Präsidium und Investor - Was auf Herthas Mitgliederversammlung wichtig wird

Hertha steht vor der vielleicht wichtigsten Mitgliederversammlung der Klubgeschichte. Es droht ein Machtvakuum, der Investor will erstmalig zu den Mitgliedern sprechen, doch diese sind unzufrieden. Was am Sonntag zu erwarten ist.
Nach der gewonnenen Relegation steht Herthas eigentliches Saisonfinale noch bevor. Der Fußball-Bundesligist hat am Montag - für viele überraschend - mit dem 2:0 beim Hamburger SV doch noch den Klassenerhalt geschafft und damit eine totale Bruchlandung verhindert. Nun steht die Mitgliederversammlung bevor (Sonntag, 11 Uhr, Berlin-Charlottenburg, Messehalle 20) und mit ihr wichtige Entscheidungen über den künftigen Kurs. Was sind die wichtigsten Themen?
Die Stimmung der Mitglieder
Das Verhältnis zwischen Verein und Fans gilt als beschädigt. In der abgelaufenen Spielzeit kam es zu mehreren Eklats zwischen Spielern und Ultras. Vom Profifußball-Klub, der zwar immer mehr Geld ausgab für seinen Kader, dessen Spieler aber zunehmend schlaffe Auftritte präsentierten, fühlen sich viele Anhänger entfremdet.
In Erwartung einer aufgeheizten Stimmung sagte Manager Fredi Bobic am Montag bei Sat.1 mit einem gedachten Augenzwinkern: "Mitgliederversammlung ist ganz toll, da muss man sich erstmal drei Stunden beschimpfen lassen. Das macht bestimmt Spaß, wir stehen ja auf so SM-Sachen."
Einige Kurskorrekturen des Vereins – allen voran der Nichtabstieg sowie der Rücktritt des umstrittenen Präsidenten Werner Gegenbauer – könnten allerdings zur Besänftigung beigetragen haben.
Der Auftritt von Lars Windhorst
Investor und einfaches Klubmitglied Lars Windhorst kündigte an, bei der Versammlung vor den Mitgliedern sprechen zu wollen, es wäre das erste Mal. Seine Tennor Holding war vor drei Jahren beim Bundesligisten eingestiegen, mittlerweile mit insgesamt 374 Millionen Euro.
Zuletzt hatte der Unternehmer öffentlich immer wieder Kritik an der Klubführung geäußert. Es gehe dem Verein nur um "Machterhalt und Klüngelei", lederte er etwa im Wirtschaftsmagazin Capital. Wenig später forderte Windhorst auf der TV-Plattform der Bild-Zeitung die Abwahl Gegenbauers bei der anstehenden Mitgliederversammlung: "Wir brauchen einen Neustart an der Spitze" [youtube.com].
Einer drohenden Abwahl ist Gegenbauer mit seinem am Dienstag verkündeten Rücktritt zuvorgekommen, damit bleibt die erwartete Machtprobe zwischen dem Millionen-Investor und dem ab 2008 amtierenden Präsidenten aus.
"Ich kann nicht genau sagen, was er sagen wird", sagte der ehemalige Stürmer und Hertha-Vereinsmitglied Axel Kruse dem rbb zur erwarteten Rede von Windhorst. Kruse hoffe, dass Windhorst seine bei Bild-TV geäußerten Vorwürfe gegen die Klubführung rechtfertige. "Zumindest muss er mal erklären, warum er das gemacht hat."
Gibt es neue Entwicklungen beim Amt des Präsidenten?
Nach dem Rücktritt Gegenbauers führt der stellvertretende Präsident Thorsten Manske kommissarisch das Präsidium. Eine Neuwahl des Vereins-Oberhaupts ist bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung im Juni oder Anfang Juli geplant.
