Interview | Union-Profi Janik Haberer - "Für einen Fußballer gibt es nichts Schöneres als so eine Momentaufnahme"

So 28.08.22 | 17:42 Uhr
Janik Haberer vom 1. FC Union. / imago images/RHR-Foto
Audio: rbb24 Inforadio | 28.08.2022 | Interview mit Janik Haberer | Bild: imago images/RHR-Foto

Janik Haberer ist seit dieser Saison neu beim 1. FC Union und gleich maßgeblich am Erfolg des Fußball-Bundesligisten beteiligt. Er spricht über seine schnelle Integration, die Gründe für seinen Wechsel nach Köpenick - und das Potenzial des Teams.

rbb|24: Herr Haberer, hätten Sie sich erträumen lassen, dass am kommenden Wochenende bei der Partie des 1. FC Union gegen Bayern München am fünften Spieltag der Tabellenzweite gegen den -ersten spielt?

Janik Haberer: Nein, auf gar keinen Fall. Ich glaube, das wäre eine reine Wunschvorstellung gewesen. Uns war es wichtig, gut in die Saison zu starten. Das hat mit dem Sieg im Pokal geklappt (in Chemnitz, Anm. d. Red.). Dann hatten wir gleich ein schwieriges Spiel mit dem Derby zu Hause, das wir unbedingt gewinnen wollten (3:1 gegen Hertha BSC, Anm. d. Red.). Aber dass wir jetzt nach vier Spieltagen so dastehen, konnte keiner so wissen.

Sie sind neu in Berlin. Aber wenn man Sie - und auch die anderen Neuzugänge - spielen sieht, hat man immer den Eindruck, alle seien schon jahrelang mit dabei. Gibt es etwas Besonderes, das dazu führt, dass diejenigen, die frisch an die Alte Försterei kommen, so schnell integriert werden?

Das ist eine Qualität der Mannschaft. Die Jungs haben uns Neuzugänge super aufgenommen und das Trainer-Team hat uns relativ schnell erklärt, wie das Spielsystem funktioniert. Und klar, wenn es jetzt so positiv läuft, sagt man: Das hat alles perfekt gepasst und wir konnten das gut umsetzen. Aber wir hatten in manchen Partien auch etwas Spielglück. Wir sind auf einem guten Weg, auch wir Neuzugänge, aber es ist noch alles ausbaufähig.

Sie kommen ja aus Freiburg, von einem eher kleineren Klub mit einem kleineren Stadion, der immer ein wenig unter dem Radar lief, aber auch sehr erfolgreich arbeitet und abgeschnitten hat. Was hat Sie eigentlich bewogen, von dort weg zum 1. FC Union zu gehen?

Freiburg hat ja jetzt auch ein größeres Stadion bekommen, in das 35.000 Zuschauer passen. Aber ich wollte einen Tapetenwechsel. Ich habe sportlich eine neue Herausforderung gesucht und diese in Union Berlin gesehen. Es war auf jeden Fall ein Klub, der mich gereizt hat. Ein Traditionsverein, zu dem ich hinwollte. Die Fans und das Stadion, das hat mich inspiriert. Dort wollte ich Fußball spielen.

Wir haben in diesem Jahr eine Dreifachbelastung. Deshalb ist es ganz schön, dass wir uns in den ersten Spielen schon ein kleines Polster erarbeiten konnten.

Janik Haberer

Sie hatten in Freiburg mit Christian Streich einen sehr besonderen Trainer, der einige Dinge anders macht als viele andere. Beim 1. FC Union ist jetzt Urs Fischer Ihr Chef-Coach. Können Sie die beiden charakterisieren und an ein paar Punkten festmachen, wo sie sich ähnlich sind und wo unterscheiden?

Das ist schwierig. Jeder Trainer hat Dinge, die speziell sind. Christian Streich ist etwas emotionaler an der Außenlinie als Urs Fischer, wenn man die Spiele am Wochenende anguckt und auf die Bank schaut. Fußballerisch und von dem, was sie von einem fordern, sind sie ähnlich darin, immer ans Maximum zu gehen. Die Mannschaft steht dabei im Vordergrund und nicht der einzelne. Da unterscheidet sich nicht sehr viel. Allerdings ist der Fußball in Freiburg noch mehr auf Ballbesitz ausgelegt als bei Union. Wir versuchen in Situationen relativ schnell und gradlinig in die Spitze zu spielen, in denen es bei Freiburg vielleicht noch einmal hintenrum geht.

Kommt Ihnen das mehr entgegen?

