Interview | Eintracht-Frankfurt-Reporter Philipp Hofmeister - "Hertha ist für mich ein Mysterium"

Do 11.08.22 | 11:32 Uhr
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Suat Serdar (Hertha BSC Berlin, links), Ajdin Hrustic (Eintracht Frankfurt, mittig) und Marc Oliver Kempf (Hertha BSC, rechts). (Quelle:imago/Engler)
Bild: imago/Engler

Hertha BSC trifft am Sonnabend mit Eintracht Frankfurt auf einen Verein, der zuletzt den Titel in der Europa League feiern konnte. Ein Interview mit Eintracht-Reporter Philipp Hofmeister (ARD) über die positive Entwicklung eines Traditionsvereins und was die Herthaner daraus lernen können.

rbb|24: Herr Hofmeister, wie schätzen Sie die Form und den Kader der Eintracht in dieser Saison ein?

Philipp Hofmeister: Also bis zum Eröffnungsspiel gegen die Bayern waren sowohl Kader als auch Form richtig gut. Ich war beim Trainingslager mit dabei und habe zu diesem Zeitpunkt noch nie eine Eintracht-Mannschaft gesehen, die so gut Fußball gespielt hat und auch atmosphärisch so stabil gewirkt hat und so viel Spaß hat.

Die haben den Schwung aus der Europa-League-Euphorie über den Sommer hinweg mitgenommen. Deswegen war es gegen die Bayern dann doch ein bisschen heftiger, als viele es erwartet hatten. Manche hatten sogar über ein Duell auf Augenhöhe spekuliert. Die Bayern waren sehr gut, das muss man sagen. Aber die Eintracht war in der ersten Hälfte auch sehr schlecht. Und wenn dann beides zusammenkommt, dann kann es gegen München auch mal unschön werden und genau so war es dann auch.

Zur Person

Philipp Hofmeister ist Sportreporter und arbeitet beim Hessischen Rundfunk (hr).

Seit 2011 kommentiert er regelmäßig in der ARD-Bundesligakonferenz Spiele von Eintracht Frankfurt und Darmstadt 98 im Hörfunk.

Außerdem ist er Host des Eintracht-Frankfurt-Videopodcasts "Fußball 2000".

Die Eintracht hat im Sommer den WM-Helden von 2014 Mario Götze verpflichtet. Wie wurde dieser Transfer in Frankfurt aufgenommen?

Sehr positiv. Es ist eine Auszeichnung und eine Bestätigung für die Arbeit der Eintracht und die Erfolge in den letzten Jahren. Dass so ein guter und talentierter Fußballer wie Mario Götze mal nach Frankfurt kommt, da hätte man vor fünf Jahren jeden für verrückt gehalten, der das in den Raum gestellt hätte. Jetzt ist er tatsächlich da und hat sich super eingelebt. Er gibt sich in der Stadt sehr volksnah. Und ich habe ihn auch noch nie körperlich so gut in Schuss gesehen. Er ist wirklich extrem austrainiert und du siehst in jeder Einheit, dass er über eine gewisse fußballerische Intelligenz verfügt, dass er bestimmte Räume sieht und er Bälle spielen kann.

Seit dieser herausragenden Europa League-Saison mit dem Titelgewinn hat man das Gefühl, dass ganz Fußball-Deutschland von Eintracht Frankfurt begeistert ist. Was waren die entscheidenden Faktoren für diesen Erfolg?

Da sind einige zu nennen. Zum einen gibt es eine gewisse Grundstabilität im und um den Verein. Menschen wie der Präsident Peter Fischer oder wie der Vorstandssprecher Axel Hellmann sind schon viele Jahre da und haben beide ein riesiges Herz für die Eintracht. Das sind sehr schlaue Menschen in der Art, wie sie wirken. Peter Fischer hat die emotionale Komponente und ist ein Menschenfänger.

