Interview | WTA-Turnierdirektorin Barbara Rittner - "Berlin ist das wichtigste Vorbereitungsturnier für Wimbledon"

Do 02.06.22 | 18:27 Uhr
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Turnierdirektorin Barbara Rittner beim Doppel-Finale in Berlin im vergangenen Jahr (imago images/tennisphoto.de)
Bild: imago images/tennisphoto.de

Vom 11.-19. Juni trifft im Steffi-Graf-Stadion die Prominenz des Frauentennis beim WTA Berlin aufeinander. Turnierdirektorin Barbara Rittner spricht über den Stellenwert des Wettkampfs, die Teilnehmerinnen und die Zukunft des deutschen Frauentennis.

rbb|24: Sie sind gerade als TV-Expertin für die French Open im Einsatz. Wie blicken Sie auf das Turnier?

Barbara Rittner: Ich schaue nur noch Tennis in diesen Tagen, das ist immer sehr intensiv während eines Grand Slams. Vor allem der Viertelfinal-Tag zu Wochenbeginn war großartig. Nicht nur aus deutscher Sicht, weil Alexander Zverev gewonnen hat, sondern weil die Spiele einfach so intensiv sind. Durch den Sand ist alles ein wenig langsamer, die Ballwechsel dauern länger, das macht das Roland Garros besonders (Anm.: Name des Stadions, in dem die French Open stattfinden).

Mit Iga Swiatek, Darja Kasatkina und Coco Gauff sind gleich drei Halbfinal-Teilnehmerinnen der French Open beim anstehenden WTA in Berlin dabei. Ein Promo-Geschenk?

Nein. Bei uns in Berlin sind ja allein neun Tennisspielerinnen aus den Top-Ten der Weltrangliste dabei. Bei der Berliner Besetzung war klar, dass die Spielerinnen vorher beim Grand Slam alle eine Rolle spielen würden. Eine Martina Trevisan kommt bei uns ja nicht annähernd ins Hauptfeld rein (Anm.: die Italienerin hatte überraschend das French-Open-Halbfinale erreicht). Ich habe immer gesagt: Das Turnier in Berlin ist besetzt wie ein Grand Slam.

Welche Rolle nimmt das Turnier in Berlin im Welt-Tennis ein?

Zwischen Roland Garros und Wimbledon liegen nur drei Wochen. Und davon haben wir die mittlere Woche. Nach Paris werden sicher einige sagen, dass sie etwas Pause benötigen, gerade die, die weit gekommen sind. Dann wollen sie sich vor Wimbledon auf Rasen einspielen und sich danach wieder eine Woche erholen. Wenn man das berücksichtigt, würde ich sagen: Berlin ist das wichtigste Vorbereitungsturnier für das wichtigste Tennisturnier im Jahr, für Wimbledon. Deswegen hat es einen hohen Stellenwert.

Sie sprechen die terminlichen Aspekte an. Was ist ansonsten das besondere Kennzeichen des Turniers in Berlin?

Es hat eine jahrelange Tradition. Früher war es zwar ein Vorbereitungsturnier für Roland Garros auf Sand. Dann war 12 Jahre Pause (Anm.: 2008 fand das WTA Berlin zum vorerst letzten Mal statt, bevor es 2021 wieder ins Leben gerufen wurde). Danach hatte Emotion (Anm: eine Unternehmensberatung) die großartige Idee, es auf Rasen zu einem anderen Termin wieder aufleben zu lassen. Ich glaube, das war genau die richtige Idee, weil Berlin auch ein sehr anspruchsvolles Tennispublikum hat, das die goldenen Zeiten rund um Steffi Graf live miterleben durfte. Gleichzeitig ist die Stadt Berlin immer eine Reise wert, was bei den Spielerinnen sicherlich auch eine Rolle spielt.

Hatten Sie zuletzt noch mal Kontakt zu Angelique Kerber? Die deutsche Nummer 1 hatte ihre Teilnahme, wie sie sagte, aufgrund fehlender Wertschätzung abgesagt.

Wir stehen in Kontakt. Ich bin ja aus allen Wolken gefallen. Ich habe sie direkt kontaktiert. Ich glaube, das beruht auch auf Missverständnissen. Wir werden jetzt klären, ob noch eine Chance besteht, dass sie vielleicht doch noch in Berlin spielt.

Der Name Angelique Kerber wäre ein Zuschauermagnet gewesen sein. Welche Zugkraft hat dem gegenüber Sabine Lisicki, die nun nachnominiert wurde?

Sie wurde nicht nachnominiert, sondern sie bekommt eine Wild Card für die Qualifikation. Es ist sicherlich regional gesehen eine tolle Geschichte. Sabine war vor neun Jahren im Wimbledon-Finale. Das ist sicherlich nun schon etwas länger her. Sie ist immer wieder durch Verletzungen zurückgeworfen worden. Sie wird nun das dritte kleinere Turnier nach anderthalb Jahren Kreuzbandriss-Pause bestreiten. Jeder weiß, dass sie es liebt, auf Rasen zu spielen. Außerdem hat sie eine besondere Verbindung zu Rot-Weiß Berlin, das jahrelang ihr Heimatverein gewesen ist, wo ihr Vater Trainings gegeben hat.

In Ihrer Rolle als Bundestrainerin, wie bewerten Sie die aktuelle Situation des deutschen Frauen-Spitzentennis?

Ich sehe das alles nicht so negativ, wie es zum Teil dargestellt wird. Ich glaube, dass der Deutsche Tennis Bund in der Förderung alles richtig gemacht hat. Nur dass uns dann vier der talentiertesten Nachwuchsspielerinnen weggebrochen sind, weil sie lieber studieren wollten oder verletzt waren, damit kann man nicht rechnen. Nichtsdestotrotz ist es auch so, dass Angelique Kerber letztes Jahr noch im Halbfinale in Wimbledon stand und auch eine Andrea Petković noch unter den ersten 50 steht – die spielen also noch. Dass da eine Lücke entstanden ist, sieht man trotzdem. Der Nachwuchs ist da, er muss sich nur noch entwickeln und man darf auch nicht zu viel Druck machen. Die haben ja mit der Schule eine Doppelbelastung und viele der Nachwuchsspielerinnen legen Wert darauf, ihr Abitur zu machen, was ich auch sehr wichtig finde. Wir haben tolle Talente, die ihren Weg gehen werden. Die Messlatte ist einfach auch unheimlich hoch, weil wir jetzt diese großartige Generation hatten, wo gleich mehrere in die ersten Zehn vordringen konnten.

Welche Rolle wird Steffi Graf, die Namensgeberin der Arena und Turnier-Schirmherrin ist, beim Turnier übernehmen?

Sie wird das Turnier auf jeden Fall verfolgen. Ob sie auch vor Ort sein wird, steht noch nicht fest. Das hängt auch von ihrer privaten Situation ab, weil sie ja in Las Vegas wohnt und familiär gerade viel um die Ohren hat. Die Absicht zu kommen ist aber da, sonst hätte sie das Amt der Schirmherrin nicht übernommen. Aber es wird wohl relativ spontan entschieden werden. Trotzdem stehe ich mit ihr im Kontakt und sie weiß bestens über das Turnier Bescheid. Wir lassen uns überraschen und würden uns natürlich alle sehr freuen, wenn sie kommt.

Das Interview führte Shea Westhoff für den rbb Sport.

Sendung: Inforadio, 02.06.2022, 9:15 Uhr

1 Kommentar

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  1. 1.

    ( Anmerkung : In welchem Sender wird das Turnier übertragen ). RBB ?

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