Analyse | 3:2 im Berliner Derby - Wie Union Hertha aus dem Pokal schießen konnte

Do 20.01.22 | 09:16 Uhr | Von Till Oppermann, rbb Sport
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Fußball: DFB-Pokal, Hertha BSC - 1. FC Union Berlin, Achtelfinale, Olympiastadion. Unions Spieler bejubeln das 0:2, 2.v.l. Union Berlins Bastian Oczipka, 2.v.r. Union Berlins Max Kruse (Quelle: dpa / Sören Stache).
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Audio: Inforadio | 20.01.22 | Guido Ringel | Bild: dpa Download (mp3, 3 MB)

Union feiert den Einzug ins Viertelfinale des DFB-Pokals. Das Pokalderby zeigte, warum die Eisernen aktuell Berlins beste Fußballmannschaft sind. Hertha dagegen: planlos und fehleranfällig. Es geht nun, mal wieder, nur noch um den Klassenerhalt. Von Till Oppermann

Die Nachspielzeit lief schon, da wurde ein Unterschied zwischen Union und Hertha in diesem Pokalderby nochmal besonders deutlich. Herthas Routinier Kevin-Prince Boateng ließ sich immer wieder in die eigene Hälfte fallen, um lange Pässe in die Spitze zu schlagen. Vor ihm hatten schon seine Mittelfeldkollegen Santiago Ascacibar, Vladimir Darida und Lucas Tousart versucht, das Spiel zwischen den Innenverteidigern aufzubauen. Erfolg hatte keiner von ihnen, es wirkte zufällig.

Ganz anders machte es der Union-Neuzugang Dominique Heintz: Auch er passte den Ball aus der eigenen Hälfte weit nach vorne. Gleich zweimal folgte darauf ein Tor – und immer sahen diese Pässe geplant aus.

Union gewinnt verdient

Die Herthaner spielten oft zu hektisch, die Unioner bewahrten stets die Ruhe. Der Eindruck war: Während sich Herthas Plan mehrmals änderte und er den Spielern nie ganz klar erschien, wussten bei Union alle zu jeder Zeit, was ihre Aufgabe ist. Unions 3:2-Sieg sei deshalb verdient, da zeigten sich beide Trainer einig. Während Tayfun Korkuts "Enttäuschung riesig" war, lobte Urs Fischer "Willen und Mentalität" seiner Mannschaft.

Dabei war es doch der BSC-Coach Korkut gewesen, der mit seiner Aussage, Derbys seien dazu da, um sie zu gewinnen, Anfang der Woche seine Bewerbung für den Fußballspruch des Jahres abgegeben hatte. Sein Chef Fredi Bobic hatte es noch eine Spur martialischer parat: Der Fußballmanager verlangte von den spielenden Angestellten, diese müssten "Messer zwischen den Zähnen" haben.

Welches von beiden Teams dieses Derby entschlossener gewinnen wollte, sahen die 3.000 zugelassenen Fans dann gleich in den ersten Minuten: Union profitierte von Herthas Passivität. "Gerade in der Anfangsphase waren wir überhaupt nicht im Spiel", erinnerte sich Korkut. Stimmt. Schon in den ersten 60 Sekunden gelangen den Eisernen drei Torschüsse. Der Trainer der Gastgeber im frostigen Olympiastadion musste bis zur 29. Spielminute warten, bis er nach einem geblockten Versuch des Rechtsverteidigers Lukas Klünter den ersten Abschluss seiner Mannschaft notieren durfte.

Max Kruse (Foto: imago images / Matthias Koch)
"Ich glaube, da hat er selber nicht mit gerechnet", sagte der grinsende Max Kruse später über das gekonnte Tor seines Kollegen Andreas Voglsammer. | Bild: imago images / Matthias Koc

Hertha verschläft die Anfangsphase

In der elften Minute schickte der Verteidiger Dominique Heintz Max Kruse mit einem seiner gut getimten Pässe auf die Reise. Kollege Kruse enteilte Klünter und schlug eine außergewöhnlich gute Flanke auf den Stürmer Andreas Voglsammer. Der streckte sich lang und schoss den Ball artistisch ins Tor. Union führte. Spätestens da muss Bobic klar geworden sein, dass Hertha die Messer in der Kabine gelassen hatte.

