Teamcheck | Turbine Potsdam - Auch ohne Ziel auf gutem Weg

Do 27.01.22 | 20:46 Uhr | Von Shea Westhoff
Sophie Weidauer (Potsdam, 14) Selina Cerci (Potsdam, 29) Gina Maria Chmielinski (Potsdam, 18) mit Torjubel. (Bild: picture alliance / foto2press | Sven Leifer)
Bild: picture alliance / foto2press | Sven Leifer

Im Windschatten der großen Klubs hat sich Turbine Potsdam in der Spitzengruppe der Frauenfußball-Bundesliga etabliert. Hohe Ziele will man sich trotzdem nicht stecken. Zum Auftakt der Rückrunde wartet gleich eine komplizierte Aufgabe.

So lief die Hinrunde

Die beiden Dämpfer des Frauenfußball-Bundesligisten Turbine Potsdam zu Saisonbeginn waren nicht mehr als eine Momentaufnahme: Beim VfL Wolfsburg setzte es eine 0:3-Niederlage, zwei Wochen später verloren die Potsdamerinnen bei Bayer Leverkusen mit 0:2. Dann fingen sie sich rasch. Seit mehr als vier Monaten ist Turbine ungeschlagen und rangiert in Lauerstellung auf dem fünften Tabellenplatz.

Trainer Sofian Chahed gefällt insbesondere die Mentalität der Spielerinnen. Es sei der "Geist der Mannschaft, dass sie jedes Spiel gewinnen will", sagt er im Gespräch mit rbb|24. Tatsächlich drehte das Team um Kapitänin Sara Agrez die Rückstände gegen SC Freiburg, 1. FC Köln und SGS Essen jeweils noch und ging als Sieger vom Platz. Gegen die beiden Topteams FC Bayern und TSG Hoffenheim erkämpfte sich Potsdam immerhin je einen Punkt.

Als überragende Offensivspielerin glänzte dabei immer wieder Selina Cerci, die in der laufenden Saison nochmals einen Leistungssprung hinlegte. Mit acht Treffern ist die 21-jährige Angreiferin zweiterfolgreichste Torschützin der Liga, hinzu kommen drei Vorlagen. Cerci, jemand fürs Nationalteam? "Ja. Klipp und klar, kurze Antwort", sagt zumindest ihr Klubtrainer Chahed. Aber natürlich verweist er auf den Zuständigkeitsbereich von Martina Voss-Tecklenburg: "Letztendlich muss die Bundestrainerin ihren Kader allein bestimmen."

Wer kommt, wer geht?

Getrennte Wege gehen von nun an Turbine und Verteidigerin Lara Schmidt, die in die Schweiz zum FC Basel wechselt. Die 21-Jährige, die zur Saison 2019/2020 aus Jena nach Potsdam wechselte, kam bei Turbine aufgrund zahlreicher Verletzungen nur selten zum Zug. In der laufenden Saison kam Schmidt nur zu drei Spielen über die volle Länge in der zweiten Mannschaft. "Sie hat sich mehr Spielzeit gewünscht, das können wir ihr momentan nicht geben", sagt Chahed. Auf ihrer präferierten Position, der Innenverteidigung, sei derzeit kein Platz. "Deswegen haben wir ihrem Wunsch entsprochen und haben dem Wechsel zugestimmt."

Mittefeldspielerin Marie Höbinger wechselt ebenfalls in die Schweiz, allerdings nur leihweise. Sie soll ein halbes Jahr lang Spielpraxis beim FC Zürich sammeln, dem Tabellenführer der Super League Women.

Neu verpflichtet hat Turbine unlängst die nigerianische Nationalspielern Onyinyechi Zogg, die 24-Jährige Abwehrspielerin kam vom ASJ Soyaux aus Frankreich. Darüberhinaus soll in Kürze eine weitere Abwehrspielerin aus Israel zum Team hinzustoßen, sagt Chahed, ohne jedoch den Namen verraten zu wollen.

Der Trainer

Seitdem der 38-jährige Sofian Chahed im Sommer 2020 den Trainerposten als Nachfolger von Matthias Rudolph übernahm, hat er Turbine Potsdam in der erweiterten Spitze der Bundesliga etabliert. Die vorzeitige Vertragsverlängerung bis 2025 war folgerichtig. "Ich hatte ein gutes Gefühl und habe auch gemerkt, dass der Verein sich bemüht hat, mich zu halten, deswegen war die Entscheidung auch einfach", sagt der ehemalige tunesische Nationalspieler.

"Ich habe mich entschieden für die Verlängerung, weil ich auch dem Verein Kontinuität und Sicherheit zurückgeben möchte. Und dann habe ich auch Planungssicherheit und kann im Sommer den Kader planen."

In den nächsten Jahren will Chahed gemeinsam mit der sportlichen Leitung Talente entwickeln - auch weil die Finanzkraft langfristig wohl nicht ausreichen wird, um mit Spitzenvereinen wie VfL Wolfsburg und dem FC Bayern mithalten zu können. "Insofern müssen wir darauf setzen, junge, talentierte, hungrige Spielerinnen, die sich selber noch entwickeln wollen, nach Potsdam zu holen, um sie weiterzubringen", sagt er.

Erwartungen an die Rückrunde

Auch in der Rückrunde muss das Team die verletzungebedingten Ausfälle von Karolin Smidt-Nielsen (Kreuzbandriss) und Lena Uebach (Knorpelschaden im Knie) verkraften. Angreiferin Smidt-Nielsen wird wohl erst im Sommer wieder auf den Platz zurückkehren, bei der ehemaligen Junioren-Nationalspielerin Uebach hofft Chahed auf eine Rückkehr im Frühling. Wieder an Bord ist hingegen Viktoria Schwalm. Nach ihrer langwierigen Knieverletzung soll sie das Offensivspiel weiter beflügeln.

Am kommenden Samstag (14 Uhr) wartet mit dem Nachholspiel gegen den VfL Wolfsburg gleich eine schwere Aufgabe auf die Potsdamerinnen zum Rückrundenstart. Gleichzeitig ist es die Chance auf Revanche fürs verdiente 0:3 aus dem Hinspiel.

Eine Niederlage gegen Wolfsburg, und Potsdam müsste sich voraussichtlich verabschieden aus der Spitzengruppe um den FC Bayern München, TSG Hoffenheim, Eintracht Frankfurt und eben VfL Wolfsburg. Ein Sieg allerdings würde das Team auf vier Punkte an Spitzenreiter Bayern heranbringen. Somit ein wegweisendes Spiel?

"Wir haben uns kein konkretes Saisonziel gesetzt", versucht Chahed zu relativieren. "Wenn wir das Spiel am Wochenende unglücklich verlieren sollten, dann ist es trotzdem eine gute Leistung." So eine Partie sei dann auch nicht richtungsweisend, "sondern da kommen auch noch andere Spiele."

Vorgenommen habe sich die Mannschaft, "einfach besser zu sein als im letzten Jahr, dass wir mehr Punkte haben, mehr Tore schießen und weniger Gegentore bekommen", sagt Chahed. Wichtig sei ihm, die guten Leistungen, die die Spielerinnen in der Vorbereitung "jeden Tag erbringen", in der Rückrunde auf den Platz zu bringen. Und wenn am Ende doch Platz drei - ein Champions-League-Rang - herausspringe, "dann ist es für alle schön und erstrebenswert."

Sendung: Inforadio, 27.01.2022, 16:15 Uhr

Beitrag von Shea Westhoff

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