Interview | Hertha-Präsident Kay Bernstein - "Man sieht das große Monster der Erwartung auf einen zukommen"

Do 30.06.22 | 18:27 Uhr
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Der neue Hertha-Präsident Kay Bernstein (imago images/Matthias Koch)
Audio: rbb24 Inforadio | 01.07.2022 | Jakob Rüger | Bild: imago images/Matthias Koch

Kay Bernstein ist der neue Präsident von Hertha BSC und der erste ehemalige aktive Ultra, der an der Spitze eines Bundesligavereins steht. Im Interview spricht der 41-Jährige über seine ersten Tage im Amt und die kommenden Aufgaben.

rbb: Herr Bernstein, als Sie am Sonntag zum neuen Präsidenten von Hertha BSC gewählt wurden mussten Sie ein paar Mal durchpusten und sagten im Anschluss, Sie hätten noch nicht wirklich realisiert, was da gerade passiert ist. Ist es mittlerweile angekommen und konnten sie es verarbeiten?

Kay Bernstein: Mittlerweile ist es angekommen. Der Sonntag war noch sehr surreal und diffus und man fragt sich, ob man jetzt in ein schwarzes Loch fällt. Das war die Arbeit der letzten Monate. Wir haben ja nicht in der letzten Woche, sondern im März oder April angefangen, und haben uns Gedanken gemacht, mit Verein und Fans kommuniziert und unsere inhaltliche Idee skizziert und nach außen getragen. Von daher ist jetzt eher die Anspannung abgefallen und man sackt so ein bisschen in ein Loch, sieht aber auf der anderen Seite schon das große Monster der Erwartung auf einen zu kommen. Da musste ich dann Luft holen, schlafen gehen und versuchen runterzukommen. Der Montag war dann immer noch nicht gut, weil es natürlich genau so diffus war. Abends wurde dann schon leicht priorisiert und ein Plan gemacht. Seit Dienstag bin ich im Projektmanagement-Modus, mir der Prioritäten und Aufgabe klar und im Amt angekommen. Die Fußstapfen sind groß, aber ich gebe mein Bestes, dass meine kleinen Füße mit Größe 42 da vernünftig reinpassen.

Was war denn nach der Wahl am Sonntag in Ihrem Handy und Mail-Postfach los?

Ich glaube, es sind in der Summe über 2.500 Glückwünsche. Ich habe den Anspruch, jedem Danke zu sagen und jeden an der Aufbruchstimmung, die wir hier in Berlin verspüren, teilhaben zu lassen. Es wird bestimmt noch zehn Tage dauern, aber ich werde allen antworten.

Wenn Sie sagen, Sie wollen alle Nachrichten beantworten, spiegelt das ja auch wider, was Sie während der Wahlkampfphase immer gesagt haben: Kommunikation ist Ihnen wichtig. Sie sprechen auch immer davon, dass es einen Burgfrieden und Zusammenhalt geben soll. Wie soll das gelingen?

Auf unterschiedlichen Ebenen. Ich war am Montag und Dienstag gleich bei der Mitgliederbetreuung und habe mich nach dem Stand der Neuanmeldungen und Austrittsgesuche erkundigt. Dienstag hatten wir dann zehn Austrittsgesuche und 150 Neuanmeldungen. Da habe ich nach der Liste der Austrittswilligen gefragt. Ich will mit denen sprechen und verstehen, was sie dazu getrieben hat. Bis jetzt habe mit acht der zehn gesprochen und habe eine hundertprozentige Quote. Die bleiben alle dabei. Die verstehen meinen Weg und lassen sich mitnehmen. Und genau das ist es doch. Man muss mit den Leuten reden. Und auch den Burgfrieden werden wir nur mit Reden bekommen und indem wir uns mit den streitenden Parteien an einen Tisch setzen.

