Nach dem Union-Sieg gegen Hertha - Was das Derby über die Stärken und Schwächen der Hauptstadtklubs verrät

So 21.11.21 | 14:53 Uhr | Von Jakob Lobach
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Unions Spieler feiern während des Derbys gegen Hertha BSC (Quelle: IMAGO / camera4+)
Bild: IMAGO / camera4+

Mit 2:0 hat Union Berlin am Samstagabend das Derby gegen Hertha BSC gewonnen. Der Sieg bestätigt, dass sich die Köpenicker als fußballerische Vorherrscher in der Stadt etabliert haben. Die Gründe für den Erfolg - und was Hertha sich abgucken kann. Von Jakob Lobach

Die Freude ist groß bei Union Berlin an diesem Wochenende. Sie war es um 18:38 Uhr am Samstagabend bei Taiwo Awoniyi, als dieser den 1:0-Führungstreffer gegen Hertha erzielte, sie war es nach Abpfiff bei den euphorischen Fans in der Alten Försterei und sie ist es auch am Tag nach dem Derbysieg noch. Und sie ist es völlig zurecht.

Unions Sieg gegen den großen Rivalen passt ins aktuelle Bild der beiden Klubs, steht fast schon symbolisch dafür. Während die Unioner sich mit gutem und erfolgreichem Fußball auf Tabellenplatz fünf vorgespielt haben, läuft Hertha aktuell Gefahr, auch in dieser Saison wieder in den Abstiegskampf zu rutschen. Aber wo genau liegen die Gründe für den Erfolg von Union? Und wo kann Hertha sich vom ungeliebten Nachbarn sogar etwas abgucken?

1. Wille und Einsatz

Besonders in einem Derby, aber auch allgemein im Fußball ist die Einstellung bekanntermaßen einer der Eckpfeiler des Erfolgs. Bei Union, da besteht nicht erst seit Samstagabend kein Zweifel mehr dran, stimmt die Einstellung aktuell. Gegen Hertha war die Mannschaft von Trainer Urs Fischer von Beginn an physisch wie mental präsent. Oder um es in den Worten von Max Kruse am Mikrofon von Sky zu sagen: "Wir waren von der ersten Minute an hellwach". Seine Mannschaft habe ihr Herz auf dem Platz gelassen, erklärte der Offensivmann.

Die Köpenicker machten defensiv konstant Druck und gingen das ganze Spiel über mit viel Intensität und Überzeugung in die Zweikämpfe mit ihren ungleich passiver wirkenden Herthaner Gegnern. Kurzum: Union spielt aktuell in großer Regelmäßigkeit mit einem Feuer, das beeindruckt. Am Freitag stand das im Kontrast zu einer Hertha-Mannschaft, der Kevin-Prince Boateng nach dem Spiel die richtige Einstellung für ein Stadtderby absprach. Es habe schlicht und ergreifend "Herz gefehlt", so der Routinier, der ergänzte: "Es ist nicht akzeptabel, was wir heute geboten haben." Auch Hertha-Trainer Pal Dardai bemängelte am Sonntagmorgen die fehlende Konsequenz seiner Schützlinge und sprach von zu geringer Aktivität und Zielstrebigkeit, insbesondere im Angriff. "Das war offensiv nicht genug", so Dardai.

2. Spielerische Qualität

Ebenfalls unbestritten ist die Qualität der Spieler ein weiterer Eckpfeiler für fußballerischen Erfolg. In den Reihen von Union ist solche Qualität in dieser Spielzeit zweifelsfrei vorhanden. Sie reicht von Mittelfeld-Motor Niko Gießelmann, der eine starke Saison spielt und gegen Hertha beide Treffer vorbereitete, über den wiedergenesenen Kruse, der Unions Spiel ungemein prägt, bis hin zu Stürmer Taiwo Awoniyi, der am Samstagabend bereits sein achtes Tor in der laufenden Saison erzielte. Zum Vergleich: Hertha hat als gesamtes Team bis dato lediglich zwölf Treffer erzielt.

