Alba Berlins meisterliche Saison - Harte Arbeit und der Beitrag eines Jeden

Mit der dritten Meisterschaft in Serie hat Alba Berlin eine außergewöhnliche Saison gekrönt. Das vierte Finale in München stand dabei symbolisch für die Arbeit der Berliner und deren erfolgreiche letzte Monate. Von Jakob Lobach
Der letzte Gang des Jaleen Smith markierte den Anfang der Berliner Feierlichkeiten. 69 Sekunden waren am späten Sonntagnachmittag im ebenso vollen wie heißen Münchener Audi Dome noch zu spielen, als Alba Berlins Flügelspieler das Parkett verließ. Mit einem flächendeckend von Schweiß getränktem Trikot trat der Berliner Basketballer vom Feld - und einem Grinsen, das breiter nicht hätte sein können.
Das Empfangskommando auf der Bank: ein euphorischer Louis Olinde, ein ebenso breit grinsender Maodo Lo und der zur Umarmung bereitstehende Johannes Thiemann. Knapp anderthalb Minuten später ertönte in München die Schlusssirene und Alba Berlin hatte seine dritte Deutsche Meisterschaft in Serie endgültig sicher.
Die perfekte Reaktion
Dabei hatten die Dinge keine 48 Stunden zuvor noch ganz anders ausgesehen. Mit der vielleicht schlechtesten Saisonleistung hatten die Berliner am Freitagabend in der ausverkauften eigenen Halle den ersten Meisterschafts-Matchball im Finale gegen den FC Bayern verpasst. Bei kaltgestelltem Sekt und geladenen Konfettikanonen war man beim 60:90 gegen den bajuwarischen Rivalen chancenlos gewesen.
Nicht so am Sonntag: In München, dort wo Alba bereits in den vergangenen zwei Saisons Meister geworden war, spielten die Berliner wie ausgewechselt. Mit einem 96:81-Sieg gegen einen nun seinerseits chancenlosen FC Bayern machten die Berliner das Double aus Meisterschaft und Pokalsieg perfekt – in einem Spiel, das in vielerlei Hinsicht symbolisch für Albas außergewöhnlich gute Saison stand.
Dabei war es besagter Jaleen Smith, der das erste Bild mit Symbolcharakter lieferte. Noch am Freitag hatte Smith sich so schwergetan wie in seinen ersten Alba-Monaten. Lange hatte er nach seinem Wechsel aus Ludwigsburg gebraucht, um im für ihn neuen Berliner System anzukommen. Aber irgendwann war es ihm gelungen.
Smith wurde im Laufe der Saison zu dem Leistungsträger, den man sich bei Alba erhofft hat und der auch am Sonntag in Spiel vier ablieferte. Nach 90 Sekunden hatte der Guard im Alleingang mit zwei Dreiern Albas Ausbeute aus Spiel drei eingestellt. Vier weitere Treffer aus der Distanz ließ Smith noch folgen, aus teils abenteuerlichen Entfernungen und trotz guter Verteidigung.
Aber noch ein weiterer Berliner leistete am Sonntag einen großen Beitrag zum guten Alba-Start: Johannes Thiemann. Durchaus überraschend hatte Alba-Trainer Israel Gonzalez diesen zu Beginn des Spiels anstelle von Albas Anführer Luke Sikma aufs Parkett geschickt. Dort tat Thiemann das, was er schon seit Monaten tut: Der Forward punktete mit dem Rücken zum Korb, glänzte als Passer, verteidigte leidenschaftlich und erarbeitete sich Rebounds.
Als sich Bayerns Trainer Andrea Trinchieri beim Stand von 13:2 für Alba die Stirn rieb, als ob ihn dort eine hartnäckige Migräne plagte, hatte Thiemann sieben Punkte erzielt und die sechs Zähler von Smith vorbereitet. "Thiemann hat zehn Punkte gemacht. Wir müssen ihn stoppen", schrie Trinchieri kurz darauf in einer Auszeit. Ein weiteres Attest für den großen Anteil, den der später zum wertvollsten Spieler der Finalserie (MVP) ausgezeichnete Thiemann an Albas Erfolg hatte.

Der Faktor Variabilität
Aber auch abseits einzelner Personalien zeigte Albas Auftritt in München, warum man sich völlig verdient nun schon das dritte Jahr in Serie zum Meister kürte. Die Berliner folgten dem im Saisonverlauf gepredigten Credo ihres neuen Trainers Israel Gonzalez, das den Fokus nicht auf Siege, sondern das Verbessern von Spiel zu Spiel legt. Und Alba reagierte nahezu perfekt auf die Schmach vom Freitag. Defensiv ließen sie dem FC Bayern kaum Bewegungsspielräume.