Es gibt sicherlich auch im Präsidium einige, die Sie kritisch sehen. Ingmar Pering und Peer Mock-Stürmer haben sich im Vorfeld für Frank Steffel ausgesprochen. Wie haben Sie die Leute am Mittwochabend auf der ersten Präsidiumssitzung erlebt und was spüren Sie für eine Stimmung innerhalb des Gremiums?

Es war so, wie bei vielen: Ängste, Zweifel und Vorbehalte am Anfang der Sitzung - und am Ende sind wir alle sehr erleichtert, glücklich und harmonisch da rausgegangen. Wir im Präsidium können die Geschichte mitschreiben und jeder kann einen Stift in die Hand nehmen und ein Teil sein. Es war wichtig, die Leute jetzt an ihre Verantwortung zu erinnern und an den Auftrag, den sie von den Mitgliedern bekommen haben. Wir können es nur gemeinsam machen. Und dann war es eine schöne Auftakt-Präsidiumssitzung, in der Vorbehalte, Zweifel und Ängste abgebaut wurden und klar wurde, dass wir es zusammen hinkriegen.

Wenn wir auf die nächste Zeit gucken, warten vielfältige Aufgaben auf Sie. Unter anderem war mal der Posten des CEO in der Geschäftsführung bei Hertha BSC besetzt. Ist das etwas, was Sie auch wieder angehen wollen oder ist die Dreier-Konstellation aus Thomas Herrich, Fredi Bobic und einem neuen Finanz-Geschäftsführer ausreichend?

Wir müssen natürlich auf die wirtschaftliche Seite gucken und da ist es schon so, dass der Apparat in den letzten Jahren durchaus ein bisschen aufgebläht wurde und ganz viele Leute da sind. Es fehlt uns ein bisschen die Fantasie, da jetzt nochmal oben draufzusatteln. Wir sind erstmal im Erfassen des Status-Quo. Ich kann mir vorstellen, dass es ohne CEO geht, indem man Verantwortlichkeiten auf mehrere Schultern verteilt, eine klare Kommunikation hat und dann ins Machen kommt. Wir müssen auch kleinere Brötchen backen. Wir sind jetzt in der Relegation nicht abgestiegen und müssen auf ganzer Linie demütig arbeiten.

Demütig arbeiten heißt natürlich auch, dass vor allem Geschäftsführer Sport Fredi Bobic gefordert ist. Gab es da schon einen Austausch mit ihm? Haben Sie auch Cheftrainer Sandro Schwarz und die Mannschaft schon kennenlernen können?

Nein, ich habe sie noch nicht kennenlernen können. Es gab aber einen Austausch. Sandro hat am Sonntag angerufen und auch mit Fredi habe ich am Sonntag gesprochen. Wir werden das in der nächsten Woche machen, aber jetzt noch nicht. Das ist auch gar nicht notwendig, weil ich will mich nicht in den Vordergrund drängen. Mir geht es darum, dass wir die Grundlage brauchen. Wir brauchen das eingeschworene Präsidium, wir müssen den Aufsichtsrat einschwören und eine Infrastruktur aufbauen, in der wir ordentlich arbeiten können.

Was sind Ihre Ziele und Wünsche bis zur nächsten Präsidiumswahl in zwei Jahren?

Ziel ist es, dass wir uns wirtschaftlich und sportlich stabilisieren und einen Kulturwandel vorleben. Da soll Hertha BSC drinstecken und nicht nur draufstehen. Und mein Wunsch ist es, hinterher nicht ganz so viele graue Haare zu haben und dass der Mut der Mitglieder aufgegangen ist. Nach den zwei Jahren werden wir noch nicht fertig sein. Wir werden sehen, ob wir auf dem richtigen Weg sind und ob wir die Chance auf etwas echtes Blau-Weißes genutzt haben.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Jakob Rüger für den rbb Sport. Für die Online-Fassung ist es gekürzt und redigiert worden.

Sendung: rbb24 Inforadio, 01.07.2022, 10.45 Uhr

18 Kommentare

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  1. 18.

