Team-Check | 1. FC Union Berlin - Das endgültige Ende der Underdog-Rolle

Do 28.07.22 | 16:56 Uhr | Von Shea Westhoff
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Union Berlin
Bild: IMAGO/Matthias Koch

Union Berlin geht in seine vierte Saison im Fußball-Oberhaus. Bislang konnte sich die Mannschaft von Urs Fischer jedes Mal steigern - und diesmal? Worauf es bei den Köpenickern ankommen wird. Von Shea Westhoff

Das Überraschungsmoment ist aufgebraucht, nach Jahren im Underdog-Modus hat die Fußball-Bundesliga Union Berlin nun endgültig auf dem Zettel. In Köpenick beharren sie trotzdem auf ihren Status des Unterlegenen. Offizielles Ziel: Klassenerhalt. Vor der ersten Pflichtaufgabe der neuen Spielzeit im DFB-Pokal gegen den Chemnitzer FC (Montag, 18 Uhr) stellt sich die Frage: Was ist tatsächlich drin für Union Berlin in der neuen Saison – und wie ist man dafür aufgestellt?

So lief die vergangene Saison

Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet das Berliner Olympiastadion einmal zum Symbol einer weiteren Köpenicker Überraschungs-Saison werden würde? Normalerweise trägt Stadtrivale Hertha BSC dort seine Heimspiele aus. Für die Conference League mussten die Köpenicker dorthin umziehen, weil das heimische Stadion an der Alten Försterei den Uefa-Anforderungen nicht genügte (was sich nach den neuen Regularien des europäischen Fußballverbands jedoch ändern könnte).

Das Team von Urs Fischer zeigte im Europapokal couragierte Leistungen, verpasste den Einzug in die Finalrunde denkbar knapp, weil im letzten Gruppen-Heimspiel gegen Slavia Prag das Siegtor nicht fiel (1:1). Im DFB-Pokal siegten sich die Unioner derweil von Runde zu Runde - und fast hätte das Team erneut ein großes Spiel im städtischen Olympiastadion eröffnet: durch den Einzug ins Pokalfinale, das traditionell dort ausgetragen wird. Doch im Halbfinale gegen RB Leipzig war letztlich Schluss.

Das Bundesliga-Hauptstadt-Derby im Olympiastadion gewannen die Unioner indes nicht nur – sie demütigten Hertha mit einem 4:1-Sieg regelrecht. Im Ligabetrieb roch es für die Köpenicker lange gar nach einer Champions-League-Platzierung, am Ende trennte Union ein Punkt von den viertplatzierten Leipzigern. Es war wohl auch dem überraschenden Abgang von Offensivlenker Max Kruse im Winter gerschuldet, dass Unions Angriff in der Rückrunde ein ums andere Mal zu ideenlos blieb, um in der Bundesliga eine noch größere Sensation zu landen.

Wer kommt, wer geht

Die Unioner Überraschungsmomente wirken nach den sich Jahr für Jahr überbietenden Sensationen fast schon eingepreist. Die Grundlage dafür liefert nicht zuletzt die Transferpolitik von Manager Oliver Ruhnert, der mit den zur Verfügung stehenden Mitteln einen breit aufgestellten Kader mit einer stets verblüffenden Dichte an Qualität zusammenzustellen weiß.

Die Frage ist nun, wie Union nach den Winter-Abgängen von Kruse und Marvin Friedrich nun zusätzlich die Abschiede des vielumworbenen Stürmers Taiwo Awoniyi (Nottingham Forest) sowie des Schlüsselspielers im Mittelfeld, Grischa Prömel (TSG Hoffenheim), verkraften wird. Zusätzlich fällt Timo Baumgartl weiter aus: Der Abwehrspieler will sich nach seiner Hodenkrebs-Diagnose sowie der anschließenden Chemotherapie und Operation wieder zurück auf den Platz kämpfen.

In der Abwehr konnte mit dem 23-jährigen Diogo Leite ein Zugang präsentiert werden, der für den neuen Status der Köpenicker in Europa steht: Nicht lange her, da wäre ein Spieler mit seinen Ambitionen wohl nicht an die Wuhle gewechselt. Der Innenverteidiger kommt vom FC Porto auf Leihbasis, will sich in Köpenick für noch profilieren – wenn möglich sogar fürs potugiesische Nationalteam bei der WM in Katar.

Der Abgang von Awoniyi soll durch den US-Amerikaner Jordan Siebatcheu adäquat ersetzt werden. Und genau beim Aufeinandertreffen mit Awoniyis neuem Klub Nottingham Forest in der Vorbereitung gab der 26-Jährige eine Kostprobe seines Strafraum-Instinkts, als er im Sechzehner zwei Bewachern entwischte und eine Hereingabe von Becker zum entscheidenden Treffer verwertete.

