Hauptstadtderby | Analyse - Union hebelt Herthas rechte Seite aus

So 07.08.22 | 08:08 Uhr | Von Till Oppermann
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Oliver Christensen, Filip Uremovic und Sheraldo Becker beobachten Torschuss zum 2:0 (Bild: Imago/Contrast)
Audio: rbb24 Inforadio | 06.08.2022 | Lars Becker | Bild: Imago/Contrast

Die sportlichen Verhältnisse in der Hauptstadt bleiben klar. Der 1. FC Union gewann zum Bundesliga-Auftakt hochverdient gegen Hertha BSC. Auch weil Trainer Urs Fischer sein Team eine Schwachstelle in Herthas Abwehr angreifen ließ. Von Till Oppermann

Ketwurst mit Schultheiß-Bier, am S-Bahnhof Ostkreuz trafen sich schon um 11 Uhr Ost und West. Es ging freundlich zu. Anders als in den vergangenen Jahren verhinderte der Spielplan, dass sich die Spannung zwischen dem 1. FC Union und Hertha BSC schon Wochen vor dem Ortsderby aufbauen konnte.

Und tatsächlich fühlte sich das Duell um die Stadtmeisterschaft am Samstag anders an als vorherige Begegnungen. Hatte es beim ersten Erstligaduell im Herbst 2019 noch Leuchtraketen der Hertha-Fans und einen Platzsturm der Unioner gegeben, beließen es die Kurven heute bei einigen Rauchtöpfen. Nachdem die Hertha-Ultras ihren Spielern im April nach der Heimniederlage gegen Union noch die Trikots abgenommen hatten, verabschiedeten sie ihre Mannschaft am Samstag mit warmem Applaus.

Hertha verliert verdient

Der neue Trainer Sandro Schwarz freute sich: "Die Fans haben nach dem Spiel überragend reagiert." Sportlich hatten die Spieler das wahrlich nicht verdient. Union gewann die Partie hochverdient mit 3:1 und traf während der 90 Minuten in der Alten Försterei selten auf echte Gegenwehr der Herthaner. Für seine Mannschaft hatte Schwarz dementsprechend kein Lob übrig. Der Kern sei es, sich gegenseitig zu helfen und sich zu unterstützen, erklärte er, aber: "So kritisch und ehrlich müssen wir sein: Das haben wir heute nicht gezeigt."

Hertha verlor verdient, dass illustrieren Statistiken wie 19:7 Torschüsse, 113,4 zu 108,9 gelaufene Kilometer und 53 zu 47 Prozent gewonnene Zweikämpfe – jeweils für Union. Mit dem vierten Derbysieg in Serie sorgten die Köpenicker bei der Frage um die sportliche Vorherrschaft in der Stadt endgültig für klare Verhältnisse.

Fischer erkennt Schwäche

Trotz der Aufbruchstimmung rund um die Wahl des neuen Vereinspräsidenten Kay Bernstein und drei Neuzugängen in der Startelf erinnerte Herthas Leistung erschreckend an die Vorsaison, als eine verunsicherte und schlecht eingespielte Mannschaft über Monate dem Abstieg entgegentaumelte.

"Hertha macht es besser als in der Saison vorher", beschwichtigte Union-Kapitän Christopher Trimmel nach der Partie, aber trotzdem gelang es dem Trainerteam um Urs Fischer, auf Herthas Seite eine klare Schwäche auszumachen. Schon in den ersten Minuten spielte Unions Dreierkette mit Paul Jaeckel, Robin Knoche und dem Neuzugang Diogo Leite immer wieder Diagonalbälle hinter Herthas neuen Rechtsverteidiger Jonjoe Kenny.

Herthas rechte Seite war anfällig

Auch im Kurzpassspiel versuchten es die Eisernen wiederholt über Herthas rechte Seite. Unions Julian Ryerson, der als Schienenspieler auf der linken Seite spielte, zog wiederholt mit einfachen Körpertäuschungen an Kenny vorbei in die Mitte und hatte den Ball auf seinem starken Fuß. Nur eine Flugeinlage von Hertha-Keeper Christensen verhinderte in der 26. Minute nach einem Ryerson Fernschuss das 1:0 für die Gastgeber.