Axel Hellmann ist eher der Stratege im Hintergrund, der die Eintracht sehr modern und sehr international aufgestellt hat. Und dann gab es noch zwei oder drei Glücksgriffe in der sportlichen Ebene mit Personen, die zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren, wie zum Beispiel Nico Kovac und Fredi Bobic, die hier tolle Arbeit geleistet haben. Dann ging es weiter mit Adi Hütter, der bei aller Kritik auch das Projekt hier weiterentwickelt hat, das am Ende von Oliver Glasner vergoldet wurde. Die Eintracht hat einfach sehr viele richtige Entscheidungen getroffen und gleichzeitig eine Atmosphäre kreiert, die eine Aufbruchsstimmung erzeugt hat.

2016 stand Eintracht Frankfurt noch in der Relegation und hatte kein gutes Image im deutschen Fußball. Wie hat der Verein damals die Wende geschafft?

Das lag vor allem an Niko Kovac. Der hat eine andere Mentalität und ein anderes Arbeitsethos in den Verein gebracht. Er hat groß gedacht und hat dafür verlangt, dass hart gearbeitet wird. Das hat er in den zwei Jahren impliziert, die am Ende mit dem DFB-Pokalsieg gekrönt wurden. Das war die Basis für alles weitere. Diese Mentalität war die wichtigste Komponente.

Wenn ich hier durch die Stadt fahre, fällt mir mittlerweile gefühlt an jedem zweiten Auto ein Eintracht-Frankfurt-Aufkleber auf.

Philipp Hofmeister

Wie hat der Hype um den Klub die Stadt verändert?

Wenn ich hier durch die Stadt fahre, fällt mir mittlerweile gefühlt an jedem zweiten Auto ein Eintracht-Frankfurt-Aufkleber auf. Vor zehn oder 15 Jahren war die Eintracht noch überhaupt nicht präsent und im Stadtbild kaum vertreten. Da musstest du echt die Identifikation mit der Eintracht suchen. Die Generation, die jetzt so mit dem Verein aufwächst, erlebt diesen ganz anders, als wir das damals erlebt haben. Jetzt ist die Eintracht omnipräsent. Es gibt überall Fanartikel, selbst im Supermarkt um die Ecke. Es fällt einem also auch optisch richtig auf, dass hier was passiert.

Am Wochenende sind die Frankfurter im Olympiastadion zu Gast. Sie gucken aus der Ferne auf Hertha BSC – wie schätzen Sie den Verein ein?

Hertha ist für mich ein Mysterium. Ich habe am ersten Spieltag das Stadt-Derby geguckt und mir bei der Aufstellung gedacht, dass die wieder eine komische Truppe zusammengestellt haben. Es ist für mich überhaupt nicht greifbar.

Ich halte Sandro Schwarz für einen sehr guten Trainer. Er hat ja lange bei uns in der Region gearbeitet und ich hatte mir immer ein bisschen gewünscht, dass er irgendwann mal bei der Eintracht anfängt, weil er auch ein Herz für sie hat und während seiner Zeit in Mainz lange in der Nähe des Frankfurter Stadions gewohnt hat. Er hat aus der Mainzer Mannschaft wahnsinnig viel gemacht.

Den Move von Fredi Bobic, ihn zu verpflichten, fand ich zunächst also echt stark. Aber ich verstehe seit geraumer Zeit die Transferpolitik nicht. Da gibt es für mich keine klare Linie und ich denke mir, dass so langsam mal die Handschrift von Bobic zum Vorschein kommen müsste. Da war er bei der Eintracht deutlich schneller und prägender. In Frankfurt hatte er allerdings den Vorteil, dass sofort alle auf ihn gehört haben. Er hat gerne alles in der Hand und ist der alleinige Entscheider. Dass das in Berlin nicht ganz so einfach werden würde, hätte ich ihm vorher sagen können.

Die Eintracht hat vorgemacht, wie es geht. Was kann Hertha aus der Entwicklung der Frankfurter lernen?

Eine gewisse Kontinuität ist für jeden Verein sinnvoll. Es muss Ruhe einkehren. Und du brauchst ein oder zwei Menschen, die den Verein emotional so ein bisschen wachküssen. Bei der Eintracht war das Niko Kovac, der eine gewisse positive Eigendynamik losgetreten hat. Außerdem braucht es eine Saison, in der du das Gefühl hast, dass sich was entzündet hat. Für Frankfurt war das in der Spielzeit, in der sie Pokalsieger wurden.

