Vor Saisonfinale beim BVB - Warum Ben-Hatira Hertha vor der Relegation warnt

Mi 11.05.22 | 07:58 Uhr | Von Shea Westhoff
Archivbild: Pressekonferenz mit Änis Ben-Hatira. (Quelle: imago images/M. Koch)
Video: rbb24 | 10.05.2022 | Jörg Hellwig | Bild: imago images/M. Koch

Vor zehn Jahren spielte Hertha letztmalig Relegation. Das Duell mit Düsseldorf entwickelte sich zum Eklat. Nicht nur deswegen warnt Änis Ben-Hatira Herthas aktuelles Team vor dem Gang in die Abstiegsrunde.

"Wir haben es noch in die Relegation geschafft mit dem Sieg gegen Hoffenheim, zu Hause, ausverkauftes Haus – aber leider ohne Happy End", sagt Änis Ben-Hatira nüchtern über den Endspurt der Saison 2011/2012. Damals stieg Hertha in die zweite Fußball-Bundesliga ab.

Zunächst klingt die Erzählung des 33-jährigen Routniers vom Abstieg abgeklärt. Doch recht schnell wird klar, dass Herthas Abgesang vor zehn Jahren weitaus dramatischer anmutete, und auch dem Offensivspieler naheging.

Ben-Hatira war eine tragische Figur

Zehn Jahre nach der verkorksten Relegation droht Hertha erneut die ungeliebte K.O.-Runde gegen den Drittplatzierten der zweiten Bundesliga. Aktuell rangiert das Team von Felix Magath auf dem 15. Tabellenplatz, immerhin drei Punkte Vorsprung auf den VfB Stuttgart. Doch die Konstellation am letzten Spieltag ist für den Hauptstadt-Klub ungünstig.

Für seine mitunter artistische Spielweise liebten Herthas Anhänger Ben-Hatira, der heute beim Regionalligisten Berliner AK unter Vertrag steht. Bei der Relegation vor zehn Jahren war er drauf und dran zum Helden im Abstiegskampf zu werden - und wurde doch zu einer tragischen Figur.

Damals rettete sich Hertha am 34. Spieltag in die Relegation, durch einen 3:1-Sieg gegen TSG Hoffenheim, Ben-Hatira spielte furios, steuerte zwei Treffer bei. "Ich war jemand, der mit einem gewissen Druck umgehen konnte, umgehen musste", erinnert sich der Charakterkopf in einem Gespräch mit dem rbb vor dem Berliner Olympiastadion. "Ich habe das geliebt, diese Spannung", sagt er und dreht sich um zum Olympiastadion, mit seiner charakteristischen Säulen-Fassade. "Es ist zu einer Art Hexenkessel geworden mit den Fans."

"Die Spieler wollten teilweise gar nicht mehr raus"

Doch ausgerechnet das Hinspiel zu Hause vor knapp 70.000 Zuschauern vergeigte das Team um Ben-Hatira und die beiden Südamerikaner Rafael und Ramos: Mit 1:2 musste man sich Fortuna Düsseldorf geschlagen geben. Im Rückspiel ging es vier Tage später drunter und drüber. "Ich kann mich noch genau erinnern, als ob es gestern war", sagt Ben-Hatira. Bereits nach 40 Sekunden lag Hertha hinten. "Beister hieß, glaube ich, der Spieler", sagt Ben-Hatira - exakt, Maximilian Beister. Mit "einem Sonntagsschuss" habe der die Führung für den Außenseiter markiert.

In der Folge wütete der Bundesligist, warf sich nach vorne, Ben-Hatira persönlich sorgte per Kopfball für den zwischenzeitlichen Ausgleich. In einem rustikal geführten Spiel setzte es allein für Hertha acht gelbe Karten - und einen Platzverweis: für Ben-Hatira, der seine Mannschaft damit empfindlich schwächte. Ab der 54. Minute mussten sich seine Teamkollegen somit in Unterzahl erwehren.

"Man hat ein bisschen gespürt, der Schiedsrichter hatte ein anderes Empfinden für gewisse Situation", so erinnert sich zumindest der Offensivspieler. Referee Wolfgang Stark hatte allerdings auch eine in allen Belangen knifflige Partie zu pfeifen. Im laufenden Spiel flogen immer wieder Böller und Leuchtraketen aufs Feld. Mehrfach musste der Schiedsrichter unterbrechen. Noch vor dem Abpfiff stürmen Fortuna-Fans den Platz, die Spieler flüchten in die Katakomben, beim Stand von 2:2.

"Die Fans standen schon am Spielfeldrand”, erinnert sich Ben-Hatira. "Die Spieler wollten teilweise gar nicht mehr raus. Ich kann mich noch an unsere Südamerikaner im Team erinnern, die Respekt vor der Situation hatten."

Nach zwanzigminütiger Unterbrechung wird erneut angepfiffen, für nur zwei Minuten. Danach ist der Hertha-Abstieg perfekt.

"Hoffen wir mal nicht, dass es nicht so weit kommt"

Dieser Eklat blieb zwar eine Ausnahme in der Relegations-Historie - trotzdem rät Ben-Hatira der aktuellen Hertha-Mannschaft, diese K.O.-Tortur zu vermeiden. "Hoffen wir mal nicht, dass es nicht so weit kommt", sagt er mit einem Lächeln.

Doch die Gemengelage ist vor dem 34. Spieltag trotz eines Drei-Punkte-Polsters denkbar ungünstig für Hertha: Während Verfolger VfB Stuttgart am letzten Spieltag gegen den 1. FC Köln ein Heimspiel bestreitet, muss Hertha auswärts beim Bundesliga-Schwergewicht Borussia Dortmund antreten.

Ben-Hatira bleibt optimistisch: "Wir haben oft gute Spiele gegen Dortmund gemacht", sagt er. Einen Punkt gegen den BVB halte er definitiv für möglich. Trotzdem warnt er, dass Dortmund sicherlich versuchen wird, vor eigenem Publikum einen positiven Saison-Abschluss hinbekommen wolle - sehr zum Nachteil für die Hertha, für die es um alles geht.

Aber selbst wenn nach dem 34. Spieltag der nur Platz 16 herausspringen sollte, gibt sich Herzens-Herthaner Ben-Hatira pragmatisch: "Falls es zu einer Relegation kommt, haben die Spieler es immer noch selbst in der Hand."

Sendung: rbb24, 11.05.22, 21:45 Uhr

Beitrag von Shea Westhoff

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