Schnelle Rotationen, körperliche Reboundarbeit und der lange Christ Koumadje als Turm in der Zone waren das Erfolgsrezept. Vorne kombinierte Alba ein brutales Tempo mit viel Spaß am Spiel und einem Spielfluss, der sich noch am Freitag nicht einmal erahnen ließ. Alles, was die Berliner im dritten Finalspiel falsch gemacht hatten, machten sie im vierten besser. Beim Stand von 44:24 nach gut 15 Minuten schien Alba der Titel kaum mehr zu nehmen.
Ein Faktor hierfür: die Variabilität, die das Team um Kapitän Sikma auch vor der Finalserie schon ausgemacht und zu 19 Siegen in Serie geführt hatte. Sikma selbst schaltete und waltete am Sonntag mit genialen Anspielen, bei denen er seine Mitspieler mitunter nicht einmal anguckte. Maodo Lo, der sich in der besten Saison seiner Karriere in die europäische Guard-Elite gespielt hat, packte ein letztes Mal in dieser Spielzeit sein Tempo aus.
Oscar da Silva bewies, wieso er derzeit vom FC Barcelona umworben wird. Malte Delow, Albas nächstes Eigengewächs, das spätestens in dieser Saison zum gestandenen Profi geworden ist, glänzte mit mehr als nur seinem Alley-oop-Anspiel auf Koumadje. Auch der zum Saisonstart oft kritisierte Israeli Tamir Blatt zeigte mit Wunderpässen und frechen Dreiern die Bestform, zu der er in den vergangenen Wochen und Monaten sukzessive gefunden hat. "Jeder, der mitgespielt hat, hat unglaublich viel beigetragen", kommentierte Johannes Thiemann nach Spielende am Mikrofon von MagentaSport. Ein Satz, der gleichzeitig problemlos Titel der Berliner Saisongeschichte sein könnte.
Geklückter Umbruch
Und dennoch schafften es die verletzungsgeplagten Bayern, bei denen inklusive Vladimir Lucic gleich vier Leistungsträger fehlten, noch ein letztes Mal einen Funken Zweifel an Albas Souveränität aufkommen zu lassen. Ein 9:0-Lauf brachte sie im Schlussviertel nochmal auf 15 Punkte heran und hätte in vergangenen Jahren womöglich für Nervenflattern bei Alba gesorgt. Aber nicht am Sonntag. Jaleen Smith antwortete per Korbleger und Dreier und bewies gemeinsam mit seinen Teamkollegen, dass Alba es spätestens in dieser Saison gelernt hat, auch mit schwierigen Situationen noch souveräner umzugehen.
Im Grunde so, wie man auch mit den Abgängen des Sommers 2021 umgegangen ist. Einmal mehr ist es Albas Verantwortlichen um Sportdirektor Himar Ojeda gelungen, die Abgänge von Leistungsträgern à la Niels Giffey, Simone Fontecchio und Jayson Granger zu kompensieren – nicht problemlos, aber eben doch erfolgreich. Dass dabei der Abgang des zuletzt über Jahre hinweg so prägenden Trainers Aito Garcia Reneses nicht schwerer ins Gewicht fiel, war hingegen ein Verdienst von dessen Nachfolger und einstigem Assistenten.
Auf Händen getragen
So war die letzte Szene mit Symbolcharakter am Sonntag eben diesem Israel Gonzalez vorbehalten. Am Ende einer Saison mit wettbewerbsübergreifend 54 Siegen aus 81 Spielen war es der Spanier, der erst seinen Spielern ihre Medaillen umhängte und anschließend von Manager Marco Baldi und Kapitän Sikma auf Händen zur Pokalübergabe getragen wurde.
Eine Geste, die durchaus angemessen scheint, wenn man bedenkt, dass der 47-Jährige die Berliner in seiner ersten Saison als Cheftrainer weiter in der Euroleague etabliert hat, sie zu zwischenzeitlich 19 Siegen in Serie, zum Pokaltitel und der elften Meisterschaft der Vereinsgeschichte geführt hat. "Es ist unglaublich", sagte der sonst stets so gefasste Gonzalez nach der Pokalübergabe sichtlich berührt und ergänzte: "Meine Truppe ist fantastisch und so etwas kann nur gelingen, wenn man jeden Tag so hart arbeitet, wie wir es dieses Jahr getan haben."
Zumindest auf nationalem Parkett bleibt Alba das Maß der Dinge im deutschen Basketball. Drei Meisterschaften und zwei Pokaltitel haben die Berliner in den vergangenen drei Spielzeiten gewonnen. "Es ist unglaublich, wie wir die letzten drei Jahre gespielt haben", kommentierte Johannes Thiemann am Sonntag. Die Bilanz der in ihrer Philosophie eher gen Europa gerichteten Bayern im selben Zeitraum: ein Pokalsieg. Es ist eine Trophäenverteilung, die bei Alba und in Berlin nicht nur Jaleen Smith ein breites Grinsen aufs Gesicht zaubert.
Sendung: Abendschau, 20.06.2022, 19:30 Uhr