Analyse | Remis gegen Augsburg - Hertha verliert vor spätem Ausgleich die Nerven

So 28.11.21 | 10:30 Uhr | Von Till Oppermann
  19
Spieler von Hertha und Augsburg diskutieren miteinander (Quelle: IMAGO/Jan Huebner)
Audio: Inforadio | 28.11.2021 | Lars Becker | Bild: IMAGO/Jan Huebner

In einer turbulenten Nachspielzeit verschenkt Hertha BSC einen sicher geglaubten Sieg. Diskussionen über den Schiedsrichter sollten nicht über die Fehler der Mannschaft hinwegtäuschen. In den 90 Minuten zuvor zeigte Hertha spielerisch gute Ansätze. Von Till Oppermann

Wenn eine Rudelbildung zur Schlüsselszene eines Bundesligaspiels wird, verheißt das selten Gutes für das sportliche Niveau der Partie. Dabei war Hertha BSCs Heimspiel gegen den FC Augsburg eine unterhaltsame Begegnung mit insgesamt 30 Torschüssen zweier Mannschaften, die über die gesamte Spielzeit versuchten, offensive Akzente zu setzen.

Die knapp unter 15.000 Herthaner, die trotz Eisregen und der Berliner Novemberkälte den Weg ins Olympiastadion gefunden hatten, durften lange auf einen Sieg ihrer Mannschaft hoffen. Bis zur 97. Minute: Dann köpfte der eingewechselte Michael Gregoritsch den Ausgleich für seine Augsburger – obwohl das Team um Schiedsrichter Frank Willenborg die Nachspielzeit ursprünglich auf vier Minuten angesetzt hatte. Co-Trainer Zecke Neuendorf regte sich darüber so unflätig auf, dass er eine rote Karte kassierte. Sein Chef Pal Dardai reagierte gelassener. Als ein Sky-Reporter ihm direkt nach Abpfiff Kritik an Willenborg entlocken wollte, sagte er: "Nein, ich rede da nicht rein."

Am Ende verliert Hertha die Nerven

Daran sollten sich seine Spieler in Zukunft ein Beispiel nehmen, denn sie allein verschuldeten die verlängerte Nachspielzeit. Als sich die Herthaner in der 94. Minute, also Sekunden vor Ablauf der ursprünglichen Zusatzzeit, einen Eckball erkämpft hatten, sah alles danach aus, als wäre Hertha am Ziel. Wie in solchen Situationen üblich, führten die Berliner die Ecke kurz aus. Die Mannschaft blieb tief gestaffelt in ihrer Ordnung. Der robuste Stürmer Davie Selke schirmte den Ball gegen die Augsburger ab, um weitere Sekunden von der Uhr zu nehmen. Im Gerangel um die Kugel fiel er zu Boden. Schiedsrichter Willenborg entschied auf Freistoß für die Augsburger. Das war durchaus diskutabel, gleichzeitig aber auch eine der berühmten 50-50-Entscheidungen in der Zweikampfbewertung, von denen es pro Spiel mindestens ein Dutzend gibt.

Zumal Selke sich zuerst reichlich theatralisch am Boden wälzte, dann plötzlich wie von der Tarantel gestochen aufsprang, um sich schließlich brüllend mit den Augsburgern zu rangeln. Was allerdings seine Mitspieler dazu bewegte, in Scharen in die gegnerische Hälfte zu rennen, sich am Geschubse an der Eckfahne zu beteiligen, bleibt fraglich. Schließlich waren sie vor der Ecke extra in ihrer eigenen Hälfte geblieben, um die Ordnung zu halten. Die Scharmützel rund um Willenborg dauerten mehrere Minuten und der Schiedsrichter entschied sich, die gesamte Zeit nachspielen zu lassen. Und so kam es, wie es kommen musste: Die schlecht gestaffelten Herthaner bekamen nach einem schlecht geklärten langen Ball mit der letzten Aktion des Spiels den Ausgleich. Wie konnte das passieren, Herr Dardai? "Erstmal ist schiefgelaufen, dass wir zu lange diskutiert haben", so der Hertha-Trainer. Danach sei seine Mannschaft aus dem Konzept gewesen und nur noch hinterhergelaufen. "Wir müssen bis zum letzten Pfiff verteidigen."

Spielerisch machte Herthas Auftritt Mut

Für den Trainer ist dieser Ausgang besonders bitter. Nachdem er nach der Pleite im Stadtderby für seinen nicht erkennbaren Matchplan noch hart kritisiert wurde, hatte Dardai sich für das Spiel gegen Augsburg einiges überlegt. Um Sechser Santiago Ascasibar im Spielaufbau zu entlasten, wurde die Viererkette aus Marvin Plattenhardt, Jordan Torunarigha, Niklas Stark und Peter Pekarik im eigenen Ballbesitz zu einer Dreierkette, in die Plattenhardt als halblinker Innenverteidiger einrückte, während Rechtsverteidiger Pekarik weit in die gegnerische Hälfte schob. So gelang es Hertha, deutlich mehr Breite ins Spiel zu bringen - denn insbesondere Stark postierte sich weit außen und leitete mit langen Pässen entlang der Seitenlinie immer wieder gute Angriffe ein. "In der ersten Halbzeit hatten wir zwei hundertprozentige Chancen nach eigenem Ballbesitz", lobte Dardai.

