Berliner Kirchen als Sportstätten - Rumtoben im Gotteshaus
Viele Kirchen bleiben vormittags ungenutzt, gleichzeitig fehlen in Berlin Sportstätten. Um die Gotteshäuser zu füllen, wird in einem Projekt gerade ausgelotet, wie sich Kinder- und Jugendsport dort realisieren lässt. Von Friedrich Rößler
Ungewohnte Szenen spielen sich da auf dem heiligen Boden der Paul-Gerhardt-Kirche in Berlin Pankow ab. Unweit der Kreuzung Wisbyer Straße/Schönhauser Allee ruft sonst die Kirchturmglocke die Gemeinde zum Gebet, doch was an diesem Tag unter dem Kirchendach passiert, hat weniger mit Beten, sondern eher mit Bewegung zu tun.
Sechs Menschen balancieren auf ihren nach oben gestreckten Armen mit ihren Händen einen großen Gummiball vom Altar über die Gebetsbänke hinweg Richtung Ausgang. Plötzlich wird ein bunt gestreiftes Tuch gespannt, das den gesamten Sitzbereich bedeckt und erneut fliegt ein großer Ball durch die Luft.
Mangel an Sportstätten entgegenwirken
Als das Licht weniger wird und neonbunte Leuchtstäbe den Gummiball ersetzt haben, stellt sich dann doch eine besinnliche und weihnachtliche Stimmung ein. Sport und Gott sei Dank nennt das der Geschäftsführer vom Kinder- und Inklusionsverein Pfeffersport Jörg Zwirn. "Wir haben Inklusion als eines unserer Hauptthemen und das ist ja ein urchristlicher Gedanke, dass alle teilhaben können an einem Sport- und Bewegungsangebot."
Der Berliner Verein Pfeffersport und die Gemeinde der Paul-Gerhardt-Kirche in Berlin Pankow haben sich zusammengetan, um dem Mangel an Sportstätten in der Bundeshauptstadt entgegenzuwirken. Anfang 2018 fehlten laut Berliner Senat mehr als 300 Sportstätten in der Spreemetropole. Passiert ist wenig. Da kommt die Idee mit den ungenutzten Gotteshäusern genau richtig.
Andere in die Kirchen mit hineinnehmen
"Statt immer die Kirchen nur dicht zu machen, nehmen wir einfach andere mit hinein und gucken, was wir zusammen gestalten können", sagt Tobias Kuske, der Pfarrer der Paul-Gerhardt-Kirche. Das bunte Treiben an diesem kalten Wintertag in der Vorweihnachtszeit dient allerdings einem ersten Belastungstest, denn so ein Gotteshaus ist ja nicht fürs Laufen oder Springen, geschweige denn für Ballsportarten konzipiert.
Mit Capoeira und Parcours der Kälte trotzen
Damit schon Anfang 2022 der Traum dieser kirchlich-sportlichen Gemeinschaft wahr werden kann, sollen die Gebetsbänke denkmalgerecht eingelagert werden und zusätzlich ein Sportboden verlegt werden. Auf diesem Untergrund soll dann auch in Zukunft gebetet werden und zwar stehend. Vormittag steht die Kirche oft leer, dann möchte der Verein Pfeffersport für Groß und Klein Sportangebote machen.
"Wir wissen noch nicht, wie es mit der Temperatur in diesem Raum sein wird, daher werden wir mit bewegungsintensiven Sportarten Anfang nächsten Jahres starten", blickt Pfeffersport-Geschäftsführer Zwirn voraus. Er denke da an die Hindernislaufsportart Parcours oder die Kampfsportart Capoeira.
Anderen Mut machen
"Auch in der Evangelischen Kirche in Deutschland könnte es sein, dass dieses Projekt Mut macht", sagt Pfarrer Kuske. In Berlin stehen fast 300 evangelische Kirchen. Wenn viele von denen nur teilweise genutzt werden und das Projekt aus Pankow erfolgreich angenommen wird, könnte die Evangelische Gemeinde der Bundeshauptstadt mit ihren Immobilien die Sportstättenknappheit an der Spree verkleinern.
Beim Pfeffersportverein glauben alle Beteiligten fest daran, dass ihr Plan aufgeht. Und manchmal kann der Glaube ja Berge versetzen, wobei es in diesem Fall ja eher um große rote Gummibälle geht.
Sendung: rbb24, 19.12.2021, 21:45 Uhr