Hertha verliert Magath-Debüt in Leverkusen - Eine Niederlage der Kaderplanung

So 03.04.22 | 09:15 Uhr | Von Marc Schwitzky
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Maximilian Mittelstädt von Hertha BSC schlägt bei der Niederlage in Leverkusen enttäuscht die Hände über dem Kopf zusammen (imago images/Mika Volkmann)
Audio: Inforadio | 03.04.2022 | Interview Felix Magath | Bild: imago images/Mika Volkmann

Hertha BSC zeigt gegen Bayer Leverkusen eine ordentliche Leistung, verliert aber aufgrund fehlender offensiver Durchschlagskraft mit 1:2. Der Magath-Effekt ist weiterhin zu erkennen, die Probleme des Kaders aber noch viel mehr. Von Marc Schwitzky

In der 41. Minute kochen die Emotionen bei Hertha BSC hoch. Gerade hat Karim Bellarabi das 2:0 für Bayer Leverkusen erzielt, doch in der Entstehung wollen die Berliner ein Foulspiel von Charles Aranguiz an Marc Oliver Kempf erkannt haben. Kevin-Prince Boateng wütet. Der Leitwolf reklamiert so ausufernd, dass ihm Schiedsrichter Matthias Jöllenbeck die Gelbe Karte zeigt.

Das Skurrile an dieser Szene: Boateng steht gar nicht auf dem Feld, er kassiert die Verwarnung von der Bank aus. Kempf - der das 0:2 aus Berliner Sicht durch einen unnötigen Ballverlust eingeleitet hat - steht auf dem Feld, zeigt aber einmal mehr eine schwache Leistung. Es sind diese beiden Personalien, die die Blicke nach Herthas Niederlage in Leverkusen nicht auf das Trainerteam, sondern auf die Kaderplanung richten.

Hertha knüpft zunächst an das Hoffenheim-Spiel an

Felix Magath hätte beinahe die Aufstellung seiner erfolgreichen Hertha-Premiere gegen Hoffenheim kopiert, doch kurz vor Anpfiff muss ausgerechnet Marvin Plattenhardt - beim 3:0 dreifacher Vorlagengeber per Freistoß - aufgrund von muskulären Problemen passen. Maxi Mittelstädt ersetzt ihn, zudem rückt Vladimir Darida für Marco Richter in die Startelf. Erneut ist es ein 4-1-4-1, in dem sich Hertha formiert – auffällig: Mit Suat Serdar und Darida finden sich zwei eigentlich zentrale Mittelfeldspieler auf den Flügelpositionen wieder.

Hier wird das erste Kaderproblem der "alten Dame" offensichtlich: Seit Jahren vermisst Hertha qualitativ gute Außenspieler, die zum einen ihre individuelle Klasse zum Ausdruck bringen, sich aber auch taktisch diszipliniert in den Matchplan einfügen können. Schon Magaths Vorgänger, Pal Dardai und Tayfun Korkut, griffen daher notgedrungen auf zentrale Mittelfeldspieler wie Darida, Serdar oder Jurgen Ekkelenkamp für die Besetzung der Flügel zurück.

Trotz der Flügelprobleme findet Hertha gut in die Partie gegen Leverkusen. Erneut präsentieren sich die Blau-Weißen taktisch überaus diszipliniert und kämpferisch beherzt. Der Ruck, der durch die Mannschaft seit dem Trainerwechsel gegangen ist, ist unverkennbar. Wie gegen Hoffenheim stehen die Hauptstädter recht tief und überlassen dem Gegner den Ball. Daraus kann die Werkself in den ersten 30 Minuten jedoch keinerlei Kapital schlagen, immer wieder zerschellen die Offensivbemühungen an den leidenschaftlich und konzentriert verteidigenden Berlinern.