Stand heute: ja. Ich kann nochmal ein bisschen mehr in die Tiefe gehen. In Freiburg haben wir oft mir zwei Sechsern gespielt, hier spielen wir mit zwei Achtern. Das ist ein bisschen offensiver ausgelegt. Deshalb habe ich mir erhofft, dass ich vorne auch Akzente setzen kann. Dass das an den ersten Spieltagen so gut geklappt hat, ist natürlich toll.

Bislang wurde in der Saison nach jedem erfolgreichen Spiel sofort extrem auf die sogenannte Euphoriebremse getreten. Man freut sich immer so ein bisschen, aber trotzdem ist man sehr auf dem Teppich. Das wundert mich. Wird die Mannschaft auch so ein wenig in diese Richtung eingeschworen oder ist das tatsächlich eine absolut innere Überzeugung auch von Ihnen?

Das ist es, total. Wir haben uns vor der Saison klare Ziele gesetzt. Wir wollen im nächsten Jahr unbedingt wieder erstklassig spielen. Das hat einfach Priorität. Die Bundesliga ist jede Saison wieder wild. Da kann es jeden treffen - außer die oberen drei, vier Vereine. Wir wissen schon, woher wir kommen. Da muss man bodenständig sein. Wir haben in diesem Jahr eine Dreifachbelastung. Deshalb ist es ganz schön, dass wir uns in den ersten Spielen schon ein kleines Polster erarbeiten konnten. Die nächsten Wochen werden sehr anstrengend bis zur Winterpause.

Aber haben Sie nicht manchmal den Eindruck, dass es doch auch ganz schön ist, auf diesem Teppich nicht nur zu bleiben, sondern auch ein bisschen mit ihm zu fliegen, um in diesem Bild zu bleiben?

Ja, natürlich. Ich glaube, für einen Fußballer gibt es nichts Schöneres als so eine Momentaufnahme, wenn man mal ganz oben in der Tabelle steht. Das Fußball-Geschäft ist aber so schnelllebig, dass das in drei Wochen wieder ganz anders ausschaeun kann. Deshalb genießen wir es im Moment, dort oben mitschwimmen zu können, wissen aber auch, dass es täglich hart erarbeitet und der Erfolg kein Glück ist.

Wir waren sehr effizient und haben schöne Tore geschossen.

Janik Haberer

Sie sind vor fünf Jahren U21-Europameister geworden und wenn man auf die Mannschaft von damals schaut, sind fast alle in der Bundesliga oder anderen europäischen Ligen unterwegs. Ich nenne mal Spieler wie Niklas Stark, Mitchell Weiser oder Ihren Team-Kollegen Levin Öztunali. War das schon ein sehr spezieller Jahrgang?

Gerade mit Blick auf das Turnier kann man sagen: Wir waren ein sehr eingeschworener Haufen. Alles gute Jungs, sehr gradlinig und fußballerisch hochbegabt. Deshalb wundert es mich nicht, dass sich die Jungs alle in der Bundesliga und anderen guten Ligen gehalten haben. Sie haben es einfach fußballerisch verdient und spielen - wie man ja auch sieht - in den jeweiligen Vereinen ihre Rolle.

Am kommenden Wochenende steht nun das Spitzenspiel gegen den FC Bayern München an. Sie selbst haben nach dem Spiel in Gelsenkirchen noch einmal gesagt, dass es neben guten Dingen auch noch sehr viel Verbesserungsbedarf gebe. Was muss denn konkret besser werden gegen die Bayern, damit es vielleicht für einen Punkt oder mehr reicht?

Gerade wenn wir nicht so viel den Ball haben und ihn dann erobern, müssen wir schauen, dass sie nicht im Ping-Pong wieder weg sind. Das war auf Schalke Mitte der ersten Hälfte nicht gut, als das Spiel auch kippen kann. Man sucht immer die negativen Dinge - besonders auch, wenn man so hoch gewonnen hat. Natürlich haben wir schon auch vieles gut gemacht. Wir waren sehr effizient und haben schöne Tore geschossen. Das sollten wir unbedingt mitnehmen und positiv und mit viel Lust in das Spiel am Samstag gehen.

Zum Abschluss die Frage: Wo sehen Sie denn gerade den 1. FC Union und wie weit kann sich die Mannschaft in dieser Saison noch entwickeln?

Es ist noch ein bisschen zu früh, um das sagen zu können. Es sind erst vier Spieltage gespielt. Aber wir sind auf einem super Weg - und an dem sollten wir festhalten und ihn weitergehen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Nikolaus Hillmann, rbb Sport. Es handelt sich um eine leicht redigierte Version. Die Originalfassung hören Sie beim Klick auf das Titelbild.

Sendung: rbb24 Inforadio, 28.08.2022, 16 Uhr

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