Tabellenführer Regionalliga Nordost - Der BFC schwebt in Aufstiegsgefahr
In einer Regionalliga, die Corona-bedingt vor sich hinruckelt, schwebt der BFC Dynamo von Sieg zu Sieg. Der umstrittene DDR-Rekordmeister muss sich mit seinem Debüt in einer bundesdeutschen Liga befassen. Vorerst verwünscht man die Aufstiegsregel. Von Shea Westhoff
Für die Dritte Liga wäre es ein Grund zur Freude, wenn der BFC Dynamo aufsteigt - das glaubt zumindest Jörn Lenz, sportlicher Leiter beim Ostberliner Fußballklub. Ein weiterer Traditionsverein, das würde der Liga weitere attraktive Traditionsduelle bescheren. Und nicht zuletzt für den BFC selbst "wäre es eine Riesensache". Immerhin würde der DDR-Rekordmeister zum ersten Mal in seiner Klubgeschichte auf bundesdeutscher Ebene antreten.
BFC gleitet durch die Saison
So langsam wagt sich der Verein also aus der Deckung, was seine Aufstiegsambitionen angeht. Obwohl der Weg steinig ist: Hinter dem Tabellenführer lauern mit Lok Leipzig und dem Berliner AK hartnäckige Verfolger, dazu die stets ambitionierten Cottbuser von Claus-Dieter Wollitz. Und das womöglich größte Hindernis: die umstrittene zusätzliche Relegation um den endgültigen Aufstieg. Sie bringt den Klub regelrecht in Rage. Doch dazu später mehr.
Der Verein aus Hohenschönhausen kann sich spätestens nach der erneut souveränen Vorstellung zum Start in die Rückserie das Ziel stecken, Platz eins am Ende der Saison zu erreichen.
In einer Regionalliga-Spielzeit, die sich aufgrund zahlreicher Corona-Fälle und Spielverlegungen überaus mühselig ausnimmt, gleitet die Mannschaft von Trainer Christian Benbennek wie schwerelos durch den dicht getakteten Spielplan. Ist angekommen an der Tabellenspitze, erzielte dabei die meisten Tore, kassierte die wenigsten.
"Lustige, bekloppte Typen"
"Das Gute ist, gegen die vermeintlich kleineren Gegner, die unten in der Tabelle stehen, haben wir uns keine Blöße gegeben", versucht sich Jörn Lenz in einer Ursachenforschung. Doch es habe auch knifflige Phasen gegeben, sagt der 51-Jährige sportliche Leiter. Er erinnert an die maue Phase im Herbst, als der der Klub wegen zahlreicher Ausfälle zweitweise mit nur zwölf Spielern trainieren musste. Vier Ligaspiele hintereinander blieb man ohne Sieg, im Berlin-Pokal flog das Team gegen Sechstligist Reinickendorfer Füchse aus dem Turnier. "Aber die Jungs haben sich durchgebissen. Deshalb stehen wir vielleicht auch da oben. Natürlich auch mit etwas Glück", sagt Lenz. "Aber Glück hat der Tüchtige."
Ihm gefällt die aktuelle Besetzung der Mannschaft. "Sie ist zusammengewachsen, da sind lustige, bekloppte Typen dabei, alle mit einer guten Mentalität." Jeder wäre bereit, alles aus sich rauszuholen.
Christian Beck sticht hervor. Der 33-Jährige wechselte im vergangenen Sommer überraschend vom Drittligisten 1. FC Magdeburg zum BFC in die Regionalliga. Seitdem sorgt er dafür, dass sich auf den Fußballplätzen vom Vogtland bis ins Havelland die Tornetze wellen, ein Treffergarant. "Aber da gehören natürlich ringsrum noch die anderen dazu. Das ist ein Gesamtpaket", betont Lenz.
Das Schmuddel-Image
Nun wurde im Winter nachgelegt, für Regionalliga-Verhältnisse recht illuster. Für die linke Abwehrseite kam Sebastian Hertner, der zuletzt beim Drittligisten Türkgücü spielte. Außerdem sicherte sich der Regionalligist die Dienste des feinfüßigen Ex-Jenaers Theodor Bergmann, der im verletzungsgeplagten Mittelfeld schnell aushelfen soll. "Ich denke, das sind zwei Bausteine, die absolut passen", sagt Lenz.
Die Neuverpflichtungen wirken wie eine Untermauerung der Aufstiegsambitionen.
Hofft man mit dem Erfolg auch auf einen Aufstieg in der allgemeinen Beliebtheitsskala? Dem BFC haftet ein Schmuddel-Image an. Manch einer rümpft die Nase, wenn vom BFC die Rede ist. Den Verein umwittern zwielichtige Gestalten aus der rechten Szene. Zu DDR-Zeiten war es noch der Stasi-Verein, der Lieblingsklub von Erich Mielke, der persönlich dafür gesorgt haben soll, dass die größten DDR-Talente zum BFC wandern und dieser somit in den 80er Jahren zum Abomeister avancierte.
"Ich weiß, dass viele in Deutschland den BFC nicht so gerne viel weiter oben sehen", sagt Lenz, der selber in den 80er Jahren dort aktiv war und dem Klub seitdem, mit Unterbrechungen, verbunden ist. "Wenn ich höre, dass unsere Jugendspieler irgendwo hinfahren und dann wird da irgendeine Grütze gebrüllt mit "Stasi-Verein", da fasse ich mir an den Kopf", sagt er. Man müsse die Kirche auch mal im Dorf lassen. Außer ihm selbst hätten nur die wenigsten im Klub die DDR-Zeit aktiv miterlebt – und die, die noch etwas damit verbinden, seien mittlerweile ohnehin nicht mehr so flink auf den Beinen.
Relegation sei eine Farce
Auf dem Weg zurück ins Rampenlicht schaue das Team von Spiel zu Spiel, so der sportliche Leiter. Das ist in der Corona-geplagten Saison allerdings mehr als eine Fußball-Floskel.
Falls am Ende tatsächlich Platz eins herausspringt, wartet die größte große Hürde: die Relegation. In dieser Saison muss der Meister der Regionalliga Nordost gegen den Sieger der Regionalliga Nord antreten. Nur einer von beiden schafft den Sprung ins Profigeschäft. Denkt man daran? "Ja natürlich denkt man daran", sagt Lenz. "Aber ich denke jedes Jahr daran, und ich könnte jedes Jahr abkotzen, egal wen es betrifft." Ungerecht sei es, eine regelrechte Farce. "Daran kann ein ganzer Verein zugrunde gehen." Es gebe keine Planungssicherheit – wie handelt man nun die Verträge mit den Spielern aus? Einige kann man nur im Aufstiegsfall vom Bleiben überzeugen, ins Profigeschäft. Nur weiß man das im Relegationsfall erst sehr spät - oder herrscht am Ende doch weiter maue Regionalliga-Realität? Die Unsicherheit bringe Unruhe in einen Klub.
Probleme, mit denen man sich ab Mai womöglich befassen muss. Bis dahin gilt es, wie bisher gegen die vermeintlich kleinen Gegner die Punkte einzufahren. So, wie beim 3:0-Sieg am Freitagabend gegen Meuselwitz.
Sendung: Inforadio, 03.02.2022, 10:15 Uhr