Er spielte damit auf Ishak Belfodil an. Der neue Stürmer schuf mit starken Tiefenläufen immer wieder Anspielstationen für seine Kollegen im Mittelfeld und tauchte im ersten Durchgang gleich zweimal frei vor Augsburgs Rafal Gikiewicz auf, der seine Chancen jeweils vereitelte. Zwar war Herthas Führung durch Marco Richter kein Produkt des besseren Offensivspiels. Aber dass er dem Augsburger Gumny den Ball stibitzte und zum 1:0 einschob, kann auch als Reaktion auf die Niederlage gegen Union gewertet werden, nach der Dardai noch über die fehlende Spritzigkeit und Zweikampflust seines Teams geklagt hatte. "Die erste Halbzeit war ausgeglichen, in der zweiten Halbzeit waren wir die bessere Mannschaft", kommentierte Dardai nach dem Spiel gegen Augsburg. Das lag auch daran, dass Hertha - anders als im letzten Heimspiel gegen Leverkusen - in Führung weiter konstruktiv nach vorne spielte anstatt zu mauern. Nach zahlreichen Chancen erzielten die Berliner sogar zwei Abseitstore, aber leider reichte der ganze Aufwand nicht für das erlösende 2:0. Deshalb haderte Dardai: "Man muss das zweite Tor machen, dann müssen wir auch nicht diskutieren, wegen der 96 Minuten."

Marco Richter war selbstkritisch

Dass sich die Diskussionen nach dem Spiel doch vor allem um die lange Nachspielzeit drehen, liegt wohl in der Natur der Sache. Die Hertha-Spieler täten trotzdem gut daran, sich die Szenen vor dem Ausgleich nochmal genauer anzusehen. Denn in den Minuten nach der Rudelbildung schienen sie den Spielstand völlig vergessen zu haben. Kurz vor dem Gegentor hatten fünf eher konfus formierte Herthaner die Gefahr eigentlich bereits gebannt. Ihr Befreiungsschlag hätte den Mitspielern Zeit gegeben, sich in Verteidigungshaltung zu postieren. Stattdessen rannten gleich mehrere Herthaner nach vorne, als hätte der Alten Dame ein Tor gefehlt. Torschütze Marco Richter gab einen Einblick in die Gefühlswelt der Berliner: "Wir sind bedient. Das darf uns nicht passieren."

Sendung: rbb24, 27.11.2021, 21:45 Uhr

Beitrag von Till Oppermann

19 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 19.

    Ick bin Berliner, nur Sie haben ein großes Problem, und zwar, dass sie mit der Wahrheit nicht klarkommen können.
    Zur Erinnerung : In Charlottenburg hat man seit jeher die große Klappe = Wir sind der Hauptstadtclub, es gibt nur Hertha in der Stadt, Glückwunsch zum Aufstieg 1. FC Union, und danke für die 6 Punkte, Wir planen die größte Aufholjagd Europas - ja genau nicht nur Deutschlands - sondern gleich Europas.

    In Relation dazu ist eine Zuschauerzahl an einem Samstag von 14.523 - 40.000 wären möglich gewesen - zum Fremdschämen = nur 36% Stadionauslastung !
    Berlin hat 3.7 Millionen Einwohner.

    Beim 1. FC Union Berlin kamen im Olympiastation 23.000 von zugelassenen 25.000 gegen Kups aus Finnland, das sind immerhin 92% Stadionauslastung.

  2. 18.

    Auch wenn es mehr oder weniger nur ein Nebenschauplatz ist, ist die Zuschauerzahl von nur rund 14.500 bei einem Heimspiel gegen einen direkten Tabellennachbarn, bei dem die meisten von einem Sieg für Hertha ausgegangen sein dürften, schon ziemlich enttäuschend. Auch das dürfte vermutlich auch ein Quentchen zur Trainerabsetzung beigetragen haben.

  3. 17.

    Ich schließe mich den circa dreißig Kommentator/innen vor mir an und wundere mich über die kolportierte Zuschauerzahl. ;-)

  4. 16.

    Wenn man, wie Sie, einen Hass gegenüber Hertha hegt (ich gehe davon aus, Sie sind kein echter Berliner?), dann sagt die geringe Zuschauerzahl vielleicht aus, wie "uninteressant" Hertha für die Berliner ist. Dann würde es aber auch heißen, dass Union nicht wirklich die Berliner in ihren Bann zieht - schließlich haben sie im Olympiastadion bei einem internationalen(!) Wettbewerb die erlaubten 25.000 Zuschauer auch nicht erreicht. Aber ich weiß jetzt schon, dass Sie dafür irgendwelche Gründe aufzählen werden, die aber natürlich nur für Union gelten und für Hertha nicht ;)

  5. 15.

    Nicht ganz so uninteressant wie Ihr kleinkarierter Beitrag .Gott sei Dank gibt es keine anderen Probleme .

