Der frisch verpflichtete Kreisläufer Igor Vori - Ein neuer alter Mann in der Kabine von den Füchsen Berlin

Mi 23.03.22 | 21:05 Uhr | Von Jakob Lobach
Igor Vori 2018 noch im Trikot des Kroatischen Klubs RK Zagreb (Bild: IMAGO/Pixsell)
Bild: IMAGO/Pixsell

Die Füchse Berlin haben in Igor Vori einen einstigen Weltklasse-Kreisläufer für den Saisonendspurt verpflichtet. Der 41-jährige Kroate bringt viel Erfahrung und Spielintelligenz, aber auch die Frage nach seiner körperlichen Verfassung mit.

Es war ein sehr kommunikatives Training, das die Handballer der Füchse Berlin am Mittwoch in der Max-Schmeling-Halle absolvierten. Immer wieder unterbrach Trainer Jaron Siewert seine Übungen für eine kurze Anmerkung und auch in den kurzen Pausen wurde munter auf vor allem einen Spieler eingeredet: den erst am Dienstag verpflichteten Igor Vori. Als 'der Neue' im Team der Füchse war der Kroate am Mittwoch sichtlich bemüht, sich im Eiltempo in diesem zu akklimatisieren.

Vori hörte zu, fragte nach und versuchte, den Input in Sachen Formationen und Laufwegen best- und schnellstmöglich umzusetzen. Was dabei helfen dürfte: Der Kreisläufer hat in seiner illustren Karriere schon eine ganze Menge Input bekommen und diesen in der Regel hervorragend umgesetzt.

Reaktivierung mit Schock

Igor Vori hat für Top-Klubs wie Barcelona, Paris und den HSV gespielt, mit der kroatischen Nationalmannschaft ist er Weltmeister und Olympiasieger geworden. Er hat sich dabei als absoluter Weltklasse-Kreisläufer einen Namen gemacht. Bei den Füchsen soll er nach der Verletzung von Johan Koch nun Mijajlo Marsenić bis zum Saisonende entlasten. Das Bemerkenswerte an diesem Plan: Vori ist mittlerweile 41 Jahre alt und hat seit 2019 kein Profispiel mehr absolviert.

So war die Überraschung groß, als die Füchse Berlin am Dienstag die Reaktivierung Voris aus dessen Handballruhestand bekannt gaben. Und auch der Reaktivierte selbst erzählt, er sei "ein bisschen geschockt" gewesen, als Stefan Kretzschmar zum ersten Mal bei ihm anklopfte. Kurz nach der Verletzung von Koch sei das gewesen, erzählt Kretzschmar. Angesichts des bereits geschlossenen Transferfensters hatte dieser bei der Suche nach einem Vertreter für den Dänen eine schwierige Aufgabe vor sich.

Keine unüberlegte Entscheidung

"Wir mussten jemanden finden, der dieses Jahr noch nirgendwo unter Vertrag stand", erklärt Kretzschmar, ehe er ergänzt: "Wir haben fünf, sechs Spieler gefunden, die in diese Kategorie passen und die habe ich dann tatsächlich alle angerufen." Ein abenteuerliches Unterfangen, bei dem der Sportvorstand der Füchse auch Antworten bekam, die ihm sonst bei der Spielersuche wohl eher nicht unterkommen. "Einer hat mir gesagt, dass er in den letzten drei Jahren seiner Karriere mehr Schmerzmittel als normale Nahrung gegessen hat", erzählt Kretzschmar mit einem Lachen. Eine Antwort, die gleichzeitig eine Absage an die Füchse war.

Auch Igor Vori erzählt, dass er seine Entscheidung für die Füchse nicht in Eile und schon gar nicht unüberlegt getroffen habe: "Ich habe erst mit meiner Familie gesprochen, dann mit meinem Körper." Kein Wunder, kommt doch insbesondere letzterem in den nächsten Wochen eine Schlüsselrolle zu, vor der zumindest aktuell noch ein paar Fragezeichen stehen. Voris handballerisches Talent und Können sind unbestritten. Ob und wie bundesliga- und europapokaltauglich sein Körper nach drei Jahren Spielpause noch ist, wird sich hingegen erst noch zeigen müssen. "Ich bin fit", sagt Vori selbst. Auch in den Jahren seit seinem Karriereende habe er jeden Tag trainiert – Joggen, Krafttraining, Spaziergänge. Aber auch der Kreisläufer weiß: "Profisport ist etwas anderes."

Erfahrung statt Nervosität

Für die Füchse hält sich das Risiko, das mit der Neuverpflichtung verbunden ist, dennoch in Grenzen. Nicht zuletzt, weil Vori ja keinesfalls Berlins neuer Star am Kreis werden soll, sondern diesem lediglich hier und da ein paar Minuten zusätzliche Pause verschaffen wird. "Ich bin nur hier, um ein bisschen zu helfen", weiß auch Vori, der einfach das machen will, was seine neue Mannschaft eben gerade braucht. "Egal ob das auf dem Feld, von der Bank oder in der Kabine ist."

Allein schon mit seiner Erfahrung dürfte Igor Vori hierbei eine Bereicherung für die Füchse sein. Stefan Kretzschmar weiß schließlich, wovon er spricht, wenn er sagt: "Igor hat alle Spiele, die man als Handballer machen kann, schon gemacht." Etwa das Finale der Olympischen Spiele 2004 in Athen als Voris Kroaten der deutschen Mannschaft um Kretzschmar die Goldmedaille verwehrten. Dazu kommen unzählige wichtige Spiele mit den eingangs erwähnten Top-Klubs. "Igor wird sicherlich nicht nervös, wenn wir nächste Woche im Hexenkessel von Nantes Europapokal spielen", sagt Kretzschmar.

Ein neuer alter Mann

Abseits von seiner Erfahrung bringt Vori viel Spielintelligenz und seine Gardemaße für einen Kreisläufer mit zu den Füchsen. Schon am Mittwoch im Training bewies er mit seinen 2,03 Metern und einem nach wie vor breiten Kreuz eine beeindruckende Präsenz am Kreis. Ebenfalls bemerkenswert: das gute Deutsch, mit dem Vori auf die Instruktionen seiner Mitspieler einging und das ihm die Eingewöhnung deutlich erleichtern dürfte. Behalten hat er sich dieses von seinem ersten Engagement hierzulande. Von 2009 bis 2013 war Vori beim Hamburger SV aktiv, führte diesen unter anderem 2013 zum Gewinn Champions League.

Damals und nun wieder an seiner Seite: Hans Lindberg. "Ein super Spieler und ein super Typ", sagt Igor Vori, wenn man ihn auf den ebenfalls schon 40-jährigen Rechtsaußen der Füchse anspricht. Und nach einer kurzen Pause ergänzt er mit einem Grinsen: "Jetzt ist er nicht mehr der alte Mann in der Kabine, sondern ich."

Sendung: rbb24, 25.03.2022, 18 Uhr

Beitrag von Jakob Lobach

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