Nach der enttäuschenden WM - Der deutsche Rudersport steckt in der Krise

Mo 26.09.22 | 16:55 Uhr
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Enttäuschung beim Deutschlandachter nach der verpassten Medaille bei der Heim-EM in München (imago images/Oryk HAIST)
Audio: rbb24 Inforadio | 25.09.2022 | Jan Didjurgeit | Bild: imago images/Oryk HAIST

Enttäuschende Auftritte bei der Heim-EM und zuletzt bei der WM in Racice haben zu schlechter Stimmung im deutschen Rudersport geführt. Athletinnen und Athleten kritisieren den Verband scharf, der seinerseits nach Ausreden sucht.

Der Brandenburger Mattes Schönherr vom Ruder-Club Potsdam blickt nach dem Hoffnungslauf der Weltmeisterschaft im Tschechischen Racice enttäuscht in die Kamera. Gerade hat er mit dem Deutschlandachter den Einzug ins Finale verpasst. Trotzdem versucht Schönherr noch irgendetwas Positives an der aktuellen Situation zu finden. "Es ist sehr frustrierend. Aber es gehört auch irgendwie dazu und aus diesen Phasen kann man vielleicht mehr lernen als aus den erfolgreichen", sagt der 22-Jährige.

Uns wurde aufgezeigt, wie weit wir gerade von der Weltspitze und einem Olympia-Qualifikationsplatz entfernt sind. Das ist gerade die bittere Realität.

Torben Johannesen, Schlagmann des Deutschlandachters

Verband macht Umbruch für Misserfolg verantwortlich

Es war das erste Mal seit 2003, dass das eigentliche Paradeboot des Deutschen Ruderverbandes (DRV) am Ende ohne eine WM-Medaille dastand. Dass es nicht mal im Finale dabei war, ist sogar schon 23 Jahre her. Schon bei der Heim-EM in München hatte der Achter überraschend eine Medaille verpasst. Jetzt folgte bei der WM die nächste Enttäuschung.

Schlagmann Torben Johannesen ging danach hart mit der Leistung ins Gericht: "Uns wurde aufgezeigt, wie weit wir gerade von der Weltspitze und einem Olympia-Qualifikationsplatz entfernt sind. Das ist gerade die bittere Realität."

Der Verband schiebt den Misserfolg vor allem auf den Umbruch, den es im Achter nach den olympischen Spielen gegeben hatte. Nur drei Sportler sind von damals übriggeblieben, von denen mit Laurits Follert und Olaf Roggensack zwei ihren WM-Start berufsbedingt absagen mussten. Aufgefüllt wurden die freien Plätze vor allem mit jungen Athleten.

"Wir haben damit rechnen müssen und ich hatte seit Jahresanfang immer wieder proklamiert, dass wir es mit dem Umbruch und dem hohen Anteil an jüngeren Sportlern schwer haben werden, gleich ganz vorne mit reinzufahren. Das ist schon schade, aber wir sind dran, das alles aufzuarbeiten", so das Fazit der leitenden Bundestrainerin Brigitte Bielig nach der WM.

Der gebürtige Berliner Wolf-Niclas Schröder, der zur Besatzung des Achters gehört, will diese Erklärung allerdings nicht hinnehmen. "Natürlich befinden wir uns im Umbruch. Aber das darf nicht immer die Ausrede sein", sagt er. "Ich bin nicht ganz konform mit den Wegen, die da gegangen werden. Dass auch an anderer Stelle gearbeitet werden muss, ist völlig klar."

Kritik am Verband ist groß

Das Problem scheint tiefer zu liegen, denn nicht nur der Achter enttäuschte zuletzt auf ganzer Linie. Bei den Weltmeisterschafften gelang nur zwei Booten aus den 14 olympischen Klassen der Einzug ins Finale. Ein Armutszeugnis für den einst so erfolgreichen Rudersport. Die einzige deutsche WM-Medaille gewann Oliver Zeidler, der im Einer Gold holte und trotz seines persönlichen Erfolges nicht davor zurückschreckte, nach dem Rennen den Verband zu kritisieren.

"Es ist Leistungssport, da kommt es auf Leistung an. Und wenn die nicht gebracht wird, und das darauf zurückzuführen ist, dass jemand seine Arbeit nicht in dem Umfang macht, wie es auch von den Athleten verlangt wird, dann ist das einfach ungenügend und dann muss man die entsprechenden Konsequenzen ziehen", sagte der Goldmedaillen-Gewinner.

