Vom Asphalt auf das Eis - Wie aus dem Inlineskater Felix Rijhnen ein olympischer Eisschnellläufer wurde

So 30.01.22 | 17:47 Uhr | Von Jakob Lobach
Der Eisschnellläufer Felix Rijhnen während der Europameisterschaften im Dezember 2021 (IMAGO/Soenar Chamid)
Bild: IMAGO/Soenar Chamid

Als Inlineskater hat Felix Rijhnen 2019 den Berlin Marathon und zwei WM-Titel gewonnen. Um sich seinen Traum von einer Olympia-Teilnahme zu erfüllen, musste er trotzdem die Sportart wechseln und zum Eisschnelläufer umschulen. Von Jakob Lobach

"Vom Asphalt auf das Eis" – was im ersten Moment nach dem Titel eines mittelmäßigen Kriminalromans oder einer Parodie des Disneyfilms Frozen klingt, beschreibt tatsächlich eine Sportgeschichte. Fügt man den Untertitel "Ein Wechsel von der Rolle auf die Kufe" hinzu, lässt sich zumindest erahnen, dass es in dieser um Eisschnelllauf geht. Im Fokus: der außergewöhnliche Werdegang des sportlichen Multitalents Felix Rijhnen.

Überraschend hat der 31-jährige Eisschnellläufer sich im Dezember für die in wenigen Tagen startenden Olympischen Winterspiele in Peking qualifiziert. Überraschend deswegen, weil Rijhnen eigentlich professioneller Inlineskater ist. 2019 gewann er als solcher das Rennen der Skater beim Berlin Marathon, erst vor gut einem Jahr wechselte er auf das Eis und die Kufen. Ein Quereinstieg, der einerseits mit einigen Herausforderungen verbunden war, Rijhnen andererseits aber die Erfüllung eines Kindheitstraums ermöglicht.

Erfolge auf der Straße

Die Erfolge, die Felix Rijhnen in seiner Karriere als Skater auf dem Asphalt gefeiert hat, können sich sehen lassen: der besagte Erfolg beim Berlin Marathon, je zwei Goldmedaillen bei Welt- und Europameisterschaften sowie zahlreiche weitere nationale und internationale Titel. "Auf Rollen habe ich lange Jahre bewiesen, dass ich absolut vorne in der Weltspitze mitmische", fasst Rijhnen selbst treffend zusammen, ehe er ergänzt: "Aber das heißt nicht zwangsläufig, dass das auf dem Eis auch so funktioniert."

Und das, obwohl Rijhnen schon als Kind erste Erfahrungen im Eiskunstlauf gesammelt hat. Als Junior fuhr der 1990 in Darmstadt geborene Hesse zunächst auf Kufen, ehe er sich für lange Jahre dann doch den Rennen auf Rollen und dem Asphalt verschrieb. Allerdings ohne jemals komplett mit seiner alten Sportart zu brechen. Statt Schlittschuhe, Kufen und Schleifzeug zu entsorgen, verfrachtete Rijhnen sie lediglich in den heimischen Keller. "Ich habe nie ganz mit dem Thema Eisschnelllauf abgeschlossen", erzählt er heute.

Technischer Neustart für das Schweben übers Eis

Auch, weil die Sportart für Rijhnen mit einem Kindheitstraum verbunden war und ist: den Olympischen Spielen. Während Inlineskaten im Programm der Sommerspiele nicht zu finden ist, ist Eisschnelllauf eine der Paradedisziplinen bei den Winterspielen. "Also musste ich halt die Sportart wechseln", sagt Rijhnen. Die Lässigkeit, mit der er diesen Satz ausspricht, passt dabei nur bedingt zu der Schwierigkeit, die so ein Wechsel in eine neue Sportart mit sich bringt. Obgleich das Skaten auf dem Asphalt und das auf dem Eis optisch sehr ähnlich scheinen, ist es das in der Realität kaum: "Es sind zwei komplett unterschiedliche Sportarten", sagt Rijhnen, "was die Technik angeht, musste ich komplett von vorne anfangen."

Bedingt wird das allein schon durch die unterschiedlichen Widerstände, Traktion und sonstigen Beschaffenheiten der Untergründe, auf denen gefahren wird. Der Kontrast von Eis zu Asphalt könnte größer kaum sein. Hinzukommt das Schuhwerk: An die nur etwas mehr als einen Millimeter breiten Kufen habe er sich erst mühsam gewöhnen müssen, erklärt Rijhnen. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass dieser auf den scharfkantigen 1,2 Millimeter Kufe mit bis zu 60 Stundenkilometern Geschwindigkeit über das Eis und durch die Kurven rauscht.

Ein hinten angestelltes Ego

"Wenn man Balance und Timing hat, ist es ein super Gefühl quasi mühelos über das Eis zu gleiten", schwärmt Rijhnen. Der Weg hin zu diesem Gefühl und dem mühelosen Gleiten sei aber auch für ihn hart und mit viel Kampf und anfänglichem Krampf verbunden gewesen. Zugutegekommen ist ihm seine nach Jahren des Saktens beeindruckende Physis und die Tatsache, dass die Bewegungen beim Skaten auf Asphalt denen beim Eisschnelllauf immerhin ähnlich sind.

Weil seine eigentliche Trainingsbahn in Hohenschönhausen aktuell renoviert wird, holte Rijhnen sich zuletzt im Trainingslager in Inzell den letzten Feinschliff, ehe er am Wochenende die Reise nach Peking antrat. Im Laufe der Spiele wird er dort im Rennen über 5.000 Meter sowie im Massenstart antreten. Obwohl er in letzterem sogar Außenseiterchancen auf eine Medaille hat, will der Quereinsteiger seine Erwartungen mit Blick auf die Ergebnisse in Peking nicht zu hoch setzen. Sein Ego habe er mit dem Wechsel auf das Eis komplett hintenangestellt, sagt Rijhnen und ergänzt: "Alles ist neu und spannend, sodass ich mich manchmal wieder wie ein Junior fühle."

Eine durchaus ungewohnte Situation für den sonst so erfolgsverwöhnten Inlineskater.

"Für mich gibt es kein entweder oder."

In Zukunft gänzlich auf die Rennen auf Asphalt zu verzichten, ist ohnehin keine Option für das sportliche Multitalent. "Für mich gibt es kein entweder oder", sagt Rijhnen, der auch im vergangenen Jahr sowohl auf Kufen als auch auf Inlineskates Rennen gefahren ist. Auf letzteren wird er übrigens schon im April beim Halbmarathon auch wieder durch Berlin rollen. Vorher steht aber mit den Olympischen Spielen erst einmal das vielleicht größte Highlight der außergewöhnlichen Sportlerlaufbahn des Felix Rijhnen auf dem Programm.

Sendung: rbb24, 25.01.2022, 21:45 Uhr

Beitrag von Jakob Lobach

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