Hertha versteht es gut, wie schon gegen Hoffenheim das Zentrum lückenlos zu verdichten und den Gegner auf die Außen zu zwingen. "Gegen die zu spielen, ist schwierig. Sie beißen und ziehen ihren Verteidigungsstil durch", lobt Leverkusens Torhüter Lukas Hradecky die Herthaner nach dem Spiel.

15 wilde Minuten entscheiden die Begegnung

In der 35. Minute passiert es dann aber: Hertha gerät in Rückstand. Moussa Diaby kann sich auf dem rechten Flügel gegen Mittelstädt durchsetzen und bringt den Ball in den Strafraum zu Lucas Alario. Der Stürmer, der im Winter beinahe zu Hertha gewechselt wäre, macht es daraufhin per Drehung und perfektem Schuss ins linke Eck herausragend.

Es beginnen daraufhin wilde 15 Minuten, die das Spiel entscheiden. Der bereits angesprochene Ausflug Kempfs und ein zu lasches Verteidigen von Abwehr-Partner Dedryck Boyata gegen Bellarabi bescheren das 0:2. Nur zwei Minuten später stellt Darida per Volley den 1:2-Anschluss her, nur damit Hertha drei Minuten später beinahe das 1:3 kassiert. Es sind die mittlerweile berühmten Chaos-Minuten der "alten Dame", die Trainer Magath zum ersten Mal erlebt. Man will ihm in dieser Phase ein bedeutungsschwangeres "Willkommen in Berlin" zurufen.

Offensiv fehlt es an Durchschlagskraft

Erneut tun sich Herthas Kaderprobleme auf: Magath will für die zweite Halbzeit mehr Druck auf den offensiven Flügeln entwickeln, ihm fehlen auf der Bank jedoch die geeigneten Alternativen. So lässt er Mittelstädt eine Position nach vorne rücken und den für Serdar eingewechselten Linus Gechter positionsfremd als Linksverteidiger agieren.

Hertha kommt offensiv etwas mutiger aus der Kabine, die erste Pressinglinie wird nun höher angesetzt. Die seichten Offensivbemühungen schlafen nach zehn bis 15 Minuten jedoch wieder ein. Weder die Einwechslungen von Richter und Eigengewächs Marten Winkler (65. Minute) noch die von Davie Selke (75.) bringen den gewünschten Effekt. Hertha fehlt es eklatant an Tempo und Ideen, um offensiv auch nur irgendetwas zu entwickeln – Leverkusen hat keinerlei Probleme, die zahnlosen Angriffe zu verteidigen. Das Kräfteverhältnis hat etwas von dem großen Bruder, der seinen kleinen Bruder bei einer Rangelei mit dem ausgestreckten Arm mühelos von sich weghalten kann, während dieser zwar alles gibt, aber nicht im Ansatz gefährlich wird.

Herthas Kaderprobleme kosten Punkte

Am Ende verliert Hertha mit 1:2. Es ist ein knappes Ergebnis gegen einen auf dem Papier übermächtigen Gegner, den die Berliner allerdings über weite Strecken der Begegnung defensiv Paroli bieten können. Den Blau-Weißen ist am 28. Spieltag kaum ein Vorwurf zu machen: Die Einstellung hat gestimmt, die Körpersprache und das Miteinander haben sich im Vergleich zu den Vorwochen- und Monaten deutlich verbessert. Hertha zeigt die so lange eingeforderten Grundtugenden.

Ein riesiges Problem sind jedoch die so offensichtlichen Defizite in Herthas Kader. Gegen Leverkusen fehlt in nahezu der kompletten zweiten Halbzeit die offensive Durchschlagskraft. Das liegt nicht an mangelndem Willen, sondern schlicht an fehlender Qualität. Herthas Tore entstehen zu großen Teilen aus Zufallsprodukten und Standardsituationen. Das reicht in vielen Spielen nicht. Boateng scheint kein sportlicher Faktor mehr zu sein, mit Jovetic kann aufgrund seiner Verletzungsanfälligkeit nicht geplant werden, Richters Spiel ist von großer Inkonstanz geprägt, Maolida spielt keine Rolle, Ekkelenkamp schafft es aktuell nicht einmal in den Spieltagskader.