So musste selbst Hertha-Trainer Pal Dardai am Sonntagmorgen attestieren: "Union, die machen das richtig gut." Man muss dem Ungar recht geben. Die Unioner spielen auch deshalb gut, weil sie effektiv sind. Awoniyi war bei seinem Führungstor nach Fehler von Herthas Marton Dardai eiskalt im Abschluss und Christopher Trimmels Schuss von der Strafraumkante war zwar mit viel Risiko verbunden, hätte aber auch kaum präziser im Tor einschlagen können. Dass Hertha in Halbzeit zwei zwar offensiv bemüht war, aber immer wieder an Unions stabiler Defensive scheiterte, zeugt ebenfalls von deren Qualität.

3. Der Trainer

Einen weiteren Unterschied zwischen Union und Hertha entdeckt man, wenn man den Blick vom Spielfeld an dessen Rand schweifen lässt. Auf der Bank der Köpenicker sitzt in Urs Fischer der viel gelobte Architekt des Köpenicker Erfolgs, dem stets aus allen Richtungen große Kompetenz und taktische Fähigkeiten attestiert werden. Hertha-Trainer Dardai hingegen musste sich zuletzt einige Kritik anhören. Auch am Samstag war es Urs Fischers Taktik, die um Längen besser aufging. Wie schon zuletzt ließen die Unioner ihren Gegner zwar mit Blick auf den Ballbesitz das Spiel machen, waren hierbei allerdings in der Defensive exzellent organisiert und nach Ballgewinnen selbst offensiv stets brandgefährlich.

"Nach dem 0:1 müssen wir nach vorne spielen. Da haben sie natürlich gelauert und gekontert. Das ist die Stärke von Union", lobte Pal Dardai am Sonntag die Mannschaft und den taktischen Plan seines Union-Kollegen Urs Fischer. Seine eigene Taktik wollte Dardai für die Niederlage im Derby nicht verantwortlich machen und sagte: "Ich glaube, unser System, unsere Mannschaft funktioniert." Stattdessen hätte fehlende Konsequenz zu Niederlage geführt. "Der letzte Pass war nicht da. Zum Schluss haben sogar alle Stürmer gespielt und trotzdem haben wir keine Unordnung gebracht", so Dardai. Aber eben auch, weil die Dardai und seine Mannschaft zu keinem Zeitpunkt die richtigen taktischen Mittel gegen gut eingestellte Unioner gefunden haben. "Vom Trainer bis zu uns Spielern ist unser Plan für das Spiel heute sehr gut aufgegangen", freute sich Taiwo Awoniyi so anschließend.

4. Teamgefüge und Spirit

Mannschaftliche Geschlossenheit spielt im Konzept von Union Berlin eine zentrale Rolle. Nicht nur der Verein schreibt sich seit eh und je auf die Fahne, eine große Familie zu sein, auch seine Profimannschaft hat diesen Anspruch. Auch, weil es im Team der Eisernen nur wenige der oft zitierten Ausnahmespieler gibt. Klar, Max Kruse ist ein solcher und auch Taiwo Awoniyi ragt bis dato in dieser Saison heraus. Dennoch bleibt: Union gewinnt seine Spiele für gewöhnlich dank guter und eben geschlossener Teamleistungen, statt durch individuelle Glanzauftritte.

Bei Hertha haben die Verantwortlichen mit Blick auf ihre Mannschaft zuletzt ebenfalls von einer enger zusammenrückenden Einheit gesprochen. Auf dem Platz ließen sich dennoch auch am Samstag wieder deutliche Unterschiede zwischen Union und Hertha erkennen: Während die Spieler der Erstgenannten sich im Laufe des Spiels gegenseitig befeuerten und wie ein gut funktionierendes, weil sich untereinander unterstützendes Kollektiv wirkten, ließ Hertha den richtigen Spirit oft vermissen. Statt gegenseitiger Aufbauarbeit waren nach dem Rückstand wild gestikulierende, anscheinend die Kollegen kritisierende Spieler auf der Bank und die beschriebene suboptimale Körpersprache zu beobachten. "Selbst wenn es nicht läuft, muss man trotzdem eine andere Körpersprache zeigen", betonte Hertha-Trainer Pal Dardai deshalb mit Nachdruck. Es ist nicht der einzige Punkt, in dem sich Herthas Akteure aktuell ein Beispiel an ihren Nachbarn aus Köpenick nehmen könnten.

