Royale Union Saint-Gilloise im Porträt - Was Sie über Union Berlins ersten Europa-League-Gegner wissen sollten

Di 06.09.22 | 15:06 Uhr | Von Till Oppermann
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Saint Gilloise Spieler feiern Tor (Imago/Philippe Crochet)
Bild: www.imago-images.de

Der 1. FC Union bestreitet gegen Saint-Gilles sein erstes Europapokal-Spiel an der Alten Försterei. Die beiden Klubs eint einiges. Wieso der Sänger von Righeira für RUSG jubelt - und was Eidechsenblut mit dem Erfolg zu tun hat. Von Till Oppermann

Union gegen Union

Karel Geraerts, Trainer von Royale Union Saint-Gilloise (RUSG) aus der belgischen Hauptstadtregion, sagte vor der Reise zum 1. FC Union Berlin einen Satz, den Fans beider Fußball-Vereine noch vor kurzer Zeit mit schallendem Gelächter quittiert hätten: "Wir erwarten ein Spitzenspiel auf europäischem Niveau."

Denn beide Klubs eint mehr als nur den Namen "Union". Während die Köpenicker seit drei Jahren in der Bundesliga spielen, kehrte RUSG erst 2021 nach fast 50 Jahren Abstinenz ins belgische Oberhaus zurück.

Nach ihren Aufstiegen entwickelten sich beide rasant und schafften innerhalb von kurzer Zeit den Sprung ins europäische Geschäft. Dabei verwiesen die Stadtteil-Klubs jeweils auch den Lokalrivalen auf die Plätze und sind aktuell die sportliche Nummer eins in Brüssel beziehungsweise in Berlin. Von einem Spitzenspiel zu sprechen, ist keine Übertreibung.

Der berühmteste Anhänger

Wer sich von RUSGs Heimat St. Gilles zum Strand des belgischen Badeortes Ostende aufmacht, fährt mindestens anderthalb Stunden mit dem Auto. Obwohl Stefano Righi in den 1980er Jahren mit seiner Band Righeira den Welthit "Vamos a la Playa" landete, spielte das bei seiner Vereinswahl keine Rolle - er leidet mittlerweile seit zehn Jahren mit Royal Union Saint-Gilloise.

Damals reiste der Italiener nach Brüssel. Während seines Besuchs wollte er ein Fußballspiel besuchen. Der italienischen Zeitung "La Stampa" berichtete er, er habe vor der Abreise nach allen Teams in Brüssel gesucht, um zu schauen, wer ein Heimspiel hatte. Als er seine Freunde vor Ort nach Royale Union fragte, fand er heraus, dass viele von ihnen Fans des Vereins sind. "Da ist der Geist eines Fußballs der Vergangenheit, der Jubel, den es im heutigen Fußball nicht mehr gibt", schwärmt Righi.

Das Stadion

Righis Liebe auf dem ersten Blick hat viel mit dem Stadion des Klubs zu tun. Seit 1919, also ein Jahr länger als Union an der Alten Försterei, spielen die Belgier im Stade Joseph Marien. Bis 1935 feierten sie hier die letzten vier ihrer insgesamt elf belgischen Meisterschaften.

Bekannt ist das Stadion für eine gute Stimmung und viele Stehplätze. Es liegt zwischen einem Arbeiterwohngebiet und einem Wäldchen am Brüsseler Stadtrand in einem Viertel, das auf französisch "Forest" und auf niederländisch "Vorst" heißt. Leider befindet es sich in einem Zustand, der RUSG - trotz der Uefa-Regelung, wieder Stehplätze im Europapokal zuzulassen - zwingt, die Heimspiele im 32 Kilometer entfernten Leuven austragen zu müssen.

Die Fans

Das Besondere an Union? "Jeder hält zu jedem, das ist Familie." Das sagte der deutsche Stürmer Deniz Undav über seinen mittlerweile ehemaligen belgischen Verein. Nachdem er RUSG mit 25 Toren und zehn Assists in der vergangenen Saison beinahe zur Meisterschaft geschossen hatte, erfüllte Undav sich einen Traum und wechselte in die Premier League zu Brighton. Die "positiv verrückten" RUSG-Fans trägt er trotzdem noch im Herzen, wie er sagt.

Der ehemalige Erfolgs-Trainer Felipe Mazzù, der nach dem Aufstieg und der Vizemeisterschaft zum Lokalrivalen RSC Anderlecht wechselte, beschreibt den rauen Charme in Saint-Gilles: "Hier riecht es nach Gras, Hamburgern und Fritten."

Als Gäste-Fans von Beerschot im Frühjahr im Stade Joseph Marien randalierten, blieben die Royale-Union-Anhänger ruhig. Sie wollten sich den Tag ihrer "Zwanze"-Parade nicht verderben lassen. Die Fan-Szene hatte einen Umzug mit Bier- und Fast-Food-Ständen abgehalten, um Geld für Fans in den Altenheimen des Stadtteils zu sammeln. Viele von ihnen erlebten den Verfall des ehemaligen Spitzenvereins seit den 1970er Jahren und sollten nun mit Freikarten für ein Spiel entschädigt werden.

Die Eidechse

Die sportliche Wiederauferstehung des Stadtteil-Vereins war kein Zufall. Er trägt auch den Namen des Engländers Tony Bloom, der als professioneller Pokerspieler zum Millionär wurde. Bloom investierte in eine Firma, die mittels Datenanalyse eine Formel fand, um mit kontinuierlichem Gewinn auf Sportereignisse zu wetten.

Was klingt wie die Schnapsidee eines Spielsüchtigen, machte Bloom derart reich, dass er sich zuerst leisten konnte, seinen Heimatverein Brighton & Hove Albion zurück in die erste Liga zu führen. Ab 2018 wiederholte er das gleiche Kunststück mit RUSG.

Bloom - dem einst ein Freund wegen seiner eiskalten Berechnung beim Pokern unterstellte, Eidechsenblut in seinen Adern zu haben - setzt dabei auf Daten-Scouting, um für günstiges Geld die perfekten Spieler für das Spielsystem seiner Vereine zu verpflichten. Deniz Undav entdeckte er beim SV Meppen in der dritten Liga.

Sendung: rbb24, 07.09.2022, 18 Uhr

Beitrag von Till Oppermann

3 Kommentare

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  1. 2.

    Naja, die Parallelen sind schon schön, allerdings haben die ein Investorenmodell, insofern doch nicht das gleiche wie bei uns.
    Das schmälert meine Sympathie dann doch etwas.
    UNVEU

  2. 1.

    Ist ja unglaublich,wieviele Gemeinsamkeiten wir haben ? Na jetzt freu ich mich ja noch viel mehr auf das Spiel !!! Ich verfolge zB. schon Midtjyland in Dänemark etwas intensiver. Die haben sich ebenfalls mit dieser Taktik ( passende Spieler für wenig Geld ) nach ganz oben gearbeitet. Auch soon komischer Verein, wie wir. Ab jetzt gehört auch RUSK dazu. Danke Herr Oppermann.
    EISERN

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