Analyse | Herthas Fast-Klassenerhalt in Bielefeld - Der König und sein Hausmeister

So 01.05.22 | 07:48 Uhr | Von Ilja Behnisch
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Herthas Trainer Felix Magath (l.) und Kevin-Prince Boateng (imago images/Jan Huebner)
Audio: rbb24|Inforadio | 01.05.2022 | Guido Ringel | Bild: imago images/Jan Huebner

Hertha BSC verpasst am 32. Spieltag denkbar knapp den vorzeitigen Klassenerhalt. Dass die Leistung trotzdem stimmte, lag vor allem auch an Felix Magath und Kevin-Prince Boateng - die abermals aufzeigten, was der Klub dringend benötigt. Von Ilja Behnisch

So schön Fußball-Märchen sind, so furchtbar schwammig sind sie zu definieren. Ein möglicher Klassenerhalt von Hertha BSC unter dem als Feuerwehrmann firmierenden Felix Magath etwa - Märchen, ja oder nein? Schaute man an diesem 32. Spieltag der Fußball-Bundesliga auf die Partie zwischen Arminia Bielefeld und Hertha BSC (1:1), musste man zumindest zwischen der 55. Minute (Tor Hertha) und der 91. Minute (Tor Bielefeld) eindeutig zu "Ja, Märchen" tendieren. Die Indizien waren schlicht überwältigend.

Hertha macht vieles richtig

Da war zunächst die Gesamt-Leistung der Hertha. Eine Mannschaft, die unter Felix Magath urplötzlich die Liga anführt. Zumindest in den Kategorien "Laufleistung" und "Sprints gegen den Ball". Eine Mannschaft, die auch in Bielefeld besten Pal-Dardai-Fußball spielte, die tief und kompakt stand, die Räume klein oder nichtig hielt und es immer wieder schaffte, füreinander da zu sein und Gegenspieler mindestens zu doppeln. Eine Mannschaft, die bei möglichen Umschaltmomenten des Gegners in Windeseile wieder in der Grundordnung und hinter dem Ball stand und in engen Zweikampfsituationen auffällig oft den entscheidenden Moment eher am Ball war.

Eine Mannschaft, die offensiv geduldig auf ihre Chance wartete, anstatt mit jedem nicht geglückten Angriff am Drehregler für zunehmende Verzweiflung zu fummeln. Felix Magath hat dieser Hertha-Mannschaft beigebracht, was Stadtrivale Union Berlin längst in Perfektion beherrscht, nämlich einfach so lange den einen, den eigenen Stiefel weiterzuspielen, auch wenn lange nichts klappt, und zwar so lange, bis etwas klappt.

König Magath kann auf seinen Prince vertrauen

Und ganz nebenbei bewies auch die Partie in Bielefeld auf märchenhafte, verloren geglaubte Weise, dass Hertha-Spieler durchaus individuelle Qualität besitzen. Oder wer hätte gedacht, dass Marvin Plattenhardt zwischen Ballannahme und Ballweitergabe nochmals auf eine Zeit von deutlich unter einer Minute kommen würde? Oder das Dedryck Boyata dermaßen abgeklärt verteidigen würde, als stünde er tatsächlich regelmäßig im von Weltklasse-Spielern nur so gespickten belgischen Nationalteam? Vor allem aber zeigte auch dieses Hertha-Spiel, dass König Felix auf seinen Prince vertrauen kann.

"Fußball ist ein Spiel, bei dem 22 Spieler hinter einem Ball herjagen und am Ende gewinnt immer Deutschland", hat der frühere englische Weltstar Gary Lineker einmal gesagt. Auf Felix Magath gemünzt würde dieses ohnehin durch die jüngste Fußball-Geschichte revidierte Zitat wohl lauten: "Fußball ist ein Spiel, bei dem 22 Spieler hinter einem Ball herjagen und am Ende gewinnt immer der Fittere." Dass ausgerechnet Felix Magath, der von Vielen als anachronistisches Auslaufmodell in Berlin empfangen wurde, auf Kevin-Prince Boateng setzt, der qua seines Alters und seiner beeinträchtigten Physis ebenfalls immer wieder als Auslaufmodell abgestempelt wurde, das muss doch wohl ein Märchen sein?

Ein Pass als Kunstwerk

Fast wie ein Hausmeister schlich der 35-jährige Boateng in Bielefeld durch die Reihen. Mal tauchte er neben Stürmer Davie Selke auf, mal zwischen den Sechsern Lucas Tousart und Santiago Ascacibar, einmal sogar auf Höhe der Innenverteidiger Boyata und Marc Kempf. Und jedes Mal schien es, als wolle er nur eben kontrollieren, dass auch alles noch seine Ordnung habe. Und wenn etwas nicht in Ordnung war, dann gab es kurz eine Anweisung hier oder einen öffnenden Pass da. Einer dieser Pässe, gespielt in der 15. Minute und aus dem Mittelfeldzentrum auf den rechten Flügel hinaus, kam derart millimetergenau, dass man meinen konnte, selbst der Bielefelder Rasen gäbe sich für einen Moment regelrecht Mühe, jetzt nur nichts zu versemmeln.

Auch gegen den Ball versuchte Boateng zu helfen, wobei die erwähnten Magath-Spitzenplätze in "Laufleistung" und "Sprints gegen den Ball" ja umso erstaunlicher wirken, bedenkt man, dass sie auch die Daten Boatengs beinhalten. Der ohnehin bemerkenswert breitbeinig auftretende Kevin-Prince neigt dabei immerhin dazu, seine mangelnde Dynamik mit noch mehr Breite auszugleichen. Dann senkt er bei der Balljagd seinen Körper-Schwerpunkt und für einen Moment weiß man nicht, ob man beeindruckt sein soll davon, dass er nun halb watschelt wie eine Ente oder eher davon, dass er tatsächlich breit wirkt wie zwei Herthaner.

