Remis gegen Leverkusen - Hertha fühlt sich veräppelt

So 11.09.22 | 09:27 Uhr | Von Marc Schwitzky
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Die Spieler von Hertha BSC vor der Ostkurve im Olympiastadion. Quelle: imago images/Contrast
Bild: imago images/Contrast

Auch gegen Bayer Leverkusen konnte sich Hertha BSC trotzt einer starken Leistung nicht mit drei Punkten belohnen. Von Enttäuschung jedoch kaum eine Spur, denn Hertha macht das erste Mal seit langer Zeit wieder Spaß. Von Marc Schwitzky

"Wenn weniger als 50.000 kommen, gehe ich wieder nach Hause", lässt Kay Bernstein vor dem Spiel scherzhaft von Pressesprecher Max Jung überbringen. Herthas Präsident hat die Tage vor dem Spiel ambitioniert dafür geworden, das Olympiastadion gegen Bayer Leverkusen noch einmal deutlich voller zu machen als zunächst prognostiziert.

Seine Kampagne schlägt jedoch fehl. Letztendlich besuchen nur 40.600 Fans die altehrwürdige Betonschüssel. Bernstein bleibt natürlich dennoch auf seinem Platz - und sieht eine hervorragende Vorstellung seiner Mannschaft. Hertha bringt Leverkusen an den Rand einer Niederlage, die Begegnung geht 2:2 aus. Nach dem Sieg in Augsburg gelingt es der "alten Dame" einmal mehr nicht, eine starke Leistung mit drei Punkten zu belohnen. So hätte die Stimmung nach dem Abpfiff auch von Enttäuschung geprägt sein können. Im Vordergrund steht jedoch, dass Hertha das erste Mal seit Jahren wieder Hoffnung und - ja, so platt lässt es sich festhalten - Spaß macht.

Eine neue Verlässlichkeit

Dass bei Hertha BSC ein neuer Wind weht, lässt sich bereits vor den jeweils letzten Spielen erkennen. Früher sorgen allein die Schlagzeilen unter der Woche für so viel Zündstoff, dass zwischendurch schon fast untergeht, dass in wenigen Tagen ja auch noch Fußball gespielt wird. In den letzten Jahren stört ein ständiges, unüberhörbares Grundrauschen an Chaos, Problemen und Verzweiflung alles und jeden bei Hertha.

Und jetzt? In den Tagen vor dem Leverkusen-Spiel ist bei den Blau-Weißen das heißeste Thema, dass Präsident Bernstein einen Apfelbaum vor der Geschäftsstelle pflanzt. Es soll ein Symbol für die neu aufkeimende Hoffnung bei Hertha sein. Etwas pathetisch, mag manch einer finden, doch die aufkommende Zuversicht ist nicht zu leugnen. Grund dafür ist der eindeutig zu erkennende Umbruch auf und neben dem Feld - in beiden Fällen strahlt der vorher so zerrissene Hauptstadtklub eine neue Einigkeit aus und zeigt einen klaren Plan. Ein verstaubter Traditionsverein häutet sich.

Schwarz' Spielidee sickert immer besser ein

Diese neue Verlässlichkeit zeigt sich auch auf dem Feld. So langsam weiß der gemeine Zuschauer, was er bei Hertha-Spielen unter Trainer Sandro Schwarz bekommt. Bereits in der Aufstellung zeigt sich eine Beständigkeit. Schwarz ist sichtlich bemüht, eine Achse zu etablieren - und so werden Spieler trotz kleinerer Wackler nicht sofort aus der Startelf genommen. Suat Serdar, Filip Uremovic oder auch Ivan Sunjic wurden für ihre letzten Auftritte - durchaus zu Recht - kritisiert, doch Schwarz glaubt an seine Idee und die dafür gedachten Akteure. Die jüngsten, so positiven Auftritte zeigen, dass es sich hierbei nicht um Starsinnigkeit, sondern Überzeugung handelt.

Gegen Leverkusen startet Hertha im gewohnten 4-3-3 mit dem gewohnten Personal. Die Kontinuität in den Abläufen tut den Berlinern sichtlich gut, denn gegen die "Werkself" präsentieren sie sich beinahe schon routiniert. Von Beginn an setzt Hertha seine Spielidee um und Leverkusen damit permanent unter Druck. Bereits in der 4. Minute verzeichnet Blau-Weiß nach Flanke Marvin Plattenhardts und Kopfball Dodi Lukebakios die erste gute Offensivszene.

Im Anschluss ist zu erkennen, wie die von Trainer Schwarz geforderte Haltung immer weiter in die Mannschaft einsickert. Durch mutiges, körperlich betontes und direktes Spiel hat Hertha die Begegnung gut im Griff. Die Berliner haben sich auf die Stärken Leverkusens sehr gut eingestellt. Durch eine diszipliniert verschiebende Defensivlinie kommen Bayers Tempospieler wie Moussa Diaby, Callum Hudson-Odoi oder Jeremie Frimpong nicht in ihre geliebten Sprints - die Räume dafür fehlen schlichtweg. So nimmt Hertha seinem Gegner die Möglichkeit des Vertikalspiels.

