Prominentes Vorbild aus Los Angeles - Wie Drittligist Viktoria Berlin es in die Frauen-Bundesliga schaffen will

Sechs Gesellschafterinnen, darunter die ehemalige Nationalspielerin Ariane Hingst, wollen das Frauenteam von Viktoria Berlin in die Bundesliga führen. Vorbild ist ein prominent unterstützter Klub aus Los Angeles. Von Stephanie Baczyk
Barbara "Charly" Streuffert steht auf der roten Tartanbahn des Mommsenstadions und gestikuliert. Die lockigen, brauen Haare kurz geschnitten, ist sie schon von Weitem zu hören mit ihren Anweisungen - und dank der auffälligen Neonfarben der weiten Blouson-Sportjacke auch zu sehen.
Streuffert trainierte in den Neunzigern das Bundesliga-Frauen-Team von Tennis Borussia, ist bis heute eine Ikone bei TeBe. Jahre später, 2010, stieg der Klub ein letztes Mal aus der höchsten deutschen Spielklasse ab. Seitdem hat es kein Berliner Verein mehr in die Frauen-Bundesliga geschafft. Das soll sich in den kommenden Jahren ändern.
"Frauen-Fußball noch mal aufgewertet"
"Es kann nicht sein, dass wir keinen Bundesligisten haben", sagt Ariane Hingst. In Berlin geboren, ist die Ex-Nationalspielerin Teil eines etwas anderen Projekts. Als eine von sechs Gesellschafterinnen wird sie ab diesem Sommer die Frauen von Viktoria Berlin fördern. Mit dem Ziel, den Regionalligisten aus der dritthöchsten Spielklasse langfristig sportlich ganz oben zu etablieren. Dafür hat der Klub aus Lichterfelde Anfang Juni der Ausgliederung der Frauenabteilung in eine eigene Fußball-GmbH einstimmig zugestimmt, nach über einem Jahr Austausch.
"Das bedeutet, dass das Thema Frauen-Fußball inhaltlich noch mal aufgewertet wird, mehr Wertschätzung erfährt und dementsprechend als eigenes Unternehmen fungieren kann", ist sich Viktorias Geschäftsführer Peer Jaekel sicher. "Sicherlich ein Konstrukt, das es in Deutschland noch nicht so oft gegeben hat. Die letzten Wochen und Monate haben gezeigt, wie der Fußball der Frauen im Kommen ist. Wenn man die Champions-League-Spiele sieht, vor was für Kulissen da gespielt wurde, ist das schon schlichtweg beeindruckend gewesen. Das befüttert natürlich so eine Vision."
Die Frauen des VfL Wolfsburg, amtierende Pokalsiegerinnen und Deutsche Meisterinnen, haben ihr Halbfinal-Hinspiel in der Königsklasse beim FC Barcelona zuletzt vor 91.000 Fans bestritten.
Angel City: Ein Klub von Frauen für Frauen
Katharina Kurz erinnert sich noch genau an den Moment, als sie und ihre Freundin und Kollegin Felicia Mutterer zum ersten Mal vage über ein mögliches Projekt im Frauen-Fußball gesprochen haben. "Das war vor ziemlich genau zwei Jahren, als die Nachricht der Neugründung von Angel City über alle Kanäle schwappte", sagt die Frau mit den langen braunen Haaren. "Und wir fanden diese Idee toll. Etwas netzwerkbasiert aufzubauen".
Der Klub Angel City FC aus den USA, dem sich unter anderem die deutsche Nationaltorhüterin Almuth Schult zur neuen Spielzeit anschließt, ist einer von Frauen für Frauen. Hollywoodstar Natalie Portman ist die Initiatorin, international bekannte Schauspielerinnen wie Eva Longoria oder Jennifer Garner, sowie Sportlerinnen wir Tennisprofi Serena Williams und die ehemalige Skirennläuferin Lindsay Vonn sind Miteigentümerinnen des Fußball-Start-ups.
Sie alle kämpfen unter anderem für finanzielle Gleichberechtigung, für mehr Fairness. Denn nach wie vor verdienen die US-Fußballerinnen weniger als ihre männlichen Kollegen - obwohl sie sportlich weitaus erfolgreicher sind, mehrere Weltmeistertitel geholt haben und in ihrem Land die Massen begeistern. Womit wir wieder beim Thema Wertschätzung wären.
