Interview | Rugby-Nationalspieler Chris Umeh - "Wir wollen der Welt zeigen, dass Deutschland bereit ist für die große Bühne"
Bei der Weltmeisterschaft im Siebener-Rugby Anfang September nimmt erstmals ein deutsches Team teil. Mit dabei ist dann auch der Berliner Chris Umeh. Dessen Ziele sind mindestens so klar umrissen wie sein Anforderungsprofil.
rbb|24: Chris Umeh, zusammen mit der deutschen Nationalmannschaft haben Sie sich für die Anfang September in Südafrika stattfindende Weltmeisterschaft im Siebener-Rugby qualifiziert. Es ist die erste Teilnahme einer deutschen Mannschaft bei einer Rugby-WM überhaupt. Was hat den Ausschlag gegeben, dass es dieses Mal geklappt hat?
Chris Umeh: Wir hatten eine gute Vorbereitung und mit Philip Snyman einen guten neuen Trainer aus Südafrika. Seine Einblicke, sein Training haben uns sehr gut getan. Wir haben ein neues Spielsystem, sind mit sehr viel Selbstbewusstsein reingegangen in das Qualifikationsturnier und dann hat die Team-Chemie einfach gestimmt.
Die Nationalmannschaft nennt sich selbst "Wolfpack".
Wir sind wie ein Rudel, immer zusammen, keiner wird im Stich gelassen. Früher hatten wir auch so ein Spielsystem, dass einer jemanden gejagt hat und dann sind wir alle auf ihn drauf gegangen. Das hat jetzt nicht so gut geklappt … aber wir behalten unseren Namen dennoch.
Für welche Art von Rugby steht das Rudel heute?
Viel Disziplin, viel Einsatz, viel Herz. Und Kommunikation ist uns sehr wichtig.
Bei so viel Zeit, wie Sie miteinander verbringen, sollte die auch passen.
Das ist ein großer Vorteil, den wir haben, dass die meisten von uns am Olympia-Stützpunkt in Heidelberg sind und wir fast jeden Tag miteinander trainieren können. Andere Teams treffen sich erst ein, zwei Wochen vor den Turnieren. Wir sind eine Familie auf dem Platz.
Vom 9. bis 11. September findet die Weltmeisterschaft in Kapstadt statt. Mit welchen Zielen gehen Sie diesen Familienausflug an?
Wir wollen der Welt zeigen, dass Deutschland bereit ist für die große Bühne. Ich glaube, wir haben den Sprung geschafft hin zu den Top-Ländern, zu den ganz krassen Teams wie Neuseeland, Irland, Argentinien. Wir wollen zeigen, das wir da jetzt auch mithalten können. Vor 60.000 Leuten.
In Südafrika ist Rugby eine große Nummer. Ist das für Sie eine Extra-Motivation, vor so vielen Zuschauern aufzulaufen?
Auf jeden Fall! Das ist ein Traum, der wahr wird. Ich wollte schon immer mal vor so vielen begeisterten Menschen spielen, die den Sport einfach lieben und die sich freuen, mich spielen zu sehen. Das ist unglaublich. Außerdem glaube ich: Je mehr Leute zuschauen, desto besser spiele ich.
Was werden die Südafrikaner denn zu sehen bekommen? Sie sind 1,97 Meter groß, bringen um die 100 Kilogramm auf die Waage. Der quirlige Haken-Schläger sind Sie damit vermutlich eher nicht.
Viele meiner Team-Kollegen nennen mich "Bum-Bum". Mein Signature-Move war früher: in die Leute rein, die umrotzen. Normalerweise braucht es mehrere Leute, mich zu tackeln, also zu Boden zu bringen. Und wenn ich dann im richtigen Augenblick den Ball passe, haben wir eine Überzahl. Dann können wir mehr attackieren, haben mehr Raumfreiheit und können punkten.
Und defensiv?
Ich bin auch ein guter Verteidiger. Für meine Größe und Masse bin ich, finde ich, auch relativ schnell. Aber vor allem bin ich ein guter Ball-Träger. Das ist mein idealer Job. Auf der Außenseite warten, bis ich den Ball krieg’, volle Kanne Schnelligkeit, Power.
Power, Masse, Bum-Bum... Da scheinen Verletzungen vorprogrammiert. Hat es Sie mal so richtig erwischt?
Meine Elle und Speiche waren fast komplett durch. Aber das war in meinen jüngeren Jahren. Da hat man an gar nichts gedacht, da hat man einfach gespielt.
Sie tun das seit Ihrem achten Lebensjahr. Damals sind Sie im Rahmen einer Schul-AG zum Berliner Rugby-Club gekommen. Wann wussten Sie: Das will ich mein Leben lang machen und zwar so professionell wie möglich?
Mit acht. Ich hatte den Ball in der Hand, bin gerannt. Es war einfach da.
Inzwischen sind Sie 21, leben seit zwei Jahren in Heidelberg und trainieren am dortigen Olympia-Stützpunkt. Wie finanzieren Sie dieses Leben?
Bisher durch die Sporthilfe. Demnächst werde ich Sportsoldat.
Um Vollzeit Rugby spielen zu können?
Ich habe letztes Jahr meine Fachhochschulreife fertig gemacht und fange im Oktober ein Studium an. Psychologie.
Vor dem Studium steht allerdings die Weltmeisterschaft in Kapstadt. Wird da auch Zeit bleiben, die Stadt zu erkunden?
Wir sind eine Woche da und haben einen Tag Zeit, die Stadt anzugucken. An zwei, drei Tagen wird es nur leichtes Training geben. Auch dann kann man abends vielleicht rausgehen mit den Jungs, bisschen die Stadt angucken.
Und Trainer Philip Snyman gibt den Reiseführer?
Bei unseren Reisen gibt es immer Aufträge für die ganze Woche. Manche tragen das Equipment, einer kümmert sich um die Musik und einer muss eine Präsentation halten über die Stadt und das Land. Wir müssen ja auch den Intellekt ein bisschen fördern.
Welche Rolle haben Sie inne?
Ich durfte auch einmal eine Präsentation machen . Die war sehr witzig. Ansonsten bin ich aber eigentlich immer der Equipment-Träger. Die Jüngeren müssen meistens schleppen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Ilja Behnisch.
Sendung: rbb24, 27.07.2022, 22 Uhr