunden hatte der Landesligist schon überstanden, dabei jedes Spiel zu null gewonnen - zwei Mal gegen höherklassigere Teams. "Ich habe mich riesig gefreut, als klar war: Es geht im Viertelfinale gegen die Cottbuser", erzählt der 32 Jahre alte Wittke. Und dann auch noch zu Hause, vor 400, vielleicht 500 Zuschauern auf dem heimischen Sternsportplatz. Was für eine Geschichte für den kleinen Klub. Eine Pokal-Geschichte.

Gemeinsam überlegten sie sich im Verein ein Sicherheitskonzept, das den neuen Anforderungen beim erwarteten Zuschauerandrang standhalten würde. Das Konzept enthielt Vorkehrungen wie Bauzäune, um die Fangruppen zu trennen, dazu 50 externe Mitarbeiter, die vor allem als Ordner tätig sein sollten. Am Dienstag vergangener Woche wurde das Konzept vom Fußball-Landesverband Brandenburg als tragfähig bewertet, dem Spiel gegen Cottbus schien nichts mehr im Wege zu stehen.

Angst vor Rache-Aktionen

Dann beginnt der Teil der Geschichte, der sich Fortunas Planung entzog. Bei der Regionalliga-Partie Ende Oktober zwischen Fortunas Stadtteilrivalen SV Babelsberg 03 und Energie Cottbus (2:0) sei ein Mitarbeiter der Babelsberger Geschäftsstelle mit Faustschlägen attakiert worden, vermutlich von einem Energie-Angänger - die Cottbuser Polizei informierte darüber. Das wäre ein weiteres dunkles Kapitel in der seit Jahren kultivierten Rivalität der beiden Brandenburger Traditionsvereine.

Am Donnerstag, zwei Tage nachdem Fortuna Babelsberg grünes Licht fürs Sicherheitskonzept erhalten hatte, trafen sich die Entscheider des Landesverbands mit der Polizei und dem Fortuna-Vorstand nochmals, um neu zu überlegen: Was, wenn Anhänger des Regionalligisten SV Babelsberg 03 auf die Idee kommen, eine Rache-Aktion gegen die zur Fortuna angereisten Energie-Fans planen? Könne man für die Sicherheit der Gäste unter diesen Voraussetzungen noch garantieren?

Hinzu kam: Bei Babelsberg 03 gab es mehrere Corona-Fälle - das für den 5. November angesetzte Regionalliga-Spiel gegen den FC Eilenburg war bereits abgesagt worden. Es bestand also die Möglichkeit, dass zusätzlich das Pokal-Auswärtsspiel des Lokalrivalen bei Grün-Weiß Ahrensfelde ausgesetzt würde (was sich nach heutigem Kenntnisstand nicht bewahrheitete). In diesem Fall, so die Bedenkenträger, würden sich die Fans des SV Babelsberg 03 zeitgleich mit den Energie-Anhängern in Potsdam aufhalten. Riskant.

Fortuna-Vertreter wollte Spielort ändern

Wittke und Sommer waren bei den Bedenken-Treffen nicht dabei, kennen den genauen Entscheidungsprozess nicht. "Aber das ist ja Teil des Problems", sagt Wittke. "Die fehlende Transparenz. Wir Spieler oder der Trainerstab wurden nicht in den Prozess einbezogen." Fest steht: Der Brandenburger Fußball-Landesverband sowie die beteiligten Klubs einigten sich auf das Cottbuser Stadion der Freundschaft als neuen Viertfelfinal-Austragungsort, "um allen logistischen und sicherheitsrelevanten Vorgaben" gerecht werden zu können, wie Energie später seiner Homepage vermeldete.

Wenn man die Verbandsseite anhört, wirkt der Entscheidungsprozess durchaus schlüssig. Ronny Beyer vom FLB war daran beteiligt. Er bestätigt gegenüber rbb|24, dass die Begleitumstände um den SV Babelsberg 03 und Energie Cottbus dazu führten, die Risiko-Kategorie der Fortuna-Partie hochzustufen, was zum Beispiel mehr Sicherheitspersonal bedeutet hätte.

"Ich kann die Enttäuschung der Spieler absolut nachvollziehen, dass dieses bedeutsame Spiel nicht vor heimischer Kulisse stattfindet", sagt Beyer. Er betont aber auch: Der Impuls, den Spielort letztlich ganz zu verlegen, kam vom Verein selbst. Beyer liege die Anfrage eines Fortuna-Vertreters vor. "Das der Mannschaft zu kommunizieren ist nicht Aufgabe des Verbands, sondern des Vereins selbst", sagt er.

Rund 80 Fortuna-Fans kommen mit

Fakt ist: Ein Fortuna-Heimspiel wurde zum Auswärtsspiel. Und das bedeutet auch, dass viele Freunde und Familien aus dem Vereinsumfeld nicht dabei sei können, wenn ihre Kicker gegen die Profis von Energie Cottbus antreten. Immerhin sollen bis zu 80 Fortuna-Anhänger mit Autos und mit Bussen in die Lausitz gebracht werden und beim Spiel dabei sein - für nur 10 Euro pro Person. "Den Rest subventioniert Verein", sagt Wittke anerkennend.

Das sind die neuen Voraussetzungen: Der Siebtligist gegen den ehemaligen Bundesligisten Energie Cottbus, nun vor fremder Kulisse. Frage an Trainer David Sommer: Was ist drin für sein Team? "Gegen so eine Mannschaft ist es natürlich gleich doppelt so schwer, wenn die meisten im Stadion gegen dich sind", sagt er. Aber: Wenn die Fortuna gut ins Spiel kommt und vielleicht die eine oder andere unvorhergesehene Spielaktion auf dem Platz passiere, wer weiß: "Vielleicht sind dann auch die Zuschauer aus dem Konzept." Dann sei für die Amateure alles möglich.

Es wäre noch so eine Wendung auf der außergewöhnlichen Pokalreise von Fortuna Babelsberg.

Sendung: Inforadio, 11.11.2021, 18:15 Uhr

Beitrag von Shea Westhoff

1 Kommentar

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  1. 1.

    Das ist ja ein Gejammer :(
    Sachlich gesehen hätte Fortuna Babelsberg nach dem Pokalheimspiel gegen Seelow aus dem Pokal ausgeschlossen werden müssen. Pyroatacken ohne Ende. Das ist der Fakt! https://youtu.be/AGgKi27hGhU
    Nur mal für diejenigen, die sich wirklich eine objektive Meinung bilden möchten. Aber das ist in der Landeshauptstadt sowieso nicht „in“.

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