Vor dem Spiel gegen Union - Darum gewinnt Hertha das Derby
Seit drei Spielen hat Hertha BSC in der Bundesliga nicht mehr gegen den Stadtrivalen Union Berlin verloren. Aber nicht nur deshalb sieht Hertha sich gut gerüstet für das Derby in Köpenick. Von Astrid Kretschmer
Die Offensive als Trumpf
Auch wenn Meisterschaften in der Defensive gewonnen werden, Spiele werden durch die Offensive gewonnen. Und Derbys - Kampfspiele hin oder her - erst recht. In der Abwehr steht Hertha mittlerweile ganz gut da, in der Offensive wird man bei den Blau-Weißen versuchen, den ein oder anderen Konter besser zu fahren, daraus Tore zu machen, und nicht alles auf Marco Richter abzustellen. Stürmer Stevan Jovetic kann dabei den Unterschied machen - möglichst wieder mit einem Traumtor wie zuletzt gegen Bayer Leverkusen.
Der Stürmer wurde am Donnerstag nach einem negativen Corona-Test aus Montenegro zurück in Berlin erwartet. Er war in der Vorwoche trotz Impfung bei seinem Nationalteam positiv getestet worden. "Mit ihm war das offensive Spiel besser, das hat man deutlich gesehen", lobt Trainer Pal Dardai auf der Pressekonferenz. Das mache "schon einen Unterschied, auch in der Spielweise und würde auch gegen Union klappen". Dardai will erst am Samstag über die Aufstellung entscheiden, er habe aber die Qual der Wahl. Im Angriff könnten auch Davie Selke (guter Anlauf, nervt jede Abwehr), Krzystof Piatek (torgefährlich, mit zwei Treffern bester Torschütze in Bundesliga-Derbys) und Ishak Belfodil ("hat richtig gut trainiert", so Dardai) auflaufen. Herthas Trainer überlegt sogar im 4-4-2 System zu spielen, also mit zwei Stürmern.
Das Derby kennt keine Tabelle
Sportlich bleibt Union in jedem Fall Berlins Nummer eins. Schon vor der Begegnung haben die Köpenicker als Tabellen-Achter vier Zähler Vorsprung vor dem 13. Hertha. Die Bilanz in Sachen Stadtmeisterschaft sieht aber schon ganz anders aus. Nach vier Bundesliga-Duellen hat Hertha die Nase vorn. Union konnte nur das Derby vor zwei Jahren gewinnen. 4:0, 3:1 und zuletzt 1:1 hieß es in den folgenden Derbys.
Auch wenn sich Trainer Dardai und Manager Fredi Bobic einig sind, dass es im Berlin-Duell keinen Favoriten gibt, kann der Trainer das Zurückfallen hinter den Lokalrivalen nicht so stehen lassen. "Wenn man das ganz große Bild sieht, haben wir die Nase vorn", so Dardai. Bei "Liga-Zugehörigkeit, Zuschauerschnitt, im Nachwuchs dominieren wir." Er sei "froh, dass es Union in die erste Liga geschafft hat. Glückwunsch und Respekt". Aber die aktuelle Tabelle sei irrelevant. Die Ansage von Dardai: "Wenn wir einen guten Tag haben, dann werden wir ein richtig geiles Spiel machen und das wird gut aussehen."
Hertha wird unterschätzt
Die "Alte Dame" gewinnt gegen Union aus einem naheliegenden Grund: Sie wird unterschätzt. Alle denken, das die "Eisernen" das hinkriegen. Sind in der Tabelle vor Hertha, als starker Achter mit nur zwei Punkten Rückstand auf Platz vier - ach ja, das ist ja ein Champions-League-Platz. Der Lokalrivale aus Köpenick wird im Moment geliebt, gehypt, gepriesen. Bei Union glaubt man, mit dem Rivalen von drüben vergleichsweise leichtes oder wenigstens ausgeglichenes Spiel zu haben. Getreu dem Motto: Union verliert nur gegen Top-Teams. Auch wenn Union-Trainer Urs Fischer brav warnt vor dem kompakten Gegner.
Jawoll, die Blau-Weißen sind als Team zusammengewachsen. Dardai hat es geschafft die Mannschaft zu stabilisieren, hat eine Achse und auch ein passendes System gefunden. Hertha zeigt sich stark verbessert, gerade im Zweikampf, bei der Laufleistung. Die Mannschaft wird sich laut Dardai in das "Kampfspiel reinbeißen". Manager Fredi Bobic glaubt an die verbesserte Einstellung der Mannschaft. Man habe in dieser Saison "schon Spiele aufgrund der Mentalität herumgerissen, auch gegen vermeintlich größere Teams". Im Derby ginge es nun gegen ein Team, dass auch fighten wird. Hertha müsse "alles reinhauen". Und schließlich verriet er noch, warum die Spieler gegen Union ohnehin laufen müssen. Draußen sei es kalt und grau, "da müssen sich unsere Jungs automatisch bewegen", so Bobic mit einem Grinsen. Na, wenn das nicht eine Extra-Motivation ist.
Heimvorteil Union? Von wegen!
Union ist zu Hause im Stadion an der Alten Försterei eine Macht. Erst die Bayern beendeten die Serie von 21 ungeschlagenen Heimspielen. Und dann ist das Stadion auch noch ausverkauft. Für Herthas Niklas Stark eher "geil, ein volles Stadion zu haben. Die Stimmung ist geil. Da wird schon was abbrennen, da drüben." Und Trainer Dardai ergänzt: "Ob wir dort spielen oder im Olympiastadion, egal, weil da wird es genug Fans von beiden Seiten geben und eine gute Stimmung."
Für Hertha ist das Derby "drüben" also eher ein Anreiz mehr. Es geht um Prestige, Punkte und diese Herausforderung. Deshalb folgendes Szenario: In der 60. Minute stoppt Stevan Jovetic eine Flanke aus dem Halbfeld mit rechts, dreht sich und haut den Ball mit links in den Winkel. Auf den haben sie bei Union zu wenig aufgepasst, weil sie meinten, dass der Treffer gegen Leverkusen Zufall war. Alles weitere siehe oben - Grund Nummer eins.
Sendung: rbb24, 18.11.2021, 22 Uhr