Wander-Influencer Sebastian Schmelzer - "An nichts denken - das fällt beim Wandern sehr leicht"

Wandern wird in Zeiten von Corona immer beliebter – selbst im Winter. Der Berliner Sebastian Schmelzer ist innerhalb eines Jahres zu einem Wander-Influencer avanciert, obwohl er eigentlich nur seine Ruhe haben wollte. Von Fabian Friedmann
Immer allein. Das ist die einzige Regel von Sebastian Schmelzer, wenn es ums Wandern geht. Der 41-Jährige läuft durch Berlin und Brandenburg, macht dabei Bilder von seinen Touren und stellt sie auf Instagram. So weit so gewöhnlich. Doch innerhalb eines Jahres hat der gebürtige Pankower über 17.000 Follower für seine Touren begeistern können. "Ab einem gewissen Punkt war ich doch sehr überrascht über den Zuspruch", sagt Schmelzer, der mittlerweile in Lichtenberg lebt.
Los ging es im vergangenen Jahr während des zweiten Corona-Lockdowns. Schmelzer überlegte, wie er die Zeit überbrücken könne und da kam ihm die Idee des Laufens. Eigentlich, so sagt er selbst, wohne er zwar fast sein ganzes Leben in Berlin, aber er würde nicht behaupten, wirklich die ganze Stadt zu kennen. Seine Neugier ließ ihn loslaufen. Stundenlang. Über die Frankfurter Allee bis raus nach Hoppegarten, später erkundet er jede Ecke des Olympiaparks.
Loslaufen, Kopf aus und alles wird gut
Für Schmelzer müssen die Strecken auch nicht schön im eigentlichen Sinne sein. Er liebt das Urbane, etwa die Häuserschluchten in Marzahn oder Gropiusstadt – die "Wucht dieser Bauten", wie er erzählt. "Ich mag es, auf Asphalt zu laufen. Das macht mir nichts aus. Beim Mauerweg mochte ich das Gegensätzliche, die Plattenbauten auf der einen Seite und das Ackerland gegenüber. Das hat für mich gut funktioniert."
Eigentlich, so sagt er selbst, sei er ja nur spazierengegangen und habe dabei Fotos von Street Art, Natur und von ein paar sogenannten Lost Places gemacht. Aber der Zuspruch im sozialen Netzwerk wächst und auch die Anfragen von Fans, die mitlaufen wollen, werden mehr. Doch an diesem Punkt bleibt Schmelzer hart: "Bisher möchte ich allein sein. Nur dann kann ich an nichts denken. Das fällt beim Wandern sehr leicht. Es stellt sich nach einer gewissen Zeit ein." Genau darum wandert er: Loslaufen, Kopf aus und alles wird gut.
Alle 97 Berliner Ortsteile durchqueren
Irgendwann setzt er sich Ziele. Alle 97 Ortsteile Berlins möchte er durchqueren. Die Hälfte habe er schon beisammen, sagt er. Eine seiner Lieblingsrouten liegt gleich in "seiner Ecke" in Karlshorst: das Naturschutzgebiet Biesenhorster Sand. "Da gibt es eine alte Bahnstrecke, die zu einem ehemaligen russischen Flughafen führt", erklärt Schmelzer. Sand, Wiese und Bahngleise – alles renaturiert, eine Kombination aus Industriekultur und Natur, "aber wenn man abbiegt, ist man sofort wieder in der Stadt drinne".

Das Gegensätzliche sucht er auch in Brandenburg, wobei er sich hier auch längere Touren vornimmt und auch schon mal in Berlin startet, wenn er etwa den Paul-Gerhard-Weg läuft – von der Nikolaikirche bis nach Lübben im Spreewald. Manchmal übernachtet er dann in kleineren Pensionen, manchmal fährt er abends mit der Bahn zurück, schläft im heimischen Bett und kommt am nächsten Tag zurück und läuft weiter. Seine liebsten Routen in Brandenburg: der Rundwanderweg in der Schorfheide, der Panorama-Wanderweg Bad Belzig und die Märkische Schweiz mit seinen Naturschutzgebieten, Seen und dem malerischen Städtchen Buckow.
Tour zur nördlichsten Skisprungschanze Deutschlands
Sein Geheimtipp ist die Route von Falkenberg nach Bad Freienwalde. Vier Türme könne man auf dieser Wanderung besteigen, darunter auch die 38 Meter hohe Sprungschanze am Papengrund – die nördlichste Sprungschanze Deutschlands. Diese Tour sei allerdings eher im Sommer zu empfehlen, da die Türme im Winter zumeist geschlossen seien. Dann könne man auch ein gestempeltes "Turm-Diplom" erlangen.
Seine wichtigsten Utensilien sind die Stirnlampe und ein Handy samt GPS. Diese Dinge weisen ihm den Weg und die Funklöcher in Brandenburg seien gar nicht so groß, wie immer behauptet, meint Schmelzer. Verirrt habe er sich noch nie - allerdings habe er schon so manches Mal knietief in Moorwiesen gestanden.
Proviant nicht so wichtig
Der größte Fehler, den man als Wanderer machen kann? "Ahnungslos loslaufen", sagt Sebastian Schmelzer. Man sollte sich vorher immer einen Plan machen, die Strecke anschauen. Proviant sei dabei gar nicht so wichtig: "Ich nehme eigentlich nie essen mit, meistens gibt es auf der Strecke was zu finden." Seinen Rucksack bepackt er nur mit dem Nötigsten, nie zu schwer.
Und bei den Wanderschuhen? Da ist er nicht wählerisch, Hauptsache sie machen keine Blasen und sind für den Winter wasserfest. Viel wichtiger sei ohnehin, was drinsteckt, die Socken zum Beispiel und darin der Wanderer - auf der Suche nach der Ruhe im Kopf.
Sendung: rbb24, 14.01.2022, 18.10 Uhr