Hertha ist Leverkusen zu jedem Zeitpunkt ebenbürtig

Positionsspiel, Gegenpressing, Zweikampfverhalten, Idee im eigenen Ballbesitz - bei Hertha stimmt im ersten Durchgang bereits sehr viel. In einigen Belangen sind die Gastgeber erkennbar besser als der Gegner, der trotz eines schwachen Saisonstarts eine beeindruckende Qualität auf den Platz bringt. Und alles kann Hertha am Samstagnachmittag auch nicht verhindern, so muss Torhüter Oliver Christensen sein Team zweimal durch Glanztaten retten. Aber auch Hertha kann Nadelstiche setzen: in der 37. Minute trifft Mittelstürmer Wilfried Kanga nach starker Vorarbeit Lukebakios nur den Pfosten.

Der erste Spielabschnitt endet zwar mit 0:0, zeigt aber bereits eine überdurchschnittlich unterhaltsame Bundesliga-Partie. Nach dem Wiederanpfiff sollten sich die Ereignisse allerdings überschlagen. So trifft Kerem Demirbay traumhaft per direktem Freistoß zum 0:1 aus Hertha-Sicht. Ein Gegentor ohne eigenen Fehler - stets die bitterste Situation. Doch die Blau-Weißen zeigen eine ihrer neu erlernten Eigenschaften: Widerstandsfähigkeit. Unbeeindruckt vom Gegentreffer erzielt Serdar nur sieben Minuten später den Ausgleich. Vorausgegangen war ein perfekt ausgespielter Konter nach Ballgewinn über die Stationen Tousart, Kanga, Ejuke und eben Serdar. Ein Tor, das den Namen Sandro Schwarz trägt.

Es entwickelt sich daraufhin eine recht hektische Phase, in der beide Teams das aus den beiden Toren entstandene Momentum ausnutzen wollen, es aber zu wenig klaren Gelegenheiten kommt - bis zu Marco Richters Traumtor. Kurz zuvor eingewechselt nimmt er aus rund 20 Metern Entfernung Maß und katapultiert den Ball wunderschön ins linke obere Toreck (74.). Der Freudentaumel hält jedoch nicht lange an, da Patrick Schick die Werkself nur fünf Minuten später zum 2:2-Ausgleich schießt. Es ist eine der so wenigen Szenen, in denen Hertha unaufmerksam verteidigt - und eiskalt bestraft wird.

Der Elfmeter bleibt aus - der Stolz hingegen nicht

Doch beinahe hätte es dennoch zum Sieg gereicht. Denn erneut lässt sich die "alte Dame" nicht unterkriegen, sie läuft mutig vorne an und will den Heimerfolg erzwingen. In der 82. Minute wird ein Konter mustergültig ausgespielt, Joker Jean-Paul Boetius kommt zum Abschluss, der gehalten wird. Der Niederländer darf erneut schießen, dieses Mal wehrt Leverkusens Odilon Kossounou ab - allerdings deutlich mit dem Arm. Ein klarer Elfmeter, sollte man meinen, doch das Schiedsrichtergespann kommt zu der abenteuerlichen Entscheidung, den Strafstoß nicht zu geben. Da Kempf im Anschluss einen Schuss von Schick noch in allerletzter Sekunde blocken kann, trennen sich die beiden Mannschaften mit 2:2.

Aufgrund des nicht gegebenen Elfmeters und des abermals "verspielten" Sieges hätten Frustration und Ernüchterung die blau-weiße Gefühlswelt dominieren können. Schließlich verzeichnet Hertha deutlich mehr Schüsse, gelaufene Kilometer und die bessere Zweikampfquote. Nach Abpfiff sind jedoch viel eher der Stolz und die Begeisterung der Fans im Olympiastadion zu spüren, ob der erneut beeindruckenden Leistung ihrer Mannschaft, die die vergangenen Jahre wie alten Lack von der Karosserie kratzt. Zu sehen, dass Hertha endlich wieder mithalten und mit begeisterndem Fußball Gegnern wehtun kann, wiegt schwerer als die kurzzeitige Enttäuschung über etwaige Punktverluste.

Arm in Arm lassen sich die Spieler in der Ostkurve feiern - 154 Tage nachdem sie ihre Trikots nach dem verlorenen Derby gegen Union niederlegen mussten. Ihnen wird auf den Weg gegeben, dass es egal sei, dass sie solch ein Spiel nicht gewinnen, solange sie so leidenschaftlich kämpfen und ansehnlich spielen. Wenn der Kopf oben bleibe, so der Tenor, dann kämen auch die Punkte.