Klar, man kann Voglsammers Kunstschuss durchaus aus der Perspektive der Köpenicker beschreiben. Der Schütze tat sich hinterher im ARD-Interview schwer, sich an ein schöneres Tor in seiner Laufbahn zu erinnern. Vorbereiter Kruse hob als nicht ganz unbeteiligter Augenzeuge die gekonnte Entstehung hervor: "Ich glaube, wir haben uns gut bewegt, gut hinter die Kette gespielt", berichtete er.

Aber schaut man sich das Abwehrverhalten der Herthaner an, relativiert sich Unions Brillanz etwas. Zuerst hatte Herthas Marco Richter seinem Gegenspieler Heintz vor dessen Pass meterweise Platz gelassen. Dann stand der Verteidiger Klünter drei Meter zu weit vor Kruse - und dieser konnte ihm wegen seines Stellungsfehlers davonlaufen. Der besiegte Mittelfeldspieler Maxi Mittelstädt entschuldigte sich später: "Wir sind alles andere als gut in die Begegnung gekommen, Union hat uns früh unter Druck gesetzt und getroffen", erzählte er ins Mikrofon. Man habe in den ersten 20 Minuten nicht umgesetzt, was man sich vorgenommen hatte.

Der Plan war falsch

Stellt sich die Frage, ob sich Hertha das Richtige vorgenommen hatte. Tayfun Korkut setzte in seinem gewohnten 4-4-2 am Mittwoch auf eine Mittelfeldraute mit Suat Serdar und Lucas Tousart auf den Halbpositionen. Sie sollten das Feld eng halten und sich in den Räumen zwischen Unions Pressinglinien bewegen. Breite ins Spiel brachten nur die Stürmer Ishak Belfodil und Marco Richter, die sich gelegentlich auf den Seiten für Linienpässe anboten. Unions kompakter Zentrale kam das entgegen. Sobald Herthas Verteidiger versuchten, den Ball auf Serdar oder Tousart zu spielen, schnappte die Pressingfalle zu.

Erst in der letzten Viertelstunde der ersten Halbzeit sei man auf das nötige Niveau gekommen, bilanzierte Korkut. Das gelang auch wegen einer Umstellung. Indem sich Ascacibar bei Ballbesitz zwischen den Innenverteidigern postierte und eine Dreierkette bildete, konnten Mittelstädt und Klünter deutlich offensiver spielen. Gerade Klünters Läufe auf der rechten Seite brachten gegen Ende des ersten Durchgangs wenigstens etwas Dynamik ins Spiel. Nun boten sich beispielsweise Serdar konstant Passwege nach außen, die er gerne nutzte.

Tayfun Korkut (imago images / Matthias Koch)
Keine "Messer zwischen den Zähnen", stattdessen fatale Abwehrfehler: Herthas Coach Tayfun Korkut sah nicht, dass es gut war. | Bild: imago images / Matthias Koc

"Ich habe geschlafen, das tut mir leid"

Diesen Schwung wollte Hertha mitnehmen. Eigentlich. "In der Halbzeit haben wir gesagt, dass die nächsten 15 Minuten sehr wichtig werden", erinnerte sich der Verteidiger Boyata. Tatsächlich hätte Vladimir Darida schon in der 47. Minute den Ausgleich schießen müssen – aber es kam anders. Kurz danach schlug Heintz wieder einen langen Pass auf Kruse, der leitete das 2:0 für Union ein. Dabei gewann er ein Kopfballduell gegen den acht Zentimeter größeren Boyata. Dieser kam hinterher zu dem Schluss: "Ich habe geschlafen, das tut mir leid."

Umso bitterer, wenn man bedenkt, dass nicht nur die Herthaner in diesen Minuten die Konzentration verloren, wie der Union-Trainer Urs Fischer monierte. Das 2:0 kurz nach der Pause habe seiner Mannschaft sicherlich geholfen, "aber das musst du dann länger über die Zeit bringen."

Zwar kann man Hertha BSC mentale Aussetzer und spielerische Schwächen vorwerfen, aber gekämpft hat Korkuts Team, wie der Anschlusstreffer in der 54. Spielminute bewies. Doch auch das erzwungene Eigentor von Rani Khedira genügte nicht, um Hertha auf Augenhöhe mit den Eisernen zu hieven.