In der 2. Frauen-Liga zahlen Spielerinnen ihre Fahrten
"Ein ganz großer Punkt ist das Thema Bezahlung von Frauen im Sport", sagt Katharina Kurz. "Da ist es auch falsch, jetzt sofort 'Equal Pay' zu schreien, weil wir einfach so eklatante Unterschiede in der Aufmerksamkeit und der Vermarktung haben. Auch wenn das in den USA vielleicht noch mal was ganz anderes ist." Aber Frauen in der Regionalliga, dem Äquivalent zur dritten Liga der Herren, bekämen gar kein Geld. "Da zahlt man noch seine Mitgliedschaft", fügt sie an.
Auch in der zweiten Liga seien Aufwandsentschädigungen für die Fahrtkosten normal, selbst in der Bundesliga müssen Spielerinnen parallel zum Fußball noch einem anderen Job nachgehen und sich Gedanken machen, wie es nach der aktiven Karriere weitergeht.
Die Fußballerinnen von Viktoria sollen künftig mit Verträgen ausgestattet werden. "Dass sie zumindest über die Berufsgenossenschaft versichert sind", so Kurz. "Das ist ja auch ein großes Thema. Du betreibst Sport auf einem hohen Niveau, und wenn Dir was passiert, dann bist Du für manche Leistungen nicht mal versichert."
Ein Verein, der die Strukturen schon hat
Kurz und Co. hätten sich auch bei einem anderen Verein in der Hauptstadt vorgestellt, gepasst hat es am Ende bei und mit den Himmelblauen von Viktoria. "Aber auch uns war klar, es muss jemand kommen von draußen, um den Frauen- und Mädchenfußball noch gezielter zu unterstützen", ordnet Viktorias Sportdirektor Rocco Teichmann die künftige Zusammenarbeit ein. "Wirtschaftlich wie auch mit einer Expertise, wo und wie man Spielerinnen, Trainer und Trainerinnen akquiriert. Da sind Gesellschafterinnen, die wirklich auch daran interessiert sind, dem Fußball der Frauen ein bisschen mehr Wertigkeit zu geben, aber parallel Viktoria Berlin davon partizipieren zu lassen."
Während sich das Vorbild aus den USA, Angel City FC eine Lizenz gekauft hat und direkt in der höchsten Spielklasse an den Start gehen konnte, beginnt Viktoria in der Regionalliga. "Da sind wir viel reglementierter in Deutschland", sagt Kurz. "Und wenn wir jetzt wirklich komplett neu gegründet hätten, hätten wir in der Kreisklasse anfangen müssen." So habe man sich einen Verein gesucht, der Lust auf die Idee und bereits die entsprechenden Strukturen hat. "Wo die erste Frauen-Mannschaft schon relativ weit oben ist, dass wir diese ausgründen und quasi übernehmen und selbstständig unabhängig managen dürfen."
Die Pläne sind mutig und konkret, die sechs Gesellschafterinnen unterschiedlich in ihrer Ausrichtung. Katharina Kurz kümmert sich darum, das Netzwerk rund um die Fußballerinnen der Himmelblauen zu erweitern und Sponsoren ran zu holen, die bewusst die Frauen unterstützen wollen. "Damit dieses Projekt am Ende auch wirtschaftlich funktioniert", sagt sie.
Ariane Hingst, hauptsächlich für den Deutschen Fußball-Bund tätig, wird sportlich beratend tätig: "Wir wollen, dass da etwas wächst. Wir wollen die Menschen mitnehmen, die aus Berlin und der Region."
"Was rauskommt, weiß nur die Zukunft"
Mit der neuen Saison startet die Zusammenarbeit, der neue Chef-Trainer oder die neue Chef-Trainerin soll in den kommenden Tagen vorgestellt werden. In den nächsten vier bis fünf Jahren wollen die Planerinnen in der Bundesliga ankommen, sich Schritt für Schritt entwickeln.
Zunächst sollen die Strukturen für die Frauen verbessert werden. Aktuell trainiert das Team auf drei verschiedenen Plätzen - unter anderem in Lichterfelde. Die Gesellschafterinnen wünschen sich Kontinuität. „Ich glaube, dass in Berlin wirklich Großes möglich ist“, schiebt Hingst noch hinterher. "Es wird eine spannende Reise, aber was am Ende rauskommt, weiß nur die Zukunft."
Sendung: rbb24 Inforadio, 06.07.2022, 11:16 Uhr