Analyse | Neuer Trainer Felix Magath - Kann "Quälix" Hertha retten?

Herthas zweite Neubesetzung des Trainerpostens in dieser Saison war eine Überraschung. Felix Magath soll die Berliner vor dem Abstieg retten. Er steht für hartes Training und hält wenig von Taktik. Seine letzten Erfolge liegen lange zurück. Von Till Oppermann
Eines muss man Hertha-Geschäftsführer Fredi Bobic lassen: Während Mitteilungen über Neubesetzungen des Trainerpostens unter seinem Vorgänger Michael Preetz teilweise schneller den Weg in die Berliner Boulevardpresse fanden als zu den geschassten Mitarbeitern, sind die Entscheidungen Bobics selbst für profunde Kenner des Vereins überraschend.
Nachdem er im November Vereinslegende Pal Dardai überraschend durch seinen Kumpel Tayfun Korkut ersetzte, verpasste er selbst den leidgeprüften Anhängern am Sonntagabend einen Schock. Der 68-jährige Felix Magath soll Hertha BSC vor dem drohenden Abstieg retten. Kann das gut gehen?
Große Erfolge und bittere Entlassungen
"Die Vita von Felix Magath spricht für sich", sagt Fredi Bobic. Als Spieler gewann Magath Meisterschaften und Europapokale, wurde mit der Nationalmannschaft Europa- und Vizeweltmeister. Bis heute ist Magath der einzige Trainer, dem es gelang, das Double aus Meisterschaft und DFB-Pokal in der folgenden Saison zu verteidigen. Den VfL Wolfsburg führte er zu seiner einzigen Meisterschaft. Das war 2009 - und gemessen an den Zielsetzungen seiner folgenden Stationen der letzte große Erfolg in Magaths Laufbahn. Beim FC Schalke wurde Magath zwei Jahre darauf in Abstiegsnöten entlassen und für die Verpflichtung vertragsloser Spieler, die lange über ihrem Zenit waren, in den Medien als "Ramschkönig" verspottet.
Nachdem er nach seiner Rückkehr zum VfL Wolfsburg auf Platz 18 gehen musste, konnte Magath seinen nächsten Arbeitgeber, den FC Fulham, nicht vor dem Abstieg aus der englischen Premier League retten. Sein Team verpatzte auch den Saisonstart in der zweiten Liga. Magath wurde erneut auf dem letzten Platz entlassen. Es folgte ein Engagement in China und bei einem fränkischen Druckereiunternehmen als "Global Sports Director". Global bedeutete in diesem Fall die sportliche Kontrolle über die Würzburger Kickers und Admira Wacker aus dem österreichischen Mödling. Magath trat im März 2021 zurück. Zwei Monate später stieg Würzburg sang- und klanglos als Tabellenletzter ab.
Magath setzt auf Fitness
Wie ist Fredi Bobic bei der Suche nach dem Retter in der Not also ausgerechnet auf Felix Magath gekommen? Die Antwort könnte ungefähr 20 Jahre in der Vergangenheit liegen. Denn in einer Zeit, als so mancher Spieler im Kader der Alten Dame noch nicht geboren war, rettete Magath den Hamburger SV, Eintracht Frankfurt und den VfB Stuttgart in brenzligen Situationen vor dem Abstieg. Außerdem erwarb er sich mit harten Trainingsmethoden den Spitznamen "Quälix". Fußball-Profi Bachirou Salou sagte mal, dass "Felix Magath der letzte Diktator Europas" sei und Jan-Aage Fjörtoft verglich das Training mit einem Zahnarzttermin. Magath selbst betätigte sich als Hobby-Linguist und erklärte: "Qualität kommt von Quälen."
Sprüche wie dieser könnten Fredi Bobics Entscheidung beeinflusst haben. Noch vor einer Woche stärkte er Korkut den Rücken. Nach der Niederlage gegen Frankfurt berief Bobic eine Aussprache mit der Mannschaft ein. Sein Fazit: "Die Spieler haben erkannt, dass sie das Problem sind." Nach der Niederlage gegen Mönchengladbach musste auch Bobic eingestehen, was lange offensichtlich war. Der freundliche Tayfun Korkut erreichte die Truppe nicht. Für Bobic scheint der Fitnessfanatiker "Quälix" die Lösung zu sein. Magath habe schon oft bewiesen, dass er mit seiner immensen Erfahrung, seiner Art und seiner Ausstrahlung an den richtigen Stellschrauben drehen könne, erklärte der Geschäftsführer. Doch die Fitness scheint keine dieser Stellschrauben zu sein, gegen Gladbach liefen die Herthaner über fünf Kilometer mehr als der Gegner.
Magath hält nicht viel von Taktik
Trotzdem gelang es Hertha erneut nicht, ein Tor zu erzielen. Mit nur 284 Schüssen sind die Berliner das zweitschlechteste Team der Liga. 60 Gegentore sorgen für eine miserable Tordifferenz von -34. Korkut, dessen Verpflichtung Bobic damit begründete, dass er im Gegensatz zu seinem Vorgänger Dardai in der Lage sei, dominanten Offensivfußball spielen zu lassen, setzte in seinem letzten Spiel auf ein 5-3-2-System mit acht defensiv denkenden Feldspielern. Wer Herthas fußballerische Probleme in allen Einzelheiten aufzählen wollte, müsste sich mindestens einen Nachmittag freinehmen. Aber wer mit Magath einen Trainer erwartet, der besonders großen Wert auf eine taktische Lösung der Hertha-Krise setzt, sieht sich getäuscht.
"Ich halte nichts davon, was man heute macht. Also das Spiel allein taktisch zu beurteilen und aufzubauen", sagte Magath, als er im vergangenen September auf Bayern-Trainer Julian Nagelsmann angesprochen wurde und fügte spöttisch hinzu: "Damit manifestiert man das Mittelmaß und macht das Spiel uninteressant." Man könnte entgegenhalten, dass Hertha BSC sich gegenwärtig wohl ganz gerne im Mittelmaß manifestieren würde. Sicher ist, dass Magath die Aufstellung seiner Mannschaft pragmatischer angehen wird als sein Vorgänger. Korkut hielt in den letzten Wochen lange stur an seinen spielerischen Ideen fest, obwohl diese offensichtlich nicht zu den Qualitäten seiner Spieler passten.
Fredi Bobics letzte Patrone
Sowohl die Zusammenstellung der Mannschaft als auch die Entlassung von Pal Dardai, das lange Festhalten an Korkut und die überraschende Verpflichtung von Felix Magath liegen in der Verantwortung von Fredi Bobic. Deshalb hängt auch für den Geschäftsführer viel von Magaths Erfolg in den letzten acht Spielen ab.
"Uns allen ist die aktuelle sportliche Lage bewusst und ich bin gerne bereit, Hertha BSC mit all meiner Erfahrung dabei zu helfen, das Ziel Klassenerhalt zu erreichen", floskelte sich Magath durch die Vereinsmitteilung zu seiner Ernennung. Kein Wunder, dass er seine Erfahrung betont. Denn Magaths Methoden hält in der Bundesliga eigentlich niemand mehr für zeitgemäß. Auch deshalb hat er bei diesem Engagement am wenigsten zu verlieren.
Sendung: rbb24, 14.03.2022, 18 Uhr