Dass Union sieben Minuten später über diese Seite zur Führung kam, war folglich keine Überraschung. Der ebenso schnelle wie kreative Sheraldo Becker brach auf dem linken Flügel durch und servierte seinem Sturmpartner Jordan Siebatcheu mit seinem schwachen Fuß eine butterweiche Flanke, die der US-Boy zu seinem ersten Bundesligator ins Netz köpfte.

Herthas Probleme liegen tiefer

Kenny machte keine gute Figur, aber es wäre unfair, ihm allein anzukreiden, dass Union kurz nach dem Seitenwechsel erneut über seine Seite zum Tor kam. Denn bevor Janik Haberer Becker in der 50. Minute mit einem feinen Lupfer das 2:0 auflegte, verpassten es vor ihm auch Herthas Vorbereitungs-Gewinner Dodi Lukebakio und Routinier Kevin-Prince Boateng ihre Gegenspieler zu stellen.

Grundsätzlich scheinen die Probleme der Alten Dame weiterhin schwerwiegendere zu sein als nur eine überforderte rechte Abwehrseite. "Uns haben hier Qualität und Intensität gefehlt, wir waren nicht so da, wie es gefordert gewesen wäre - das war nicht gut genug", analysierte Torhüter Oliver Christensen. Damit traf er den Nagel auf den Kopf.

Marvin Plattenhardt hilft Marc Oliver Kempf und Filip Uremovic auf (Bild: Imago/Contrast)
Marvin Plattenhardt hilft Marc Oliver Kempf und Filip Uremovic auf | Bild: Imago/Contrast

Ein Fünkchen Hoffnung für Hertha

Spätestens nach Beckers 2:0 war das Spiel entschieden. Als dann auch noch Robin Knoche per Kopf das 3:0 erzielte, hätte man sich für die Herthaner gewünscht, dass eine Regel aus dem Boxen angewendet wird. Denn in dieser Sportart werden Kämpfe, bei denen sich ein Teilnehmer nicht mehr wehren kann, abgebrochen. Schiedsrichter Marco Fritz hielt sich an die FIFA-Regeln und ließ die letzten 30 Minuten spielen, in denen Union die Partie verwaltete.

"Wenn du drei bekommst und hoch hinten liegst, ist es nicht einfach, gegen die Wand zu rennen", entschuldigte sich Hertha-Kapitän Marvin Plattenhardt. Man müsse positiv bleiben, ergänzte Lukebakio. Sein Ehrentreffer kurz vor Schluss könnte den Herthanern wenigstens etwas Hoffnung für die kommenden Partien geben. Gemeinsam mit den eingewechselten Neuzugängen Wilfried Kanga und Chidera Ejuke deutete Hertha an, dass in dieser Saison mehr Tempo im Kader steckt als im Vorjahr. Den Fans wird jeder Strohhalm recht sein, der sie vor einer weiteren Saison im Absteigsstrudel rettet.

Sendung: rbb24 Inforadio, 06.08.2022, 20:15 Uhr

Beitrag von Till Oppermann

20 Kommentare

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  1. 20.

    Oh, das schmeichelt mich aber, das sie mich kleiner Bub nennen
    ( 195 cm Körpergröße, 31 Jahre )
    Ändert meine Meinung zur Losertruppe Hertha nichts

  2. 19.

    Ja, das ist bemerkenswert. Schade, dass Hertha das seit Jahren nicht hinbekommt. Egal mit welchem Personal.
    Aber die Hoffnung stirbt zuletzt, dass Fredi doch noch die richtigen Stellschrauben findet. Für immer Ha Ho He

  3. 18.

    Mit Optimismus hat das nichts zu tun. Als richtiger Fan glaubt man an seine Manschaft, in guten wie in schlechten Zeiten.
    Ein kleiner Bub, wie Du, wird das nie verstehen.

  4. 17.

    Eins muss man ihnen ja lassen, sie sind ein grosser Optimist
    Soviel Vertrauen zu dieser Loooosertruppe muss man mal haben

  5. 16.

    Gegen welche kleineren Mannschaften sollen die Charlottenburger denn Punkte holen, wenn man schon der Kleinste ist?

  6. 15.