    Bin Herthaner durch und durch, aber mit geht das gegenseitige anpöbeln wirklich mächtig auf die Nerven

    Beide Fanlager verschandeln unsere Stadt mit Graffitis und Aufklebern. In beiden Fanlagern gibt es linke und rechte Gruppierungen.

    Kommt mal wieder runter… Berlin kann zwei Bundesligavereine verkraften und das ist für beide Vereine vorteilhaft.

    Wäre aber schön, wenn Union jetzt dann auch wieder hinter uns liegt, also in der Tabelle.

    @Kay: Nutze deine Chance mit Demut. HaHoHe

  2. 17.

    Bernstein ist,oder war zumindest, Ultra. Und die Ultra 's haben ihn zum Sieg verholfen. Die erwarten Entscheidungen in Ihrem Sinne. Bleiben viele Fragen.
    1. Wie werden andere Bundesligisten mit Hertha umgehen?
    2. Wie geht Bernstein mit Hopp und RB um? Man bedenke die Einstellungen der Ultra 's dazu.
    3. Und wie geht Bernstein mit Windhorst um? Noch am letzten Spieltag war in der Ostkurve zu lesen, WINDHORST RAUS.
    Bin gespannt, wie er diesen Spagat meistern will.
    EISERN

  3. 16.

    Die Aktion war doch ein voller Erfolg. Leute wie Sie, erinnern Sie immer noch daran. Das ist doch schön ;-) Übrigens, das anschließende Derby hat Hertha gewonnen. Haben Sie wahrscheinlich verdrängt.

  4. 15.

    Haben Sie auch sowas wie Sportsgeist in sich? Und das mit dem Frust bei Ihnen kann man gut nachvollziehen - wenn man erleben muss, wie einem der kiez unterm Hintern weggentrifiziert wird, dann muss man alles Andere außer sich selbst hassen. Was den Blau-Weißen Irrsinn betrifft, bin ich zwar bei Ihnen, bezeichne es aber nicht als Dreck.

  5. 14.

    Also verkappte Herthafans sind in Sachen Schmierereien und Aufkleberzeugs auch nicht besser.

  6. 13.

    Das erklärt alle. Früher mit Wink Elementen am Straßenrand gestanden und sich heut über Blau-Weiße Fähnchen aufregen.
    Und dann gehören Sie bestimmt zu der Generation die noch die Ossi- Wessi Schiene fahren und sich über alles aus dem Westen beschweren. Ach ja, die gute alte Zeit. Schön wars. Aber zum zum Glück gibt's die Hertha Berichte.

  7. 12.

    Herr W. Ich lebe seit 65 Jahren in Köpenick bin Fan von Union ( alte Garde ) habe mit Jimy hoge Bier im Hauptmann getrunken nach Siegen oder Niederlage war mit vielen unionern in Prag oder Dresden zu spielen von Hertha es gab eine super Fanfreundschaft ich erinnere nur an das erste Derby nach der Wende aber was hier in Köpenick zugemüllt wird ist rot weiß , das sind nicht echte unioner übrigens gab es vor kurzem einen Unfall weil die Ampel mit Unionlogos zugeklebt war

  8. 11.

    Wenn man keine Ahnung hat am besten ruhig sein.
    Hertha hat nach der Fahnenaktion das Derby gewonnen.

  9. 10.

    Wenn man schon so viel ... schreibt, dann sollte man sich besser vorher informieren...

    Denn wenn sie mit Müll und verschandeln der Stadt die Aktion mit den 60.000 Fahnen in der Stadt meinen, dann haben sie sich etwas geirrt. Das war im Dezember 2020 und da hat Hertha das Derby ausnahmsweise mit 3:1 gewonnen.

  10. 9.

