Deutscher Wrestling-Champion "Toni Tiger Harting" - "Es ist ein bisschen wie 'Gute Zeiten, schlechte Zeiten'"

Sa 16.07.22 | 18:54 Uhr | Von Ilja Behnisch
Der Berliner Wrestler Toni Harting 2022. (Quelle: privat)
Bild: privat

In den USA füllt Wrestling große Hallen und lockt Millionen Menschen vor die Bildschirme. Doch auch in Deutschland wird auf hohem Niveau so getan als ob. Mittendrin ist einer, der im echten Leben Schutzpolizist ist und dem es gefällt, im Ring ausgebuht zu werden.

Glaubt man einer Vielzahl von Hollywood-Filmen, teilen sich Polizisten in Verhör-Situationen gern einmal in verschiedenen Rollen auf. "Good cop, bad cop" nennt sich das Prinzip oder auf Vulgär-Deutsch: Guter Bulle, böser Bulle. Einer, der gleich beide Rollen übernehmen könnte, heißt Toni "Tiger" Harting. Wobei das nicht der bürgerliche Name des 35-jährigen Berliners ist. Aber Harting, Spitzname "Die perfekte Naturgewalt", ist eben nicht nur Schutzpolizist, sondern auch Wrestler und dabei amtierender "World Champion" der "German Wrestling Federation" (GWF).

Zwischen Schauspiel und Spitzensport

Die Schaukampf-Sportart mit den abgesprochenen Fight-Ausgängen und Storylines ist vor allem in den USA populär und dort zumindest in Sachen Einschaltquoten ein Volkssport. Als sie Ende der Neunziger, Anfang des neuen Jahrtausends auch in Deutschland ihre Anhänger-Scharen fand, hockte auch der damals zwölfjährige Harting mit seinen Freunden vor dem Fernseher und fieberte mit. Heute sagt er: "Es geht in erster Linie darum, Leute zu unterhalten. Wir nehmen sie mit auf eine Reise." Es sei ein bisschen wie "Gute Zeiten, Schlechte Zeiten", der Daily-Soap-Dauerbrenner, nur eben mit Ringkampf-Einlagen.

Und so verwundert es nicht, dass viele US-Stars der Wrestling-Szene irgendwann entwachsen und auch in Hollywood Fuß fassen. So wie Dwayne "The Rock" Johnson etwa, der längst zu den größten Hollywood-Stars überhaupt zählt. Und auch Toni Harting träumte einst von der Schauspielerei, bewarb sich sogar an der Ernst-Busch-Schauspielschule, ehe er auf Polizist umschwenkte.

Der Einstieg ins Wrestling hingegen geriet deutlich später. Ein Freund nahm ihn im Januar 2015 mit zum Training der GWF in Berlin-Neukölln. Er habe dann erstmal gegen "sechs Leute auf einmal ringen" müssen, um zu beweisen, "dass ich da körperlich halbwegs Stand halten kann." Der durchtrainierte Polizist, der zudem seit seinem 15. Lebensjahr den Kampftanz Capoeira ausübt, konnte. Und blieb.

Bunt gemischtes Publikum

Dass er Polizist sei, hätte dabei niemanden gestört, auch, weil "wir alle ein gemeinsames Ziel haben." Ein Wettbewerb sei das Wrestling dennoch, "weil jeder Wrestler am besten unterhalten will", so Harting: "Du musst Schauspieler und Top-Athlet sein, um ganz nach oben zu kommen." Ein Jahr und drei Monate habe es damals bei ihm gedauert, ehe aus dem ersten Training der erste Auftritt wurde. Andere brauchen Jahre. Und trotzdem fühlte sich auch Naturtalent Harting "ins kalte Wasser" geworfen. Die Aufregung, vor Publikum zu agieren - "bis man da richtig reinkommt, braucht man den ein oder anderen Kampf."

Seit vergangenem Monat nun ist er also "World Champion" der GWF. Zusammen mit der in Essen beheimateten "Westside Extreme Wrestling" (WXW) stellt die GWF die größte einer Vielzahl sogenannter Ligen, die letztlich vor allem Veranstalter sind. So lädt die GWF regelmäßig einmal im Monat in den Festsaal Kreuzberg, der dann zum "Catchsaal" Kreuzberg wird. Die Abende firmieren unter Titeln wie "Summer Smash 7", "Showdown 22" oder "Battlefield 2022" [gwf-wrestling.com]. 400 bis 500 Zuschauer sind vor Ort und bilden ein bunt gemischtes Publikum. Vom Studenten, der sich die Show mit der gebührenden ironischen Distanz ansieht, bis zum eingefleischten Fan, der in Kenntnis über Toni Hartings Anstellung bei der Polizei ein "Anzeige ist raus" in den Saal ruft.

Amerika muss nicht sein

Harting freut sich darüber. Und über jede Beleidigung und Missgunst-Bekundung obendrein. Denn Harting ist ein "heel" und kein "face", wie es im Wrestling äquivalent zum "good cop, bad cop" aus Hollywood heißt. Ein Bösewicht also und mithin eine Rolle, die er genießt: "Wenn die Leute mich ausbuhen, ist das die Aufmerksamkeit die ich brauche und für mich die Bestätigung, dass ich alles richtig mache."

Zudem sei die "Entwicklung der Storyline und Charaktere ein Miteinander", so Harting, der im persönlichen Gespräch alles andere als böse wirkt. Ganz im Gegenteil. Harting lacht viel und erzählt etwa voller Freude davon, im Zuge des Corona-Lockdowns mit dem Gitarre spielen begonnen zu haben. Nach der Wrestling-Karriere sei er "Feuer und Flamme, in einer Band einzusteigen."

Doch bis dahin heißt es weiterhin fünf Mal die Woche trainieren. Um dann im Ring die perfekte Symbiose von Unterhaltung und Athletik bieten zu können. Die Musik machen dabei andere. So wie am 17. Juli, bei Hartings "Champions-Feier". Er habe sich eine Band eingeladen, es soll Sekt geben. Aber vermutlich müsse er seinen Titel dann auch verteidigen, so Harting. Den Sprung nach Amerika, ins Wrestling-Mekka, brauche er übrigens nicht unbedingt. Er sei mit seinem sozialen Gefüge sehr glücklich: "Für mich spielt das keine Rolle. Wenn sie mich fragen, dann … dann kann man natürlich drüber reden." Der Kampfname immerhin wäre schnell zur Hand: bad cop.

Sendung: rbb24 Inforadio, 16.07.2022, 19:15 Uhr

Beitrag von Ilja Behnisch

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