Köpenicker Höhenflug in der Fußball-Bundesliga - Die Gründe für Unions sensationellen Sprung an die Tabellenspitze

Mo 12.09.22 | 15:02 Uhr
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Unions Spieler um Christopher Trimmel feiern ihren Sieg in Köln (Bild: IMAGO/Eibner)
Bild: IMAGO/Eibner

Zum ersten Mal überhaupt ist Union Berlin nach einem Bundesliga-Spieltag Tabellenführer. Die Gründe für den Höhenflug sind zahlreich - und reichen von der besten Defensive der Liga bis hin zu viel Tiefe und Solidarität im Kader. Von Jakob Lobach

Dass die Fans von Union Berlin zu den stimmungsvollsten und gesangsstärksten der Fußball-Bundesliga gehören, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Am vergangenen Wochenende, nach dem 1:0-Sieg der Köpenicker in Köln, hörte man aus dem Block der weitgereisten Berliner dennoch Ungewohntes klingen. "Deutscher Meister wird nur der FCU", schallte es von den Union-Fans in Richtung Rasen, wo ihre Lieblinge sich gebührend feiern ließen.

Grund für die sicherlich nicht ganz ernst gemeinte Gesangseinheit: die erste Bundesliga-Tabellenführung der Vereinsgeschichte, die Union nun nach dem sechsten Spieltag innehat. Eine Tabellenführung, für die es gute Gründe gibt. Eine Auswahl.

1. Die beste Defensive der Liga

Ganze vier Gegentore hat Union Berlin nach sechs gespielten Partien der neuen Saison kassiert. In keinem Spiel kassierten die Köpenicker bislang mehr als einen Treffer, zweimal blieben sie bis dato ohne Gegentreffer. Rund um Dauerbrenner und Abwehrchef Robin Knoche steht Unions Hintermannschaft konstant kompakt. Mit viel Intensität, guter Abstimmung und einem klaren Plan schafft sie es Spiel für Spiel immer wieder, die Kreise der gegnerischen Offensivkräfte entscheidend einzugrenzen.

Hilfreich hierbei: Neuzugang Diogo Leite hat sich nahezu nahtlos in Unions Defensivverbund eingefügt und sich mit guten Leistungen dort festgespielt. Hinzukommen bis dato gute Leistungen von Unions Torhütern. Frederick Rönnow überzeugt in seiner ersten Saison als unangefochtene Nummer eins unter Urs Fischer und auch der aus Leverkusen ausgeliehene Lennart Grill, der Rönnow am Sonntag vertrat, machte in Köln ein gutes Spiel.

2. Oliver Ruhnert

Versucht man, Unions aktuellen Erfolg zu ergründen, kommt man an Oliver Ruhnert und dessen Arbeit nicht vorbei. Unions Geschäftsführer Profifußball hat es diesen Sommer einmal mehr geschafft, einen Umbruch positiv zu gestalten. Dank der Verpflichtungen von Spielern wie Janik Haberer, Jordan Siebatcheu und eben Leite fallen die Abgänge von vorherigen Leistungsträgern wie Grischa Prömel und Taiwo Awoniyi bislang kaum ins Gewicht.

Ein Beispiel: Bei Unions Auswärtsspiel auf Schalke standen am vierten Spieltag fünf Neue in Urs Fischers Startformation. Das Ergebnis ist bekannt: ein furioser 6:1-Auswärtssieg der Berliner. Statt die Qualität in der Mannschaft diesen Sommer "nur" zu erhalten, wirkt es, als hätte Ruhnert sie noch einmal erhöht. Schlichtweg, weil Ruhnert den größeren finanziellen Spielraum seines Klubs genutzt hat, um allein schon quantitativ mehr Spieler mit der nötigen Qualität für wichtige Rollen zu verpflichten als im Sommer abgegeben wurden.