Wenn ich das halbvolle Olympiastadion sehe, dann leide ich immer ein bisschen mit.

Philipp Hofmeister

Da hatten sie ein Team, das sich als Mannschaft definiert hat und auf dem Platz so aufgetreten ist. Ich glaube schon, dass in der Hertha auch deutlich mehr drin ist als das, was im Moment passiert. Wenn ich das halbvolle Olympiastadion sehe, dann leide ich immer ein bisschen mit. Das ist so schade, weil es ein tolles Stadion in einer großen Sportstadt ist. Aber irgendwie schafft es keiner, da das Feuer zu entfachen. Ich hätte es Fredi Bobic zugetraut. Jetzt wundere ich mich, dass er meines Eindrucks nach mit der Gesamtsituation etwas fremdelt.

Was erwarten Sie für eine Partie am Samstag im Olympiastadion?

Die Eintracht hat den großen Vorteil, dass sie das Bayern-Spiel schon hinter sich haben, aber auch den Nachteil, dass sie mit einer kleinen Hypothek in die Saison starten. Frankfurt hat jetzt drei machbare Gegner in Folge mit Hertha, Werder und Köln. Viele fordern jetzt, dass sie den guten Eindruck aus der Vorbereitung gegen diese Mannschaften auch in der Liga abrufen können. Das kann unangenehm werden, wenn der Saisonstart in die Hose geht. Mit der Champions League-Belastung wird es ja nicht einfacher. Was am Samstag passieren wird, ist schwer zu sagen. Ich traue der Eintracht schon den Sieg zu. Wenn sie das spielt, was sie spielen kann und ich von ihr in der Vorbereitung gesehen habe, dann sind sie klarer Favorit.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Lukas Witte, rbb Sport.

Sendung: rbb24, 11.08.2022, 18 Uhr

6 Kommentare

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  1. 6.

    Zitat: "Also Herthaner reißt euch zusammen und haut die Frankfurter weg und alles wird gut. Wir sind die Hauptstadt alles andere ist Provinz und graue Maus"

    Ihr Fan Enthusiasmus in allen Ehren, doch selbst wenn Hertha gewinnen oder zumind. ein gutes Spiel abliefern sollte, wird sicher nicht "alles gut" - dafür bestehen zu viele Baustellen bei den Charlottenburgern.
    Und sorry, aber dass Sie HBSC quasi als "Hauptstadt des Fussballs" und alles andere als "graue Maus" bezeichnen, ist selbst durch die größte Fanbrille betrachtet nicht nachvollziehbar.

  2. 5.

    Weil eine Person einen solchen Kommentar abgibt, wird gleich drauflospauschalisiert...klasse :/

  3. 4.

    An der großen Klappe hat sich auf jeden Fall nichts geändert beim Big City Club. Schade.

  4. 3.

    Typische Aussage eines Berliners, der nichts kapiert hat. Ne große Klappe und ansonsten heiße Luft. Bleib bei deiner hertha, die derzeit tiefste Provinz ist.

  5. 2.

    So ein Quark für eine Million würden sie natürlich nicht dahin gehen klar lol
    Die Sache ist einfach es muss Erfolg her und das geht nur über Siege und da kann hier so ein Frankfurter Heinz quatschen was er will wenn wir Frankfurt besiegen ist es der erste step
    Also Herthaner reißt euch zusammen und haut die Frankfurter weg und alles wird gut
    Wir sind die Hauptstadt alles andere ist Provinz und graue Maus

  6. 1.

    Auch für mich ist Hertha ein Mysterium. Ich verstehe auch nicht wieso sich nichts ändert.
    Steckt da eine Masche dahinter??
    Es werden Spieler ohne Spielpraxis oder mit Ausmusterungskennzeichen verpflichtet.
    Abgesehen vom Trainer.
    Ich möchte mal wissen was dahinter steckt.
    Aber das werden viele Spieler- und Trainerberater auch schon erkannt haben. Kein Wunder, dass keine gute
    Mannschaft zusammengestellt werden
    kann. Ich würde auch nicht zu Hertha wollen.


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