Iten in Kenia - Die Welthauptstadt des Laufens

Mi 09.03.22 | 16:32 Uhr | Von Denise Krebs
Athletinnen bei ihrem Training im kenianischen Iten (imago iamges/ZUMA Press)
Bild: imago images/ZUMA Press

Seit Jahren schwören Ausdauerathleten auf ein Training in der Höhe. Ein beliebtes Reiseziel ist dafür immer wieder Iten in Kenia. Auch die Marathonläufer Philipp Pflieger und Rabea Schöneborn bereiteten dort ihre Starts in Hamburg und Hannover vor. Von Denise Krebs

Gut vierzig Minuten dauert die Anreise vom nächstgelegenen Flughafen Eldoret bis zum Ziel Iten. Der kenianische Ort hat rund 42.300 Einwohner und ist die Hauptstadt des Landkreises. Viele würden den Ort jedoch als eine Art Welthauptstadt bezeichnen – die Welthauptstadt des Laufens.

The Home of Champions

Die Gemeinde ist stolz auf Ihren Titel. Und das wird spätestens dann klar, wenn man am Ortseingang den roten Torbogen mit weißer Aufschrift 'The Home of Champions', der über der Hauptstraße prangt, passiert. Ein Foto unter diesem Bogen dient häufig als Trophäe.

Auch der vierfache Olympiasieger im Langstreckenlauf Mo Farah oder Doppel-Europameisterin im Hindernislauf Gesa Krause verbringen dort häufig mehrere Monate zur Vorbereitung auf ihren Saisonhöhepunkt. Aber es gibt auch die, die gar nicht mehr wegwollen. So haben beispielsweise der kenianische Weltrekordhalter Eluid Kipchoge oder der Europarekordhalter über 10km-Straße und im Halbmarathon aus der Schweiz Julian Wanders ihren Hauptwohnsitz in die Region verlegt.

In der Höhe liegt die Kraft

Das Geheimnis der Anziehungskraft Itens ist die Lage. Der Ort liegt auf etwa 2.400m über Meereshöhe und die Temperaturen liegen täglich zwischen Minimum neun und Maximum fünfundzwanzig Grad. Mittlerweile hat sich das Höhentraining bei Ausdauerathleten fest etabliert. Radfahrer, Schwimmer, Triathlet sowie Läufer suchen immer mehr die dünne Luft. Aber warum eigentlich?

Durch den Aufenthalt in der Höhe versucht der Körper das geringere Sauerstoffangebot mit einer verstärkten Produktion von roten Blutkörperchen auszugleichen. Die gesteigerte Anzahl von Erythrozyten führt zu einem besseren Sauerstofftransport in der Muskulatur. Da dieser größte positive Effekt des Höhentrainings erst nach ungefähr drei Wochen wirksam ist, sind lange Zeiträume in der Höhe notwendig.

Die Folge im Tiefland ist, dass mehr Sauerstoff zur Energiebereitstellung in der Muskulatur zur Verfügung stehen. Weitere Effekte sind: Eine bessere Regeneration nach Belastungen, eine Verbesserung des Fettstoffwechsels und eine Erhöhung des energetischen Umsatzes. Eins steht in jeden Fall fest: Alle positiven Effekte wirken nicht nur bei Profiläufern, sondern auch bei Freizeitläufern.

Auch Philipp Pflieger und Rabea Schöneborn in Kenia unterwegs

Vor kurzem kehrten auch der Berliner Marathonläufer Philipp Pflieger sowie Marathonkollegin Rabea Schöneborn (beide SCC Berlin) aus Iten zurück. "Ich glaube, ich war zeitweise schon relativ ausgereizt mit meinen Möglichkeiten, was das Training auf normal null anbelangt. Das heißt, ich hätte meine Trainingsumfänge nicht ewig steigern können, denn das hätte mein Bewegungsapparat auf Dauer nicht mitgemacht. Deshalb habe ich vor ein paar Jahren mit einem mittleren Höhentrainingslager auf 1.733 m in St. Moritz in der Schweiz begonnen", reflektiert Philipp Pflieger seine Gründe für ein Höhentraining. Bereits zum elften Mal trainierte der 34-Jähirge mit Hypoxie.