    Nun Stefan H.,
    Ich gehöre wohl noch zu den Wenigen, deren Generation zu denen gehören, die in Berlin geboren sind und in Prenzlauer Berg (nicht Neudeutsch "Prenz'lberg' schwafeln und den Fernsehturm nicht Alexturm nennen), aber, wenn ich Ihnen damit "die Laune verderbe", dass ich darauf hingewiesen habe, wieviel blau/weißer Dreck über die Stadt vom BCC vor dem Stadtderby gegen den 1. FC Union Berlin verteilt wurde, der auch noch Tage und eine Niederlage später, die Stadt verdreckte, dann tut mir das ehrlich leid, aber ändert auch nicht daran, dass der BCC wieder nur der Punktebringer für andere BL-Mannschaften sein wird.
    Daran wird auch dieser Harlekin nichts ändern.

  11. 8.

    Hallo Frank, mit der Postleitzahl sind Sie wahrscheinlich Schwabe und aufgrund Ihrer Verunsicherung durch die Reizüberflutung in der Großstadt seelisch angeschlagen. Wie auch immer, kümmern Sie sich doch mal ein wenig um Ihr eigenes Leben, anstatt nur zu versuchen anderen Leuten die Laune zu verderben.

  12. 7.

    Ich erinnere mich daran, wie der BCC die ganze Stadt mit blau-weißen Müll verschandelten, als es um ein Stadtderby ging, wo er eine schallende Klatsche bekam.
    Nur ein von 17 verlorenen Spielen, wo der Dreck noch Tage später die Stadt verunstalte.

  13. 6.

    Dieser Wedekind ist ein im Leben Unzufriedenen, der jeden Beitrag über Hertha böse kritisiert. Hat er wohl in der Schule nicht anders gelernt. Hat diese Woche schon Unsinn geschrieben.
    Lässt den Bernstein arbeiten, es kann nur besser werden, und wenn, begreift es der Wedekind vielleicht. Ich möchte nicht bei Union Präsident in der Vergangenheit kramen....

  14. 5.

    Also ich bin kein verkappter Unionfan sondern Unioner seit 50 Jahren und ich habe die Wahl von Herrn Bernstein insofern begrüßt, dass es durchaus ein Mosaikstein hin zu einer generell nahbareren Fussballkultur seitens der Funktionäre im Allgemeinen als auch dem Verständnis der Fankultur im Besonderen helfen kann. Außer für Pyro rein in die Zuschauerblöcke …!! Und womine: wenn man in der ganzen Stadt unterwegs ist, ist zu bemerken, das beim Sticker-Kleben und Sprayen die Blau-weißen vorn sind.

  15. 4.

    Es wird jedenfalls interessant, in der nächsten Saison.
    Viel Veränderungen sind angekündigt und ich bin positiv gestimmt.
    Bernstein muß jetzt zeigen, dass er nicht nur Fan sondern auch Vorsänger ist.
    Machen wir uns, nach den ganzen Veränderungen,
    auf 2-3 Stabilisierungsjahre gefasst.

  16. 3.

    Ich finde es nach wie vor gut, jemanden aus der Basis jetzt an der Spitze zu haben. Natürlich wird es viel Gemecker geben, aber vielleicht auch einen notwendigen Kulturwandel im Sportgeschäft. HA HO HE!

  17. 2.

    Ich frage mich ob verkappte Unionfans nicht genug mit beschmieren von Häusern, bekleben von Verkehrsampeln zu tun haben. Nö scheinbar müssen sie auch alles kommentieren was mit Hertha BSC zu tun hat. Ich wünsche dem neuen Präsi viel Glück und Können Hertha ist die Tradition von Berlin und wird es bleiben .

  18. 1.

    Nun, die Latte es Erfolgs liegt gar nicht so hoch.
    In der Saison gab es 17 Klatschen und einen Fast-Abstieg (wie im Jahr davor, gut, da waren es "nur" 15).
    Es geht letztlich nur darum, ob man noch mehr Spiele verliert und (endlich)absteigt. Das werden Sie wohl schaffen, Herr Präsident

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