Sendung: rbb UM6, 21.11.2021, 18 Uhr

Beitrag von Jakob Lobach

23 Kommentare

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  1. 23.

    Es ging mir um die Absolutheit bzgl. Fussballfans in der Aussage von Bendte. Und soweit mir bekannt, haben fast ausschließlich Rotterdamer Anhänger für Ärger am Vorabend des ECL Spiels gesorgt. Daher ist mir Ihre Vermutung, irgendwas von Unionern 'verdrängt' zu haben, reichlich unerklärlich.

  2. 22.

    Nun ja, Dardai kann m. E. am wenigsten dafür, dass die Mannschaft nicht wirklich funktioniert. Er war in keine Entscheidung eingebunden, was bspw. Spielerverpflichtungen betrifft - und muss mit dem "Material" arbeiten, das ihm die sportliche Führung zur Verfügung gestellt hat.

    Er hat sich vor einer Weile ja mal "verquatscht", als er meinte, er sei mehr oder weniger ein "Platzhalter" für einen Trainer den sich Hertha eigentlich wünscht (aber nicht verpflichtet bekommt). Diese offensichtliche Wahrheit hat Bobic gar nicht gerne gehört und Dardai nahezu "den Mund verboten".

    Ich finde seine Interviews eigentlich immer angemessen: https://www.zdf.de/sport/das-aktuelle-sportstudio/pal-dardai-interview-union-berlin-hertha-bsc-100.html

  3. 21.

    Komisch ich kann die immer noch bei jedem Spieltag vor ,bei und nach jedem Spiel sehen . das Spiel gegen die Holländer schon vergessen ,oder verdrängt ?

  4. 20.

    Hauptsache nach dem Spiel kam neben dem "guten Bauchgefühl", gleichbedeutend mit einer aufkommenden Niederlage, der allseits bekannte, traditionelle und verachtenswerte Satz von Dardai wie nach jeder Niederlage dieser Versager:
    Müssen wir heute akzeptieren!
    Genau, einfach akzeptieren, dass wir die Lachnummer jedes Spieltags sind. Bloß nicht wehren oder geschweige denn kritisieren.
    Aber nun gut, in den Medienrunden vor und nach dem Spiel werden ja ebenfalls keine kritischen Fragen gestellt, da man Niederlagen gewöhnt ist entsprechend der Hertha-DNA.

  5. 19.

    Ich als Charlottenburger möchte mich Ihrem Gedanken und Kommentar vollständig anschließen und finde schon geil, dass Union wieder gewonnen hat. Bin kein Fußballanhänger aber es hat insgesamt den Anschein, dass Union wesentlich bodenständiger und sympathischer rüberkommt, was nicht nur daran liegt, dass ich Arbeit persönlich kenne. Bei Hertha sind doch alle froh, dass der Club schön zwischen Platz 10 und 15 landet, denn ganz vorne inner Tabelle müßtense sich so richtig anstrengen für den europäischen Wettbewerb ;-)

  6. 18.

    Diese negativen Begleiterscheinungen haben nichts mit dem Fussball zu tun, sondern eher mit der Ansammlung zehntausender Menschen unter Vorhandensein von massivem Bierausschank! Ist bei jedem "Volksfest" in und um Cottbus natürlich völlig anders, gelle.
    Übrigens gab es am Sonnabend im Stadion nur "kastriertes" Bier.

  7. 17.

    Zitat: "Hoffen wir, dass sich die Herren Fußballfans bald solidarisch mit Kindern zeigen und nicht mehr in Massen besoffen ins Stadion wanken sondern zuhause bleiben."