Vereinskameradin Rabea Schöneborn testete hingegen zum ersten Mal die Höhe in Kenia: "Ich war erst einmal in St. Moritz und nun in Iten. Ein Grund, warum ich hierhergefahren bin, war, dass alle Langstreckenläufer auf ein Höhentraining schwören und für mich mögliche Trainingspartner hierher gefahren sind. Aber ob es wirklich einen Höheneffekt gibt, darüber ist die Wissenschaft sich ja noch nicht noch nicht einig."

Das Höhentraining birgt auch Gefahren

Flache Laufstrecken gibt es im Läufermekka aber keine. Zudem verlaufen die Straßen über rotsandige Wege, welche spätestens bei Regen zu einer echten Herausforderung werden. Die daraus resultierende Kraftausdauerkomponente kombiniert mit dem Profil, sieht Philipp Pflieger als einen weiteren positiven Nebeneffekt. "Ich bin kein sonderlich guter Bergläufer. Du kannst hier diesem Profil nicht komplett aus dem Weg gehen, sondern du bist gezwungen, da zu laufen. Im Zweifelsfall halt langsamer als Zuhause natürlich, ist ja klar. Aber mir hilft das."

Die studierte Psychologin Rabea Schöneborn sieht das aber auch als eine Gefahr. "Die Laufstrecken sind sehr anspruchsvoll. Durch das Hoch- und Herunterlaufen auf den 'Dirt-Roads' entsteht eine zusätzliche Belastung und dadurch kommt es zu einer höheren Trainingsbelastung als zu Hause. Weniger ist hier manchmal mehr," betont sie.

Gerade in den ersten Tagen können im Training viele Fehler gemacht werden, die sich negativ auf das weitere Training auswirken können. "Das wichtigste ist, dass man sich von den Kilometerzeiten, die man von zu Hause kennt löst, damit man nicht überzieht. Die Zeiten sind hier nicht so wichtig. Wichtig ist, dass du in den richtigen Trainingsbereichen läufst und diese sind oben oftmals 20 Sekunden langsamer," empfiehlt Philipp Pflieger und erklärt zusätzlich, dass in den ersten fünf Tagen keine harte Trainingsbelastung absolviert werden sollte, da der Körper mit der Anpassung beschäftigt sei.

Über Hannover und Hamburg nach München

Topfit wollen die Beiden bei ihrem ersten Marathon der Saison sein. Rabea Schöneborn, die in der Wintervorbereitung nicht nur zum ersten Mal die Höhe von Kenia testete, sondern auch in die Trainingsgruppe um Tobias Singer wechselte, sieht ihrem ersten Marathon in Hannover (3. April 2022) entspannt entgegen. "Da ich die internationalen Normen für die WM in Eugene und für die EM in München bereits habe, kann ich gelassen sein. Aber mein Ziel ist es schon, meine Bestleistung von 2:27:03 Stunden bei den Deutschen Meisterschaften zu verbessern."

Eine Zielsetzung, die auch der gebürtige Sindelfinger Philipp Pflieger in Hamburg (24.04.2022) hat. Im Gegensatz zu Rabea muss er die geforderten Normen noch nachweisen und auch er möchte seine bisherige Bestleistung von 2:12:15 Stunden steigern. "In Hamburg wird es eine größere Gruppe um eine Zielzeit von 2:11:30 Stunden geben. Man muss schauen, wie es an dem Tag so läuft. Aber ich glaube, wenn man in dem Bereich eine Zeit rennt, dann dürfte das wahrscheinlich gut genug sein, um zu mindestens in Hinblick auf die EM seinen Hut noch in den Ring zu werfen."

Da der Deutsche Leichtathletik Verband einem Doppelstart bei der WM und EM untersagt hat, müssen sich die 'Marathonis' für ein Event entscheiden, und da sind sich Rabea und Philipp einig: "Eine Heim-Europameisterschaft in München ist was ganz Besonderes, da will jeder dabei sein!"

Beitrag von Denise Krebs

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