  6. 14.

    Stimmt... so sind beim nächsten Heimspiel nicht mehr 20.000 da, sondern nur noch 14.500...

    @rbb24: bitte den Till O. nie von Wahlen berichten lassen!

  7. 13.

    Liebes RBB-Team, Ich möchte mich über den Autor = Till Oppermann beschweren, wie lautet die Kontaktadresse?
    Der Text hat eindeutig Hertha-Fanclub-Format - doch der RBB hat neutral zu sein !
    Wie kann man denn ernsthaft 14523 Zuschauer aufrunden auf knapp 20.000 ?
    Korrekt wäre, obwohl knapp 40.000 Menschen zugelassen waren, kamen nicht einmal 15.000 !
    = Was eindeutig belegt wie uninteressant die Charlottenburger Hertha - den Berlinern mittlerweile ist.

  8. 12.

    An den Autor des Artikels = Herr Till Oppermann - werden sie etwa von Hertha bezahlt ?
    Es waren nur 14523 Zuschauer dort - was sehr enttäuschend ist !
    Ihr Satz : "Die circa 20.000 Herthaner, die trotz Eisregen und der Berliner Novemberkälte den Weg ins Olympiastadion gefunden hatten" = ist nichts anderes als unseriöse Berichterstattung !

  9. 11.

    Der schlechteste Kader seit Jahren, die technisch schlechteste Mannschaft der 1 Bundesliga. Ein Tarinergespann die nichts bewirken, keine Impulse setzen und ein Manager der , warum auch immer, alles halbwegs Kreatives verkauft und verleiht. Ganz davon abzusehen, was im Herthaumfeld sonst noch chaotisches abläuft. Ein unseriöser Geldgeber, ein Medienverantwortlicher jenseits von Realität...
    Was nun machen?
    Jedes Jahr das Selbe.
    Ich habe keine Lust mehr auf Hertha.

  10. 10.

    Kein Verständnis mehr für die Blödheit von Selke und Co. So verliert man Punkte und Zuschauer.

  11. 9.

    Na ja, man hat durchaus gesehen, dass Dardai nach dem schlechten Spiel gegen den FCU einiges geändert hat und auch anders trainieren ließ - aber der "Geist" will einfach nicht einziehen. Und die dusselige Spielverzögerung kurz vor Schluss mit der anschließenden Indisponiertheit der Mannschaft, war nun wirklich unnötig. Ohne dem hätte man zwar ziemlich glücklich, aber eben gewonnen und drei wichtige Punkte eingefahren.

  12. 8.

    Das Schönen von Zuschauerzahlen und dem "Spielerisch machte Herthas Auftritt Mut"-Spruch gehört zum Pfeifen im dunklen Wald. Ist auch egal, wie viele die Peinlichkeit gesehen haben, ändert nichts am Drittliga-Niveau.
    Letztlich aber kennt man dieses Schönen von Demonstrationen - ja nach Anspruch und politischer Ausrichtung

  13. 7.

    „ca. 20.000 Herthaner“ so sieht das Wunschdenken eines Anhängers der Charlottenburger aus. Da schlägt man zu den 14.500 einfach nochmal die Hälfte drauf.
    Unserioser Euphemismus.

  14. 6.

    Zitat RBB
    ....Spielerisch macht Herthas Auftritt Mut....
    wie bitte ?
    wenn es so weiter geht, beginnt mit dem Start der Rückrunde der Abstiegskampf und dabei sollte diesmal alles anders werden

  15. 5.

    Vielleicht hat ja auch derjenige für den RBB die Zuschauer zählt, der gleiche, der sonst die Teilnehmer an der ADFC-Sternfahrt zählt. Bei 200.000 ist dann Herr Oppermann doch stutzig geworden und hat einfach eine Null weggelassen. :-)

  16. 4.

    So kann man sich - glaube ich - nicht verbessern: Wenn ein Trainer nach nicht gewonnenen Spielen einfach behauptet, dass man sie eigentlich gewonnen hätte. Das ist keine Fehleranalyse, sondern Schönfärberei. Fakt ist, dass die Hertha das zweitschlechteste Torverhältnis hat (nach Fürth). Wie ist das zu erklären und vor allem wie soll es geändert werden?

  17. 3.

    Jetzt werden vom rbb für Hertha schon die Zuschauer-Zahlen geschönt...

    Oder war Herr Oppermann gerade Kreide holen, als Auf- und Abrunden im Mathe-Unterricht der Grundschule auf dem Lehrplan stand?

    Schade, denn ansonsten ein ganz guter Bericht, wie ich finde.

  18. 2.

    Ach so 20000 Zuschauer wird das geschätzt so wie bei den Corona Zahlen. Denn in Wirklichkeit waren nur 14000 anwesend.

  19. 1.

    Vielleicht einfach mal diese lächerliche Fummelei bei einem letzten Eckball sein lassen. Ecke normal ausführen- im besten Fall bekommt man noch eine richtig gute Torchance. Aber wenn man wegen erwiesener Blödheit lieber noch einen kassiert...

Nächster Artikel