Nur eine Minute später vergaß Suat Serdar Robin Knoche nach einem Freistoß aus dem Halbfeld. Unions Innenverteidiger nutzte das, um den alten Zwei-Tore-Abstand wieder herzustellen. "Das dritte Tor darf so nicht fallen", schimpfte Korkut und auch Boyata legte den Finger in die Wunde: Man habe einen dummen Fehler gemacht.

Traum vom Europacup vs. Blick nach unten

Bis zum Schlusspfiff versuchte es Hertha aus allen Lagen, aber das zweite Tor wollte erst mit Ende der Nachspielzeit fallen. Die bessere Fußballmannschaft hat zur Zeit der 1. FC Union – das zeigte das Pokalderby deutlich. So blieb den Gastgebern am Ende nur die Enttäuschung, während die Gäste aus dem Berliner Südosten eine Party feierten, wie Max Kruse verriet. Aber nur bis nach dem Duschen, schließlich stehe am Wochenende ein richtungsweisendes Spiel gegen Gladbach an, beteuerte Kruse.

Die Eisernen befinden sich in der Liga im Kampf um den Europacup. Im DFB-Pokal-Viertelfinale treffen sie nun am 1. oder 2.März auf Freiburg, Hannover, Leipzig, Bochum, Karlsruhe, den HSV oder St. Pauli. Rund ums Olympiastadion hingegen macht sich Resignation breit. Mit dem Finale zuhause wird es wieder mal nichts. "Ich kann den Frust der Fans verstehen“, sagte Herthas Sportdirektor Arne Friedrich.

 

Sendung: Inforadio, 20.01.2022, 6 Uhr

Beitrag von Till Oppermann, rbb Sport

40 Kommentare

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  1. 40.

    Wenn die in Dortmund in ihrer Signal-Iduna-Papierschachtel ein internationales Spiel austragen wollen, hat ihr Stadion mehr als 8000 Plätze weniger als das Olympiastadion. Und so lange das Olympiastadion eine blaue Laufbahn hat, braucht Hertha es auch nicht zu besitzen. Wenn Sie hier unbedingt auf Hertha einprügeln wollen, dann sollten Sie vielleicht auch ein paar Pfeile im Köcher haben.

  2. 39.

    Sicher, Axel! Ihre Leistungen sind natürlich viel höher zu bewerten als die von uns faulen Wessis, Sie waren ja in der DDR so auf sich gestellt, hatte keine sicheren Jobs und der Leistungsdruck war enorm. Uns im Westen hat man es dagegen vorne und hinten reingeschoben, niemand musste sich anstrengen und das Portemonnaie wurde von allein immer dicker. Und natürlich waren die Kicker im Osten allen Widrigkeiten trotzende Helden, die im Westen nur verwöhnte Weicheier. Sonst geht es Ihnen aber gut, oder?

  3. 38.

    RIIIISCHDDDISCH ,siehe auch Text Union Hymne !!!! mal reinhören ..........

  4. 37.

    Das hatten andere deutsche Traditionsverein auch... und wo sind sie geblieben? Irgendwo im Nirwana! Ich kann doch nicht immer nur auf tradition abstellen, wenn die letzten Jahre nur noch im grauen mittelfeld gespielt wurde. Alle die aufgezählten Erfolge liegen gute 50 Jahre zurück.
    Übrigens das größte Stadion in Deutschland steht in Dortmund (zuschauerzahl) und hertha hat kein Stadion. Sie sind nur Mieter.

  5. 36.

    Na und? Auch in meiner Heimat wurde gearbeitet. Es gab auch Menschen, welche was leisteten. Ob mit oder ohne Staat. Und diese Leistungen sind viel höher zu bewerten als alles was in Westdeutschland passierte. Denn die das Leben musste mit geringen Ressourcen und Finanzen aufrechterhalten werden. Davon hat sich Union nicht beeindrucken lassen. Die haben ihr Ding gemacht und Fußball gespielt. Auch ohne den Status einer Frontstadtmannschaft.

  6. 35.