Ein Trend und kein Strohfeuer

Die Bilanz spiegelt das Bauchgefühl wider. Zwei mehr als verdiente Unentschieden gegen etatmäßig stärkere Gegner aus Frankfurt und Leverkusen, ein ordentlicher Sieg in Augsburg und bis auf das Derby genügend starke Leistungen, um bereits mit mehr Punkten dazustehen. Die Spielidee von Trainer Schwarz wird immer besser verinnerlicht, das Niveau der Mannschaft unterschreitet einen gewissen Grenzwert, der recht weit oben zu verorten ist, nicht mehr und allmählich belohnt sich Hertha mit Punkten. Es scheint ein robuster Trend und nicht nur ein Strohfeuer zu sein. Hertha findet seinen Weg.

Ein Apfelbaum trägt nach fünf Jahren die ersten Früchte. Das vermutlich im Fachhandel gekaufte Exemplar Bernsteins wird zwischen zwei bis drei Jahre alt sein. In spätestens drei Jahren dürften also die ersten Äpfel reif sein. Bei Hertha scheint die Ernte deutlich eher eingefahren zu werden.

Sendung: rbb24 Abendschau, 11.09.22, 19:30 Uhr

Beitrag von Marc Schwitzky

22 Kommentare

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  1. 22.

    Richtig, aber seit dem halt nicht mehr. Was bei Ihnen wohl noch nicht angekommen ist. ;)

  2. 20.

    In der Saison 1986/87 wurde Hertha BSC zwar souverän Meister der Oberliga Berlin, scheiterte aber in den Aufstiegsspielen. Ein Jahr später, am 19. Juni 1988, feierten die Berliner die Rückkehr in die 2. Bundesliga, in der sie 1989 mit Erreichen des 13. Platzes die Klasse sicherten.

    Quelle: Wikipedia
    Und eigene Mitwirkung

    !!!

  3. 19.

    Die haben ca 1990 in der 3ten gespiwlt
    Aber egal.
    Und da gehören die auch hin

  4. 18.

    Interessant, wie Sie durch einen so kurzen Kommentar doch soviel Unwissenheit preisgeben. Sie scheinen weder das Spiel gesehen zu haben, noch mitbekommen zu haben, dass Hertha BSC schon seit vor 1990 gar nicht mehr in der 3. Liga gespielt hat ;)

  5. 17.

    Hm,Köln war heut nicht bissig genug und von bellen ganzu schweigen,grins

  6. 15.

    Und wenn Hertha absteigt sind es natürlich die Schiris schuld, unter dem Moto , immer die anderen
    Solche Szenen gibt es immerwieder, und wird es auch weiterhin geben

  7. 14.

    Wie schwer musst du es im Leben haben, um so ein Unfug zu schreiben?

  8. 13.

    Mal sehen, ob die alles besser wissenden, besser könnenden und Heiligenschein tragenden waldleute heute Nachmittag noch genießen, wenn die Kölner Hunde gebellt haben.....

  9. 12.

    Wahrscheinlich zieht sich das Thema durch die Woche.
    Bleibt nur zu hoffen, dass sich dann nicht noch Prinz Bullabü zu Wort meldet.

  10. 11.

    Am Ende gleicht sich während der Saison das immer wieder aus. Mal wird man vom Schiri bevorteilt, mal nicht.

  11. 10.

    Peinlich. Lesen Sie den Kommentar nochmal. Und dann verstehen Sie, weshalb Sie besser nichts geschrieben hätten

  12. 9.

    "Eusebio" bezog sich aber auf Bayern (mit "n" am Ende) München, nicht auf Bayer. Für Bayer (ohne "n" am Ende) Leverkusen gab's gestern auch gar keinen Elfmeter. Beim Klugscheißen blamiert, so kann man sich auch zum Horst machen...

  13. 8.

    War halt angeschossen, auch keine unnatürliche Armhaltung, insofern kein strafbares Handspiel. Also hör' auf zu heulen...

  14. 7.

    Ok die Entscheidung war nicht nachvollziehbar warum der Schiri sich das nicht nochmal angeschaut hat, aber das eigentliche ist doch das die Mannschaft sich davon nicht unterkriegen lässt.
    Bravo für soviel Sportgeschäft,das lässt hoffen auf weitere erfolgreiche Spiele.

  15. 5.

    Hertha kann nur heulen, anstatt ein mal anständig Fussball !!!! Zu spielen.
    3te Liga eben (...)

  16. 3.

    Ich hatte gleich den Eindruck, hier läuft wieder jemand für ein Wettbüro in Schwarz auf dem Platz rum. Noch klarer kann kein Elfmeter sein. Ok, ob der rein gegangen wäre weiß man nicht, aber sich so zu verweigern, das hat schon mehr wie Geschmäckle!

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