3. Solidarische Kadertiefe

Wobei wir prompt bei zwei weiteren Punkten wären: der Tiefe in Unions Kader und der Umgang mit ebendieser. So hat Trainer Urs Fischer jeden Spieltag die Qual der Wahl, wenn es um seine Aufstellung geht. Auch gegen Köln saßen jüngst mit Niko Gießelmann, Jamie Leweling oder auch Sven Michel Akteure zunächst nur beziehungsweise das gesamte Spiel auf der Bank, die auch das Potenzial für Startelf-Einsätze haben. Fischer schafft es hierbei auch, seine Mannschaft so einzustellen und spielen zu lassen, dass nahezu jeder Spieler ersetzbar ist.

Beeindruckend ist auch der Umgang von Unions Spielern mit dieser Tatsache und der Rotation ihres Trainers. Dass sich ein Spieler über zu wenige oder zu kurze Einsätze beschwert, kommt bei Union nahezu nie vor. Der Frust von Sheraldo Becker nach dessen Auswechslungen zuletzt, etwa beim Unentschieden gegen den Serienmeister FC Bayern München, war da schon das höchste der Gefühle. So ist es eine offensichtliche Tatsache und keine Phrase, dass sich bei Union jeder Spieler dem Erfolg der Mannschaft unterordnet.

4. Becker und die Offensive

Bevor Becker gegen den FC Bayern der Wechselfrust packte, hatte Unions Flügelspieler allerdings auch Grund zur Freude: sein Tor zur zwischenzeitlichen 1:0-Führung gegen den Rekordmeister. Es war einer von insgesamt fünf Treffern, die Becker in dieser Bundesliga-Spielzeit bereits erzielt hat, hinzukommen drei Vorlagen.

Auch am Wochenende gegen Köln war er es, der das am Ende siegbringende Eigentor der Gastgeber erzwang und anschließend sogar noch vermeintlich nachlegte. Der Niederländer, der in den vergangenen Jahren bereits zu einem Aktivposten im Union-Spiel geworden ist, hat sein Spiel zur laufenden Saison nochmal auf ein neues Level gehievt. Beckers außergewöhnliche Geschwindigkeit gepaart mit seiner Kreativität und der Erkenntnis, dass diese Kombination im Dienst der Mannschaft am besten aufgehoben ist, prägen Unions Spiel aktuell.

Hinzukommt, dass Becker mit seinem neuen Partner in der Offensive, Stürmer Jordan Siebatcheu, schon früh in der Saison bestens harmoniert. Becker und Siebatcheu ergänzen sich mit ihren Spielweisen und Laufwegen sehr gut, suchen immer wieder das Zusammenspiel und legten sich hierbei auch schon gegenseitig Tore auf. Aber auch abseits des Duos kann Union sich in dieser Spielzeit auf die Offensive verlassen. Die 13 erzielten Saisontore sind die zweitmeisten nach den 14 Treffern der Bayern. Allen voran die Effizienz, mit der Union offensiv zu Werke geht, ist hierbei der Schlüssel zum Erfolg – in der Offensive, aber auch mit Blick auf den Saisonstart der Köpenicker im Allgemeinen.

Sendung: rbb24, 11.09.2022, 21:45 Uhr

2 Kommentare

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  1. 2.

    Ich kann das alles auch manchmal nicht glauben. Das ist doch nicht mein 1.FC Union????
    Wo ist der Rumpelfußball vor 4000 Zuschauern, mit dem wir sogar ab und zu ein Spiel gewonnen haben ? Und trotzdem hatten wir unseren Spaß. Jetzt erwische ich mich dabei darüber nachzudenken, das Union Champions League spielen könnte. Trotzdem bleib ich dabei. Nicht absteigen, Derbys gewinnen, vor Hertha bleiben.
    EISERN

  2. 1.

    2019: "Scheiße, wir steigen auf!"
    2022: "Scheiße, wir werden Meister!" ;-)

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