Nachhaltigkeit statt Märchen

71 Minuten reichten die Boateng-Kräfte in Bielefeld. Ob die Hertha die Führung mit ihm über die Zeit gebracht hätte? In der Felix-Magath-Tabelle (seit dem 27. Spieltag) hätten die Berliner dann auf Rang vier (statt auf Rang sieben) gestanden. Zumindest der direkte Abstieg wäre definitiv verhindert worden. Im 500. Spiel, das Felix Magath von einer Bundesliga-Bank aus betreute.

Und Arminia Bielefeld hätte sich womöglich fragen lassen dürfen, warum sie ausgerechnet für dieses Spiel mit einem Event-Trikot aufliefen, auf dem "Niemand erobert den Teutoburger Wald" zu lesen war. Dass es dabei um Umweltschutz und Nachhaltigkeit ging, passte so am Ende aber doch ganz gut ins Bild. Denn womöglich zeigt Felix Magath der Hertha gerade, dass es genau das braucht: Nachhaltigkeit. Und wer unbedingt ein Märchen braucht, der schaut eben auf den Prince.

Sendung: rbb24 inforadio, 01.05.2022, 9:15 Uhr

Beitrag von Ilja Behnisch

15 Kommentare

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  1. 15.

    Meinte in Sachen Ibiza Urlaub der Bayern
    Ein unmögliches Verhalten der Bayern gegenüber aller anderer Bundesligisten

  2. 14.

    Ich bin mir nicht ganz so sicher das Stuttgart sich eine klatschen abholt
    Die Spieler der Bayern sind jetzt erst einmal in Urlaub auf Ibiza, und ob die nochmal Leistung bringen, weiß ich nicht
    Das man schon vor Ende einer Saison in den Ibiza Urlaub fährt finde ich absolut nicht in Ordnung, da kann ich die Kritik von Felix Magath absolut verstehen
    In meinen Augen ein unmöglichen Verhalten aller anderen Bundesligisten
    Gegen Köln verliert Stuttgart,

  3. 13.

    Der VfB holt sich nächstes WE in München eine fette Klatsche ab, und dann ist es nahezu 'egal', wie Hertha die Saison zu Ende spielt - Platz 15 ist fest.

  4. 12.

    Bayern München sind jetzt erstmal nach Ibiza in Urlaub gefahren, weiß nicht wie die gegen Stuttgart auftreten, obwohl ich nicht glaube das sie ihr letztes Heimspiel verlieren wollen
    Ihre Rechnung geht trotzdem auf
    Köln wird gegen Stuttgart gewinnen und international dabei sein und Hertha wird drinbleiben
    Rene hat das selbe Wunschdenken wie ich vor 5 Wochen noch hatte, jetzt sehe ich es realistisch und sehe den bevorstehenden Klassenerhalt als verdient an, weil Magath die Mannschaft stabilisiert hat

  5. 11.

    Rene, ich gehe mal davon aus, dass Sie noch Teenager sind, was Ihr juveniles Verhaltensmuster halbwegs erklärt. Bei einem Erwachsenen wäre das nicht tolerierbar.

  6. 10.

    Ihre Trollerei ist nur noch albern, Rene. Aber mal zur Situation: Der VfB spielt noch in München und gegen den Effzeh; Hertha hat vier Punkte Vorsprung und muss gegen Mainz und in Dortmund antreten.

    Und nun rechnen Sie mal einigermaßen realistisch. Der VfB müsste gegen den FCB mindestens Unentschieden spielen und die starken Kölner, die noch nach "Europa" wollen, besiegen, während Hertha im 'Gegenzug' beide Spiele verlieren müsste, um auf den Reliplatz zu rutschen.

  7. 7.

    Auf geht's Stuttgart, Hertha wird die letzten beiden Spiele definitiv verlieren, also besteht noch eine große Chance vorbeizuziehen !!!

  8. 6.

    Der Autor behauptet bezüglich Stuttgart nichts anderes. Da das Tor dort aber (kurz) nach dem der Bielefelder fiel, hat das am Verpassen des vorzeitigen Klassenerhalts nichts geändert. Und im Text steht auch korrekt: "Zumindest der direkte Abstieg wäre definitiv verhindert worden."

  9. 5.

    "besten Pal-Dardai-Fußball spielte"

    Zum Saisonende sind die Ansprüche der Hertha so gering, dass dies wohl als Kompliment zu verstehen ist.

  10. 4.

    "Ich hätte auch nicht gedacht das Magath was ändern könnte
    Nicht wegen Magath, sondern wegen der Mannschaft"
    Sehe ich ähnlich. Zeigt eigentlich, daß viel am Trainer liegt.
    Noch ist ja nichts gewonnen. Aber ein Aufwärtstrend ist wohl zu Erkennen.
    @Teichert - ich hätte noch einige "," und "." zu Vergeben - würde sich leichter Lesen....lol

  11. 3.

    Sollte der Kommentator diesen Artikel nach dem Spiel geschrieben haben wäre ihm bestimmt nicht entgangen das Stuttgart Unentschieden gespielt hatte und Hertha trotz Sieg nicht gerettet wäre.

  12. 2.

    Ich hätte auch nicht gedacht das Magath was ändern könnte
    Nicht wegen Magath, sondern wegen der Mannschaft
    Das zeigt aber, was für eine Leistung Magath mit 68 Jahren hervorbringt, da muss man den Hut vor ziehen

  13. 1.

    Ich freue mich für den Felix alle die mal eben dachten der würde nichts ändern ist jetzt eines besseren belehrt worden.

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