Ein Puzzle, das nicht passt

All diese Spieler haben Bobic und Kaderplaner Dirk Dufner verpflichtet, zuzüglich des so wackeligen Kempfs hat keiner von ihnen über eine längere Strecke als Leistungsträger funktioniert. Scheint zumindest das Problem des schwachen Teamgedankens vom neuen Trainerteam notdürftig bis Saisonende geflickt, können Qualitätsdefizite nicht mehr aufgefangen werden.

Der Kader wirkt wie ein Puzzle, bei welchem kein Teil in das andere greifen mag. Herthas Chancen auf den Klassenerhalt scheinen sich durch den Trainerwechsel erhöht zu haben, der Mangel an Kaderqualität macht ihn aber immer noch nicht wahrscheinlich. Nun steht das Stadtderby an: Wird Union Berlin ebenfalls zum großen Bruder?

Sendung: rbb UM6, 03.04.2022, 18 Uhr

Beitrag von Marc Schwitzky

14 Kommentare

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  1. 14.

    @Klaus @Ursus Lyck:
    Wenn man nicht nur die Überschriften lesen würde, sondern auch mal das Interview an sich, erklärt Boateng doch sogar, warum er Hertha als Nummer 1 in Berlin sieht. Er bezieht sich da auf die Geschichte von Hertha, als (halbwegs) etablierter Bundesliga-Club, im Gegensatz zu Union, die noch relativ frisch die Bundesliga-Luft schnuppern. Wenn man nur Überschriften lesen möchte, können wir den Spieß aber natürlich auch umdrehen:
    Hier sagt Max Kruse, dass Union die Nummer 1 in Berlin ist:
    https://www.t-online.de/sport/fussball/dfb-pokal/id_91512636/dfb-pokal-max-kruse-stichelt-union-ist-die-nummer-eins-berlins.html

    Oder Gikiewicz, der 'niemals zu Hertha wechseln würde, weil er noch Werte hat.

    Aber das ist bestimmt was ganz anderes, weil es eben Union-Spieler sind, richtig? ;) Hätten diese Spieler die gleichen Sätze in einem blau-weißen Trikot gesagt, wäre es "große Klappe", in rot-weiß ist es kultig. :)

  2. 13.

    Beispiel: Boateng im TV-Interview vor dem letzte Berlinr Derby: " ... einzig wahrer Hauptstadtclub ..."
    Freu mich auf den 09.04.!

  3. 12.

    Borninc_burg & Yenz,
    Sie haben wohl das Interview permanent Gelbe Karten sammelnden "Leidwolf" vergessen, was er vor Wochen gab.
    Hier zum nachlesen:
    https://www.rbb24.de/sport/beitrag/2022/01/fussball-dfb-pokal-hertha-bsc-union-hauptstadtderby-kevin-prince-boateng-interview.html
    Da fragte man sich doch wirklich, ob es Selbstüberschätzung und Arroganz war, oder schon grenzenlose Dummheit.

  4. 11.

    Borninc_burg & Yenz,
    Sie haben wohl das Interview permanent Gelbe Karten sammelnden "Leidwolf" vergessen, was er vor Wochen gab.
    Hier zum nachlesen:
    https://www.rbb24.de/sport/beitrag/2022/01/fussball-dfb-pokal-hertha-bsc-union-hauptstadtderby-kevin-prince-boateng-interview.html
    Da fragte man sich doch wirklich, ob es Selbstüberschätzung und Arroganz war, oder schon grenzenlose Dummheit.

  5. 10.

    Bitte beweisen Sie doch mal, wann Hertha BSC das letzte Mal eine "große Klappe" hatte. Wenn Sie dies nicht können, waren Sie die einzige hier, die wohl nur eine große Klappe hat ;)

  6. 9.

