Interview | Ex-Trainer Eduard "Ede" Geyer - FIFA-Klub-Weltmeisterschaft "interessiert keine Sau"

Der ehemalige Trainer Eduard "Ede" Geyer ist bekannt für seine klare Sprache und harte Analysen. Im Interview erklärt er, warum man nicht gegen Union Berlin sein kann und teilt gegen die WM in Katar aus.
rbb|24: Am Wochenende steht das Finale der FIFA-Klub-Weltmeisterschaft an. Werden Sie es schauen?
Eduard Geyer: Ich weiß gar nicht, auf welchem Sender das kommt. Mich interessiert es auch nicht. Um ehrlich zu sein, es interessiert keine Sau. Sicher ist "Klub-Weltmeister" schon ein Titel. Wenn eine südamerikanische Mannschaft gegen eine europäische Mannschaft im Finale steht, ist das schon ein gewisser Höhepunkt. Aber insgesamt ist es nicht berauschend.
Welchen Fußball verfolgen Sie stattdessen?
Ich schaue vor allem die Partien der ostdeutschen Mannschaften aus der Bundesliga und der zweiten Liga, ich gehe zu den Heimspielen von Dynamo Dresden. Ich verfolge den gesamten Ostfußball, bis hinunter in die Regionalliga, also Energie Cottbus, Chemie Leipzig, Lok Leipzig und Carl Zeiss Jena. Das beobachte ich nach wie vor mit Interesse, ohne fanatisch zu sein.
1. FC Magdeburg ist einsamer Tabellenführer der Dritten Liga, Hansa Rostock und Dynamo Dresden haben im Vorjahr die Rückkehr in die Zweite Bundesliga geschafft, und in der Bundesliga sorgt Union Berlin für Furore. Könnte schlechter laufen für den Fußball im Osten.
Sie sind sehr optimistisch. Die Lage des Ostfußballs ist eigentlich katastrophal. Der internationale Fußball, von dem man in den Zeitungen liest, der ist vom Ostfußball so weit weg wie die Erde vom Mond. Sie brauchen bloß den Kicker aufzuschlagen: Da kommt zunächst die Bundesliga, dann kommt die Zweite Bundesliga, außerdem der internationale Sport, dann noch die Dritte Liga, und bei der Regionalliga wird es schon ganz dünn. So stellt es sich für den Fußball im Osten momentan dar. Klar: Union Berlin spielt eine gute Rolle.
Und RB Leipzig?
Man muss sagen, wie sie das bisher gemacht haben, ist das beispielhaft. Wenn der Verein weiter so klug arbeitet, kann er auf lange Sicht immer zu den ersten drei, vier Mannschaften der Bundesliga gehören.
Wie erklären Sie den gegenwärtigen Erfolg von Union Berlin?
Union Berlin ist die Mannschaft, die aus der ganzen Fußball-Szene ausbricht. Die muss man einfach gerne haben. Wer dagegen ist, hat keine Ahnung. Der Klub hat sich hochgekämpft. Es wird immer wieder gemäkelt, dass die Mannschaft zu viele lange Bällen spielt – alles Quatsch. Am Schluss musst du Spiele gewinnen, Union hat das hingekriegt. Und mittlerweile haben sie sich etabliert. Sie sind ein bisschen ein Aushängeschild. Für andere Mannschaften ist das vielleicht ein kleiner Fingerzeig, wie man es machen könnte.
Vergleichbar mit Energie Cottbus vor gut 20 Jahren, als die Mannschaft mit Ihnen als Trainer in die Bundesliga aufgestiegen ist und sich dort für drei Saisons hielt?
Das könnte man so sagen. Obwohl Union Berlin bessere Voraussetzungen hat. Die Zeiten haben sich schon verschoben, auch was die finanziellen Bedingungen angeht.
1997 erreichten Sie mit Energie Cottbus völlig überraschend das DFB-Pokal-Finale. Eine weitere Parallele zur aktuellen Situation der Unioner, die ins DFB-Pokal-Viertelfinale vorgestoßen sind?
Seit Jahrzehnten ist es ja eigentlich die Hertha, die um den Final-Einzug im eigenen Stadion kämpft und es noch nie geschafft hat. Nun kann es plötzlich Union Berlin schaffen. Das wäre für Hertha sicherlich fast eine Beleidigung. Ich wünsche es Union auf jeden Fall. Wenn man sich die Mannschaften anschaut, die noch dabei sind, dann haben sie eine reelle Chance, Pokalsieger zu werden.
Wie ist es um Ihre aktuelle Beziehung zu Energie Cottbus bestellt?
Klar verfolge ich Cottbus noch intensiver als die anderen Vereine der vierten Liga. Aber ich habe aktuell keine engere Beziehung zum Verein. Guten Kontakt habe ich vor allem zu Dieter Krein (Anm. d. Red.: Ehrenpräsident) und Klaus Stabach (Anm. d. Red.: ehemaliger Abwehrspieler und Manager bei Energie Cottbus), ab und zu telefoniere ich mit meinen ehemaligen Spielern. Aber zur aktuellen Mannschaft habe ich persönlich wenig Bezug.
Drücken Sie Energie denn die Daumen, dass sie den Tabellenführer BFC Dynamo noch einfängt?
Natürlich wäre Energie Cottbus mir lieber als BFC Dynamo. Ich würde es ihnen gönnen. Aber es wird kompliziert für Cottbus, gerade hinsichtlich des kleinen Kaders.
Vom Fußball im Osten noch mal zum großen Ganzen. Im November und Dezember findet die Weltmeisterschaft in Katar statt. Wie bewerten Sie das und wo steuert der Fußball gerade hin?
Es ist ein Kommerz ohnegleichen. Immer mehr wollen mit dem Fußball das große Geld verdienen. Nicht nur Spieler, auch ihre Berater und Trainerstäbe. Es wird immer unerträglicher. Und nun die WM in Katar. Das Finale wird am 18. Dezember stattfinden – sind wir bekloppt? Ich kann es nicht nachvollziehen. Wenn es so weit kommt, dass wir in einem Land ohne Fußballkultur- und -struktur, ohne Fankultur, dass wir dort eine WM austragen - wenn das nichts mit Geld zu tun hat, dann fress' ich 'nen Besen.
Glauben Sie, es führt dazu, dass sich Menschen vom Fußball abwenden?
Das wäre doch das schönste, was uns passieren könnte. Dass endlich mal die Fans nicht mehr ins Stadion gehen, sondern, dass sie wirklich die Schnauze voll haben. Es gibt ja auch genügend Bestrebungen aus der Fanszene. Ich denke, es muss sich etwas ändern - aber ob sich was ändert, solange man mit dem Fußball noch so viel Geld verdienen kann und ihn so vermarkten kann auf der ganzen Welt? Da wird es ganz schwer, eine andere Richtung einzuschlagen. Die einzige Möglichkeit, die ich sehe: Die Leute gehen nicht mehr zum Fußball.
Das Interview führte Shea Westhoff.
Sendung: Inforadio, 09.02.2022, 08:15 Uhr