In der Offensive will Urs Fischer zudem U21-Nationalspieler Jamie Leweling weiter aufbauen. Beim Absteiger Greuther Fürth kam er in der Vorsaison auf fünf Treffer, mit vier Millionen Euro ist er der drittteuerste Spieler der Klubgeschichte. Ob er bei Union seinen Durchbruch schafft, ist offen. Im zentralen Mittelfeld soll der Norweger Morten Thorsby Grischa Prömels Leerstelle ersetzen, er kam für drei Millionen Eruo von Samdoria Genua.

Oliver Ruhnert zeigte sich zufrieden mit den Zugängen: "Uns ist bei den Zugängen das gelungen umzusetzen, was wir uns vorgestellt haben", sagte er im klubeigenen Online-TV-Format. "Wir haben Perspektive gewonnen mit ein paar jungen Spielern, wir haben erfahrene Spieler dazu geholt."

Der Trainer

Seit Urs Fischer 2018 das Ruder bei Union übernommen hat, konnte sich der Verein in jedem Jahr verbessern. Zunächst der Aufstieg, dann Platz elf in der Bundesliga-Debüt-Saison, danach jeweils die Europapokal-Qualifikation mit den Plätzen sieben und fünf. Es gelingt ihm in den meisten Fällen, auch gegen hochfavorisierte Gegner eine passende Reaktion zu finden.

Der gelassene Schweizer hat es trotz der hohen Spielerfluktuation außerdem stets geschafft, die Mannschaft zu einer Einheit zu formen und gleichzeitig einzelnen Spielern zu Glanz zu verhelfen: Nico Schlotterbeck, Marvin Friedrich, Taiwo Awoniyi, um nur einige Beispiele zu nennen – ihnen gelang unter Fischer der Durchbruch. Doch der 56-Jährige fordert auch einiges. "Es war die härteste Vorbereitung, die ich je hatte", sagte Stürmer Sven Michel am Mittwoch rbb|24. "Aber ich fühle mich auch so fit wie nie zuvor."

Erwartungen an die Saison

In der abgelaufenen Spielzeit meisterte Union Berlin eine Dreifachbelastung mit Bravour – die diesjährige dürfte noch komplizierter werden: Bis zur WM in Katar im November ist der Spielplan nur so gespickt mit englischen Wochen. Das Erwartungs-Management in Köpenick ist dabei clever: Auch bei einer Niederlagenserie wird man dort nicht ins Schwitzen geraten, erklärtes Ziel bleibt der Klassenerhalt.

Trotzdem müssen die Köpenicker durch die Erfolge aus den Vorjahren zunehmend damit rechnen, bei weiten Teilen des Spielplans nun als Favoriten aufs Feld zu gehen – selbst in der Gruppenphase der Europa League, je nach Konstellation (Auslosung am 26. August). Wie die Mannschaft mit dem neuen Status umgeht, wird den Verlauf der Saison maßgeblich beeinflussen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 28.07.2022, 16:15 Uhr

Beitrag von Shea Westhoff

7 Kommentare

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  1. 7.

    Ich denke mal Union hat jetzt sehr gute Spielzeiten hingelegt .Respekt vor der tsportlichen Leistung !Ob man da nun Favorit ist oder nicht . Bleibt die Leistung so ,werden viele Teams merken das man dieses Team nicht unterschätzen darf , weil dann schlägt Union gnadenlos zu .

  2. 6.

    Ach ja, ich habe noch Bochum vergessen, womit wir schon bei acht Vereinen wären denen gegenüber der FCU als Heimfavorit gelten dürfte.

  3. 5.

    Super Entwicklung von Union, da freut man sich auf die kommende Saison! Bei uns in der Firma (12 Unioner und 5 Herthaner) sind schon alle ganz wuschig ob des Ligastarts und der Wetttopf wird immer fetter weil sich alle gegenseitig überbieten mit ihren Tipps, herrlich. :)

  4. 4.

    Willkommen im Club der Millionäre

  5. 3.

    Zitat: "Von den 34 Ligaspielen wird Union höchstens zuhause gegen Schalke und Bremen favorisiert sein . . ."

    Haben Sie sich mal die Heimbilanz des FCU der letzten Jahre angeschaut? Neben den von Ihnen erwähnten Schalke und Bremen können Sie noch mindestens Hertha, Stuttgart, Köln, Mainz und Augsburg in die Liste der Spiele aufnehmen, bei denen der FCU als Favorit gehandelt wird.

  6. 2.

    Bei allem Respekt an den Autor*in, aber wann bitte soll Union bitte konkret Favorit sein?
    Platz 5 heisst noch lange nicht, das man alle weghaut und zwangsläufig in die CL einzieht.

    Von den 34 Ligaspielen wird Union höchstens zuhause gegen Schalke und Bremen favorisiert sein, alle anderen 32 Spiele sicher nicht und bei (mindestens) 6 internationalen Spielen vom Favoriten 1.FC Union Berlin zu sprechen wäre sehr vermessen.

  7. 1.

    Urs Fischer hat es anscheinend echt raus. Hoffentlich bleibt er in Berlin. Freue mich auf die neue Saison mit Union und Hertha...

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