Deutschlands erstes FLINTA*-Rugbyteam - "Egal wie man körperlich gebaut ist, man hat einen Platz auf dem Feld"

Der Rugby-Verein Berlin Bruisers hat wohl eine der diversesten Sportmannschaften der Hauptstadt. Das neugegründetes Team ist FLINTA*: Jede Person ist willkommen, die nicht cis-männlich ist. So will sich sich der Klub für Vielfalt einsetzen. Von Lukas Witte
Wenn man an Rugby denkt, so kommen den meisten Menschen zuerst breit gebaute Spieler in den Sinn, die mit vollem Körperkontakt um den eiförmigen Ball rangeln. Doch für eine Mannschaft aus der Hauptstadt bedeutet die Sportart noch viel mehr als das. Denn bei den Berlin Bruisers geht es vor allem um Vielfalt, Toleranz und Diversität.
Kein reines Frauen-Team
Die Bruisers haben das erste sogenannte FLINTA*-Rugbyteam Deutschlands gegründet. Das steht für Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender Personen, das Sternchen am Ende für alle, die sich nicht in eine der zuvor genannten sexuellen Orientierungen oder Geschlechtsidentitäten einordnen und mit gemeint sind. Willkommen sind also alle - außer Männer.
Für die Gründerin Rachel Schneider war diese Festlegung und Bezeichnung sehr wichtig. Sie wollte auf keinen Fall eine reine Frauenmannschaft gründen. "Wir sind nicht nur für Frauen da und andere Leute dürfen dann dazukommen, sondern wir wollen explizit alle ansprechen. Es ist wichtig, dass sich die Leute beim Rugbyspielen wohlfühlen", erzählt die gebürtige US-Amerikanerin.
Bruisers waren schon einmal Vorreiter
Auf die Idee gekommen, eine solche Mannschaft bei den Berlin Bruisers zu gründen, ist Rachel, weil der Rugbyverein aus der Hauptstadt schon einmal Vorreiter in Sachen Toleranz und Vielfalt war. 2012 gründeten sie das erste schwule Rugbyteam Deutschlands. Rachel war davon beeindruckt und schloss sich dem Verein an. "Die fanden total gut, dass ich mit dabei sein wollte und fragten mich, ob ich ein Frauenteam aufbauen würde. Aber für mich war es wichtig, dass es ein FLINTA*-Team wird. Denn Inklusion ist im Sport sehr wichtig für mich", erzählt sie.
Und tatsächlich eignet sich die Sportart Rugby perfekt für dieses Vorhaben. In einer Mannschaft spielen 15 Leute, die alle unterschiedliche Rollen auszuüben haben. Es werden schnelle, kleine, große, wendige oder kräftige Spieler:innen benötigt, um auf dem Platz erfolgreich zu sein. "Und deshalb ist Rugby so inklusiv. Egal wie man körperlich gebaut ist, man hat einen Platz auf dem Feld", sagt Rachel, die mittlerweile seit über neun Jahren Rugby spielt.
"Wir zeigen, dass es auch anders geht"
Seit März dieses Jahres gibt es die FLINTA*-Mannschaft nun, die jeden Mittwoch in Berlin-Treptow zum Training zusammen kommt und vielen der Spieler:innen einen Platz bietet, an dem sie sich wohlfühlen können. "Es gibt viele Orte, wo es nicht klar ist, ob eine nicht-binäre Person wie ich dort willkommen ist", erzählt etwa Teammitglied Noel. "Ein Team, das das aber explizit möchte, war mir sehr wichtig."
Vor allem im Sport würde es viel zu wenig Toleranz und Möglichkeiten für Menschen geben, die nicht unter die klassischen Geschlechterrollen fallen, sagt Mitspielerin Ness. "Da gibt es häufig ein Männerteam und ein Frauenteam und alles ist sehr binär. Wir zeigen, dass es auch anders geht und es diese Zweiteilung der Gesellschaft nicht braucht."
Auch im Rugby stellt das binäre Denken in den Profiligen noch immer ein Problem dar. Für Menschen, die sich nicht als männlich oder weiblich identifizieren, gibt es kaum Möglichkeiten professionell zu spielen. Der Rugby-Weltverband hätte vor kurzem Transpersonen von der Wettkampfteilnahme ausgeschlossen, erzählt Rachel. "Da muss 'weiblich' bei dir im Pass stehen, sonst bist du nicht willkommen", sagt sie.
Im Herbst startet der Ligabetrieb
Das ist bei den Bruisers anders. Und in der Regionalliga Nordost der Frauen auch. "Es gibt keine Probleme, der Frauenliga Nordost beizutreten, denn die Liga beschäftigt sich sehr viel mit Inklusion", erklärt Rachel und verweist auf eine eigene Arbeitsgruppe zum Thema.
Ab Herbst wird das neue Team am Spielbetrieb teilnehmen. Bis es in der Regionalliga losgeht, sind sie immer auf der Suche nach neuen Spieler:innen. Überall in Berlin hängen sie Plakate auf, sind auf Facebook aktiv und gehen in Bars, Clubs und zu Veranstaltungen, um auf sich aufmerksam zu machen und mehr Menschen von ihrer Sportart begeistern zu können. "Es gibt viele verschiedene Sachen, die man beim Rugby machen kann und das bringt vielleicht auch Menschen zusammen, die sonst nicht unbedingt etwas miteinander zu tun haben", erzählt Ness.
Am Ende gehe es aber vor allem darum, diversen Personen einen Raum zu geben, in dem sie sich wohlfühlen und sie selbst sein könnten und keine Angst vor Diskriminierung haben müssten, die sie sonst noch regelmäßig in der Gesellschaft erleben würden, wie die Spieler:innen berichten. "Das Thema Diversität ist kompliziert und ich weiß auch nicht alles. Man sollte einfach fragen und den Leuten zuhören. Und dann kann man etwas verändern und alle Leute können etwas mehr Spaß zusammen haben", wünscht sich Rachel Schneider.
Sendung: rbb24, 31.05.2022, 18 Uhr