    "Und immer mit der grossen Klappe vorneweg"
    Wer bitte, hatte denn eine große Klappe? Das ist so ein dämliches Vorurteil, weil schon seit einiger Zeit niemand mehr eine große Klappe hat, jedenfalls nicht im Kontext mit HBSC.

  7. 8.

    Stimme dem Autor in vollem Maße zu. Was mich jedoch zusätzlich irritiert ist, dass Hertha darauf verzichtet hat am Ende alles nach Vorne zu werfen. Man hatte fast das Gefühl, alle freuen sich, dass sie das so ordentlich gemacht haben und klopfen sich für das knappe Ergebnis gemeinsam auf die Schulter. Bloß kein drittes Tor kassieren. Gerade in den letzten Minuten gab es im Aufbau haarsträubende Fehlpässe und es kamen kaum Bälle in den Strafraum. Eine Chance gab es ja dennoch, aber Darida ist einfach kein Goalgetter. In diesem Zusammenhang habe ich auch Schwierigkeiten die Wechsel von Magath zu verstehen. Wieso bringt er Selke, der leider an Harmlosigkeit nicht zu überbieten ist, anstatt Belfodil. Weshalb keinen zweiter Stürmer und dann natürlich Jovetic, der immer für Überraschungen gut ist.

  8. 7.

    Jippiieee Hertha weiter so!!!!
    Trainerwechsel….Hertha voller Euphorie - erstes Spiel siegen und dann weitere verlieren, wieder Trainerwechsel …. - wie oft habt ihr die Nummer jetzt abgezogen??
    Und immer mit der grossen Klappe vorneweg, Klasse! Macht weiter so, dann können andere Vereine in Ruhe ihr Spiel machen.

  9. 6.

    Was mich gestern auch etwas verstört hat, dass Bobic im Interview nach dem Spiel sehr humorvoll aufgelegt war. Kann man positiv sehen, kann man aber auch als "unglücklich" betrachten. Das wirkte bei ihm etwas wie der Kampf um die goldene Ananas und weniger wie existenzbedrohender Abstiegskampf.

  10. 5.

    „Leitwolf“ wirklich lächerlich…
    Zeig doch Deine Energie mal anders!
    Bei jedem Spiel so ein Theater zu veranstalten…NUR NOCH PEINLICH…
    Immer sind die anderen Schuld…Wie im Kindergarten. Und genau…Geld schiesst keine Tore…
    und der Fredy…nur Rhetorik…

  11. 4.

    Ich finde es schon lustig, wie hier Prinz Boateng als "Leitwolf" installiert wird.
    Leitwolf? In Anbetracht seiner Sammlung an Gelben Karten - wo hier die, die er bekam, wohl die Ungefährlichtste für Leib und Unversehrtheit eines spielerischen Gegner war - eher doch ein Leidwolf.
    Genauso "Herthas Chancen auf den Klassenerhalt scheinen sich durch den Trainerwechsel erhöht zu haben, ..." klingt wie das Pfeifen im dunklen Wald.

  12. 3.

    Hurra Zweite Liga wir kommen

  13. 2.

    Genau das ist das Problem! Der völlig überschätzte Bobic, der in Frankfurt einfach nur Glück gehabt hat, gepaart mit den falschen Kaderentscheidungen, werden Hertha in die 2. Bundesliga führen! Der Anspruch aus einem Ausbildungsverein (Zitat Dardai) einen Spitzenclub in kürzester Zeit zu machen, ist krachend gescheitert!
    „Geld schießt keine Tore“

  14. 1.

    Ich finde das trifft es ganz gut. Was mich stört ist, dass dies bereits über viele Jahre so geht. Egal wer verantwortlich ist. Da wurde berechtigt über Preetz gemeckert und jetzt über Bobic. Raus kommt dabei nur ein Durcheinander. Warum bekommen dass andere Clubs wie Union, Freiburg und Köln... besser hin? Vielleicht sollte ich den Job übernehmen, hätte Lust darauf.

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