Möglich ist, dass die Klubführung am Sonntag einen Kandidaten präsentiert. Zukunftsfähig scheint dabei nur jemand, von dem sich einerseits die Hertha-Mitglieder repräsentiert fühlen und der gleichzeitig kein Windhorst-Gegner ist. Auf dessen Geld ist der Verein nämlich angewiesen. Statt auf mehrere Investoren zu setzen, hat der Verein seine Anteile zu knapp 65 Prozent an Windhorst veräußert - der sich zuletzt unzufrieden mit Herthas Finanzpolitik zeigte.
Als Kandidat in Stellung gebracht hat sich der Unternehmer Kay Bernstein. Der einstige Vorsitzende der Ultra-Gruppierung Harlekins kündigte an, den Verein rundum erneuern zu wollen: "in der Kultur, im Umgang, im Auftreten, in der Kommunikation vor allen Dingen", wie er dem rbb zu Monatsbeginn sagte. Vorgewagt hatte sich ebenfalls der Tankstellenbesitzer und Youtuber Marco Hennig. Denkbar ist auch, dass der kommissarische Präsident Manske ins Rennen ums höchste Klub-Amt geht.
Allerdings muss sich Manske zunächst einem Abwahl-Antrag stellen, der gemeinsam mit dem – mittlerweile obsoleten – Antrag auf die Abwahl Gegenbauers eingereicht worden war. Dazu wird über den Vorschlag zur Abwahl aller Präsidiumsmitglieder abgestimmt. Hertha stünde in diesem Fall ohne Führung da. Dafür müssten sich allerdings mindestens 75 Prozent der anwesenden Mitglieder gegen die einzelnen Vertreter aussprechen. Dass dies geschieht, gilt als unwahrscheinlich.
Wie setzt sich der neue Aufsichtsrat zusammen?
Am Sonntag wählen die Mitglieder den neuen Aufsichtsrat des eingetragenen Vereins. Dem fünfköpfigen Klub-Kontrollgremium sitzt aktuell Torsten-Jörn Klein vor. Bereits seinen Rückzug angekündigt hat Aufsichtsrat-Mitglied Bernd Schiphorst. Der 79-Jährige war von 2000 bis 2008 Klubpräsident und insgesamt drei Jahrzehnte lang in verschiedenen Ämtern für den Verein tätig.
Nach der Mitgliederversammlung soll der neu gewählte Aufsichtsrat nach rbb-Informationen dann auch einen neuen CEO bestimmen. Damit wird die unbesetzte Stelle von Carsten Schmidt nachbesetzt, der den Posten als Vorsitzender der Geschäftsführung im Oktober vergangenen Jahres aus persönlichen Gründen niedergelegt hatte. Wie der rbb erfuhr, wird ein interner Kandidat als neuer CEO bevorzugt.
Die Trainerfrage ist offenbar beantwortet
Die Frage nach Herthas Neuem an der Seitenlinie ist derweil offenbar schon im Vorfeld der Versammlung geklärt worden. "Ich bin sehr, sehr weit mit den Gesprächen", hatte Manager Fredi Bobic am Dienstag noch gesagt. Am Donnerstag wurde dann vom kicker vermeldet, dass sich Bobic mit Sandro Schwarz geeinigt hat. Der 43-Jährige kommt demnach vom russischen Erstligisten Dynamo Moskau. Mit dem Team bestreitet er am Sonntag noch das russische Pokalfinale gegen Spartak Moskau. In der Bundesliga war Schwarz von 2017 bis 2019 Cheftrainer des 1. FSV Mainz 05.
Felix Magath war im März als dritter Hertha-Coach in der laufenden Spielzeit engagiert worden, um den drohenden Abstieg zu verhindern. Nach der gewonnenen Relegation gegen den Hamburger SV und dem damit erreichten Klassenerhalt hatte Magath verkündet, sein Traineramt bei den Berlinern nicht verlängern zu wollen.
Sendung: rbb24, 27.05.2022, 18 Uhr