    Ihnen scheint bisher entgangen zu sein, dass im ø mittlerweile etwa 1/3 der Stadionbesucher weiblich sind. Das Bild von besoffenen Vollprolls, die jedes Wochenende in Massen die Innenstädte unsicher machen und das Sie offenbar immer noch von Fussballfans vor Augen haben, gehört seit zig Jahren der Vergangenheit an. Und was Stadionbesuche mit unsolidarischem Verhalten gegenüber Kindern zu tun haben soll, die dort übrigens auch sehr häufig anzutreffen sind, erklärt sich mir nicht, Bendte.

  8. 16.

    Ich sehe das anders. In der Realität ist es so, dass die/der Geldgeber sehr wohl sehr viel zu sagen haben.
    Herr Windhorst hat keine 375 Millionen zur Verfügung gestellt, um weiterhin eine deutschlandweit völlig uninteressante graue Maus zu bleiben. Und der damalige Cheftrainer Jürgen Klinsmann sprach auch mehrfach vom Big City Club,
    dazu Carsten Schmidt mit seinem Projekt Goldelse - sowie der geplanten größten Aufholjagd Europas - ja genau nicht nur Deutschlands. Im Klartext = Hertha viel Geld und ne große Fresse, und im Ergebniss ist man kein Stück vorwärts gekommen !

  9. 15.

    Hoffen wir, dass sich die Herren Fußballfans bald solidarisch mit Kindern zeigen und nicht mehr in Massen besoffen ins Stadion wanken sondern zuhause bleiben.

  10. 14.

    Ja, das scheint eine mögliche Erklärung für diesen Auskenner-Kommentar zu sein.
    Wobei es ja noch Atletico Madrid in eben Madrid gibt, die neben dem ebenfalls hochverschuldeten Real aus der selben Stadt kommen . . . ;)

  11. 13.

    Die Victoria fährt zuverlässig, die Hertha ist weiterhin ein Sanierungsfall mit ungewissen Ausgang.

  12. 12.

    Er meint wahrscheinlich Barcelona, wo Espanyol mehr so Mitläufer ist und der FC milliardenfach verschuldet. :-)

  13. 11.

    Von den Hertha-Verantwortlich hat NIE jemand von Big City Club geschwafelt. Das war WIndhorst, und der ist nach wie vor nicht bei Hertha angestellt. Glauben Sie nicht immer, was man bei Springer so schreibt.

  14. 10.

    Welche Großstädte meinen Sie - München, Hamburg, Köln? Oder meinen Sie London, wo die meisten Clubs irgendwelchen Geschäftsmännern oder Investoren mit z.T. zweifelhaftem Ruf gehören?

  15. 9.

    Nun hat Berlin statt eines Grossstadtklubs als zwei Hauptstadtklubs? Und dennoch sind andere Großstädte besser bestückt.

  16. 7.

    Na immerhin hat man bei Union gezeigt wie man mit relativ wenig Geld auskommt.
    Zum anderen, wer schwafelt denn immer vom Big City Club-total abgehoben und Größenwahnsinnig.
    Schon eher peinlich die Blau -Weißen.

  17. 6.

    Bitte nicht unsere Alte Försterei und die Fans vergessen. Das ist der passende Rahmen, in den Urs Fischer seine Wundermixtur tut. Ich denke unsere Unioner fühlen sich dort pudelwohl, auch eine Grundlage des Erfolges.

  18. 5.

    "Ich glaube, unser System, unsere Mannschaft funktioniert."

    Und wie erklärt er die 13 Punkte nach 12 Spielen? Ist der Kader so schlecht?

  19. 3.

    Dass aktuell Hertha wohlwollend noch nicht mitten im Avstiegskampf steckt, ist vor allem Fürth zu verdanken. Ansonsten sind es drei Punkte Differenz bis zur Relegation bzw. vier bis zum direkten Abstiegsplatz.

  20. 1.

    Wenn Union nach der Wende genau so finanziell hofiert worden wäre wie Hertha, wäre Hertha heute nur noch aus den Geschichtsbüchern bekannt! Union war und ist ein Verein der normalen Leute. Das war zu DDR-Zeiten so und das ist heute auch so!

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