    Diese Aufzählung kann natürlich nicht kompetativer Vergleiche aufzeigen. Ist ja logisch. Diente eher dazu, aufzuzeigen, dass Fußball und der persönliche Bezug zu einem Verein mehr ausmacht, als eine Punktzahl und der Tabellenstand. Vorausgesetzt man ist älter als acht Jahre, Kinder sind ja gerne Erfolgsfans.
    Tradiertes spielt im Fußball eine große Rolle. Legendäre Geschichten sind identitätsstiftend. Das ist im Kontext mit Ereignissen, aber auch Orten zusehen.
    Das hat nichts mit Arroganz zu tun.
    Warum lehnen Sie sich nicht zurück und genießen einfach den Augenblick? Nichts Schönes ist von langer Dauer. Gerade im Fußball!! Also immer schön entspannt bleiben...

  7. 34.

    2 echte Meisterschaften? Wenn Sie meinen dass Union "nur" DDR-Meister war, ist das korrekt. Allerdings wurde die jetzige Bundesliga auch erst 1962 gegründet. Nicht mal Meister einer einheitlichen obersten Spielklasse sind sie. Die wurde erst 1933 gegründet. Wann war Hertha Meister? Achja 29/30 & 30/31, als Teilnehmer einer regionalen Oberliga mit einem Finale , klingt jetzt auch nicht wirklich echt. Also nicht so Herthatypisch arrogant sein und akzeptieren, dass Union im Augenblick besser ist.

  8. 32.

    Aufgrund der Geschichte Deutschlands, ist nur der Zeitpunkt zu bewerten, seitdem beide Vereine gemeinsam in der 1. Bundesliga spielen.
    Und seit Aufstieg des 1. FC Union Berlin haben die Rot-Weißen-Berliner 24 Punkte mehr geholt als die Blau-Weißen-Charlottenburger !
    Ergo der 1. FC Union ist seit 2 Jahren konstant vor Hertha. Vor allem wenn man bedenkt, dass der vermögende Verein ja aus Charlottenburg kommt - ist das am aussagekräftigsten.

    Was 1930 war sowie zwischen 1961-1989 + direkter Nachwendezeit ist aus Fairnessgründen völlig irrsinng heranzuziehen.

  9. 31.

    Ach so? Union ist eine Gründung der DDR, dort war nichts zufällig, sondern gesteuert. So konnte Union gar nicht in politische Stürme geraten, das ist reine Legendenbildung. Natürlich wurde Mielkes Stasiverein bevorzugt, aber deswegen ist Union noch lange kein Heldenklub. Da Ihre Weltsicht auch ziemlich eingeengt ist, brauchen Sie das anderen nicht vorzuwerfen.

  10. 30.

    Was wissen Sie denn über den Grad an Toleranz und Weltoffenheit bei Union? Was über die Atmosphäre? Die Kompetenz, das zu beurteilen, spreche ich Ihnen ab.

  11. 29.

    Wie der Name schon sagt: Viel Bliblablubb. In Westdeutschland verortet zu sein, ist nun keine persönliche Leistung, die man in die Waagschale legen kann. Über den Spruch, Union müsse mal eine Krise haben, kann ich nur herzlich lachen. Ob es Hertha noch geben würde, wenn sie durch die vielen politischen Stürme hätten manövrieren müssen, wie Union? Großes Fragezeichen. Naive Weltsicht, die Du da hast.

  12. 27.

    Tatsächlich kommen wir nicht immer bei allen Kommentaren sofort hinterher, aber wir bemühen uns.

  13. 26.

    Dann hätte Union die tollen Fans nicht mehr. Lieber BSR als solche Hasardeure.

  14. 24.

    Kohls Wirtschafts-Wunderkind ... investiert bei Union ... komische Vorstellung. Die Karrierekurve passt eher zu Hertha.

  15. 23.

    Lieber RBB;
    Kann es sein, dass ihr in allen Belangen der Kommentarfunktion absolut überfordert seid???
    Nach Stunden einer Nachricht und Antwort macht das alles wenig Sinn.
    Dies bei fast allen Kommentaren!

  16. 22.

    Wenn bei Ihnen noch Interesse besteht, mein Opa hat noch ein paar Trikots im Keller!
    Kein Scherz, Volkmar Groß, Lorenz Horr, Uwe Kliemann usw.
    Einfach melden.
    Tausche aber nicht gegen Trikots der letzten 20 Jahre!

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