    Bitte nicht immer gleich den Kopf in den Sand stecken es war ein Spiel und nicht mehr .
    Sandro Schwarz ist auch nicht mein Trainer den ich mir gewünscht hatte aber nun ist er da und sollte seine Chance haben.

  7. 14.

    Ich glaube Hertha steckt in der tiefsten Krise seit vier Jahren. Die haben vielleicht mehr Geldprobleme,als allgemein bekannt ist. Was für komische Transfer 's ? Hauptsache billig. Aber verlängern den Vertrag mit Boateng, der in keiner Weise bundesligatauglich ist. Teueres Maskottchen. Ich sehe nicht mal einen Strohhalm für Hertha.

  8. 13.

    Dardai als Lückenbüßer, der dann wieder schmählichvon den „Fans“ und der Hertha-Führung vom Hof gejagt wird? Wie wäre es denn mit Adolf Hütter?
    Bis dato bleibt die Hertha das Punktebringer und hat seinen Platz seinen angestammten Platz in der Abstiegszone eingenommen.

  9. 12.

    und !!
    ein Spiel hat 90 Minuten und ist erst zu Ende wenn abgepfiffen wird.
    Ich hatte gestern den Eindruck bei manchen Spielern war nach dem 2 . Tor Feierabend

  10. 11.

    Tja, ich vergleiche mal den Einsatz von Hertha mit Engagement für das eigene Unternehmen für das man tätig ist.
    Nunja, dem Unternehmen geht es nicht so gut, eine Schließung droht und Kündigungen drohen.
    Nur mal so. Machen sich die, hier gut bezahlten, Beschäftigten eigentlich ein paar Gedanken darüber, wer sie überhaupt nehmen wird, sollten sie dem Markt zur Verfügung stehen?

    Ich will keinen davon.

    Davon mal abgesehen, dass mir der tölpelhafte Fanmopp, total egal wäre. Fans, die sich so benehmen, dürfen mich mal da...



    Mahlzeit

  11. 10.

    Überspringt die 2. Liga und geht gleich freiwillig in Liga 3. Dort lernt man wirklich Fußballspielen!


  12. 9.

    Die Charlottenburger sollten den Kopf nicht hängen lassen. Gegen kleinere Gegner gibt’s bestimmt noch das ein oder andere Pünktchen.

  13. 8.

    Der eigentliche Fehler von Hertha war, in der letzten Saison nicht abzusteigen. Erinnert mich alles an den HSV. Ergebnis ist bekannt. Irgendwann doch der Abstieg erwischt.

  14. 7.

    Noch 33 Spiele bis zur 2. Liga.

  15. 6.

    In einem Spielbericht über das Derby im Spiegel (sehr lesenswert) bezeichnet der Redakteur ( Cedric Voigt) die Unioner als " ELFKÖPFIGE HYDRA ". Sehr treffend. Egal welcher Kopf abgeschlagen wird ( Kruse, Friedrich, Prömel, Awoniyi, Andrich, Anderson ), es wächst immer einer nach.

  16. 5.

    Vergessen
    Glückwunsch Union Berlin
    Hochverdienter Sieg

  17. 4.

    Und nach 2 weiteren Niederlagen müssen die Spieler wieder vor die Kurve und müssen ihre Trikots ausziehen
    Die Mannschaft der Alten Dame ist zwar allenfalls 3. Ligatauglich , aber solch eine Demütigung haben selbst diese Spieler nicht nötig, und das wird diesem Grüppchen " Fans " noch lange begleiten

  18. 3.

    Wenn ich schon die Taktik sehe, dass mehr Offensive sein muss, dann klingen bei mir alle Alarmglocken. Erst die Null als Basis und dann kommen die Feinheiten und vorn hilft auch mal Gott.
    Kommt das bekannt vor. Alte Fussballweisheiten sterben nicht aus.

  19. 2.

    Noch 3 NIEDERLAGEN bis pal Dardai und Sandro zurück nach Moskau.

  20. 1.

    "Ein Fünkchen Hoffnung für Hertha" klingt in Bezug auf Hertha so, als wandelte man in einem dunklen Tunnel, sieht zwei grelle Scheinwerfer eines Zuges auf sich zu rasen und denk "Oh, da kommen zwei Fahrräder".
    Mit der gestrigen Leistung, würde die Hertha auch noch in der 3.Liga absteigen.

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