Neues Stadion im Nordwesten des Olympiaparks - Hertha stellt Entwurf seiner "Pralinenschachtel" vor

45.000 Plätze, eine neue Form - und südamerikanisches Flair: Hertha BSC hat im Sportausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses Details zu einem möglichen neuen Stadion im Nordwesten des Olympiaparks vorgestellt.
Hertha BSC hat erstmals öffentlich die angepassten Entwürfe für sein geplantes Stadion im Olympiapark vorgestellt. Der Fußball-Bundesligist reagierte damit auf den Vorschlag von Sportsenatorin Iris Spranger (SPD), das Stadion in der nordwestlichen Ecke des Olympiaparks am Maifeld zu errichten.
Kapazität von 45.000 Zuschauern
Herthas Finanz-Geschäftsführer Ingo Schiller präsentierte die ersten Pläne am Freitag im Sportausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses. Laut der Entwürfe könnte das neue Stadion mit einer Kapazität von 45.000 Plätzen, davon 17.000 Steh- und 500 Logenplätze auf dem Areal des sogenannten "Lindeneck" an der Friedrich-Friesen-Allee gebaut werden. Bei internationalen Spielen könnten 36.500 Fans ins Stadion.
Die Kosten würden sich nach Angaben des bald scheidenden Schiller auf 250 Millionen Euro belaufen. Bezahlt werden soll es mit "geringen Eigenmitteln", einer höheren Leihe, sowie dem Rest als Hypothekendarlehen. Die Finanzierung sei absolut darstellbar, sagte Schiller - selbst wenn Hertha absteigen und mehrere Jahre in der zweiten Liga gespielt würde. Die Refinanzierung erfolge "ausschließlich durch Fußballspiele", so Schiller. Er stellte in Aussicht, dass Einahmen aus zusätzlichen Veranstaltungen im neuen Stadion dem Land Berlin zugutekommen würden, "zur Refinanzierung von Mindererlösen", vor allem im Olympiastadion. Spranger kündigte bereits an, entsprechende Verträge mit Hertha BSC abschließen zu wollen.
Engelbert Lütke Daldrup, der ehemaligen BER-Chef, wird den Verein bei seinem Bauvorhaben "in beratender Funktion" unterstützen, so Schiller.

Vorbild "Bombonera"
Anders als in den bisherigen Entwürfen wäre die Grundform nicht mehr oval: Das neue Stadion hätte eine "flache" Seite, angelehnt an das berühmte Stadion "La Bombonera" ("Pralinenschachtel") in Buenos Aires, die Heimspielstätte des argentinischen Clubs Boca Juniors, dem Herzensverein des 2020 gestorbenen Diego Maradona. "Das steht dort mitten in einem Wohnviertel und ist baulich entsprechend angepasst", sagte Schiller.
Das Berliner Pendant ist aber vor allem dem Platzmangel und den Lärmschutzbestimmungen auf dem Gelände geschuldet. Radikal neu ist nun vor allem die Südseite des Entwurfs: sie soll flacher gebaut und mit einer gigantischen Videowand ausgestattet werden, die Richtung Maifeld zeigt. Das benachbarte Maifeld soll dadurch unter dem Label "Myfield" stärker für die Öffentlichkeit geöffnet werden, etwa mit Public Viewing. Zudem sind 500 Tiefgaragenplätze geplant. Mit der weiteren Planung habe der Klub das Planungsbüro Albert Speer und Partner beauftragt.
Die Ostkurve des neuen Stadions wäre weiterhin der Bereich für die Hertha-Fans, so wie es bisher auch im Olympiastadion Tradition ist.
Landeskonservator sieht Punkte, die Bau verhindern könnten
"Ich bin davon überzeugt, dass Hertha ein Fußballstadion bekommen sollte", sagte Innensenatorin Spranger, die ankündigte, das Verfahren an sich ziehen zu wollen. Die SPD-Politikerin kündigte zu Beginn der über vierstündigen Sitzung am Freitag an, eine Steuerungs- und Projektgruppe einzuberufen, die sie leiten werde. Sie soll nach der Sommerpause im Parlament eingerichtet werden.
Vieles muss weiter besprochen, geprüft und geklärt werden. Sei es das Thema Großveranstaltungen mit hohen Lärmemissionen, die jährlich auf dem Gelände des Olympiaparks steigen würden, der Protest eines Reitvereins oder auch der Denkmalschutz. Das "Lindeneck" sei keine "Restfläche", betonte der Direktor des Landesdenkmalamtes, Christoph Rauhut. Von den aktuellen Plänen habe er erst kurz vor der Ausschusssitzung erfahren, weitere Prüfungen seien nötig. Der Landeskonservator sah durchaus auch Punkte, die einen Bau noch verhindern könnten. "Dies ist sicherlich keine behutsame Weiterentwicklung dieses Geländes, aus denkmalfachlicher Perspektive", so Rauhut.
Hertha will Synergien schaffen
Vor allem mit Blick auf die dann unklare Zukunft des Olympiastadions schlägt der Bundesligist vor, das neue Stadion mit dem Olympiastadion und der Waldbühne zusammen zu bewirtschaften, um Synergien zu schaffen und Kosten zu sparen. Die Einbußen für das Land Berlin könnten dadurch halbiert werden, so Schiller.
Allerdings gab es im Sportausschuss Zweifel, ob diese Rechnung aufgeht. Timo Rohwedder, der Chef der Olympiastadion GmbH, verwies vor allem auf die Lärmschutzbestimmungen: Die würden pro Jahr nur 23 Veranstaltungen mit außergewöhnlicher Lärmbelastung erlauben. Diese müsste sich das Olympiastadion mit dem neuen Hertha-Stadion und der Waldbühne teilen. "Wir sehen insofern keine Möglichkeit, wesentliche große Veranstaltungen durchführen zu können." Schiller entgegnete, dass Hertha in der Regel am Nachmittag spielt. "Nachmittags zum Spiel und abends zum Konzert sind problemlos möglich."
Das Problem sei allerdings komplexer, so Rohwedder: Weil die Bundesliga ihre Spielpläne erst sehr spät festlege, Konzerte und andere Veranstaltungen aber mit teilweise jahrelangem Vorlauf geplant würden, seien Konflikte zwischen beiden Spielstätten in Zukunft kaum vermeidbar.
Sendung: rbb24 Abendschau, 10.06.2022, 19:30 Uhr