Auch weitere Athleten übten Kritik am Verband. Dabei werfen sie diesem vor allem falsche Strukturen, falsche Trainer und zu wenig Fachkompetenz vor. Nach den olympischen Spielen in Tokyo sei es deshalb nicht gelungen, erfahrene Sportler zum Weitermachen zu bewegen. "Letztendlich sieht man an den Ergebnissen und auch an dem Trend der letzten Jahre, dass Handlungsbedarf besteht und das muss konsequent aufgearbeitet werden", sagte Pia Greiten, die im Doppel-Zweier zumindest das WM-Finale erreichte.

Ein gescheiterter Expertenrat

Und der DRV? Der hat die Kritik wahrgenommen und will sich damit beschäftigen, warnt aber vor vorzeitigen Schlüssen. "Die Athletinnen und Athleten haben einiges an Kritik auf den Tisch gebracht und das gehört aufgearbeitet und überprüft. Wenn wir das dann gemacht haben, werden wir ganz am Ende schauen, ob wir auch die richtigen Personen haben, um nach vorne kommen. Aber mit Sicherheit nicht andersrum", erklärte Präsident Moritz Petri.

Bereits nach der EM in München wurde ein Expertenrat gegründet, der nach Gründen für das schlechte Abschneiden suchen sollte. Ein Problem daran: Es war kein einziger aktueller Sportler Mitglied des Rates, sondern er wurde vor allem mit Verbands-Funktionären wie der Cheftrainerin Brigitte Bielig und Sportdirektor Mario Woldt gefüllt. Zumindest Letzterer wollte sich dabei auch kritisch mit seiner Rolle befassen: "Ich muss natürlich auch schauen, welchen Beitrag ich an dieser Situation habe. Das ist selbstverständlich. Gleichzeitig werden wir auch schauen, wer welche Rolle im Verband hat, um etwas bewegen zu können."

Vom Verband aus wird sich immer die letzte Konsequenz beim Sportler gewünscht. Ich wünsche mir auch vom Verband die letzte Konsequenz, und zwar in jeder Hinsicht.

Wolf-Niclas Schröder, Teil des Deutschlandachters

Viel Zeit haben sie darauf allerdings nicht verwendet. Vergangene Woche wurde der Expertenrat wieder aufgelöst, ohne ein einziges Mal getagt zu haben. "Als man gelesen hat, wer da im Expertenrat sitzt, war eigentlich fast jedem klar, wie das ablaufen wird. Das es jetzt so geendet ist, ist vielleicht sogar fast ein bisschen positiv. Die, die in der Kritik stehen, sollten sich nicht selbst beurteilen", sagt der Berliner Ruderer Wolf-Niclas Schröder. "Vom Verband aus wird sich immer die letzte Konsequenz beim Sportler gewünscht. Ich wünsche mir auch vom Verband die letzte Konsequenz, und zwar in jeder Hinsicht", fordert er für die Zukunft.

Ob das Debakel bei der WM in Racice ein Weckruf für den DRV gewesen ist, wird sich zeigen. Wenn sich nicht schnell etwas ändert, wird die wohl einst so glänzende Sportart zittern müssen, sich überhaupt mit ihren Booten für die Olympischen Spiele 2024 in Paris zu qualifizieren.

Sendung: rbb24 Inforadio, 25.09.2022, 21 Uhr

6 Kommentare

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  1. 6.

    Das stimmt aber für den Rudersport nicht! Im Junior*innen-und U23-Bereich wird von den Bereinrn guter Nachwuchs ausbildet der international mithalten kann. Leider ist die längerfristige Weiterentwicklung in den Bundesstützpunkten nicht mehr sicher, weil nicht nach neuesten Erkenntnissen trainiert wird. Das ist die Verantwortung der Trainer*innen!

  2. 5.

    Was schon länger zu befürchten war, Gespräche mit Verantwortlichen im Leistungssport haben es mir bestätigt.
    Junge Menschen zum sich selbst quälen zu bewegen, ist fast nicht möglich. Und so bleiben herausragende Leistungen einfach aus. Sicher nicht auf Jeden zutreffend, aber zunehmend erkennbar.
    Leider.

  3. 4.

    Wenn ein Sportverband organisiert ist wie eine Behörde und im Grunde keine Personalentscheidungen getroffen werden, wenn ein guter neuer leitender Bundestrainer gleich wieder das Handtuch wirft, weil er das sofort versteht, wenn ein erfolgreicher Achter mehr vom Steuermann trainiert wird als vom verantwortlichen Trainer, weil der nicht mehr kann und niemand sich traut die Reissleine zu ziehen, wundert mich gar nichts! Bundesstützpunkt Dortmund: Sei froh, wenn du nicht schlechter wirst!

  4. 3.

    @Inge P
    Haben Sie verfolgt, wie bei Bahnradsportlern und Kanuten die Nachfolge geklappt hat.Beim Radsport sogar trotz des schweren Unfalls von Frau Vogel. Wenn man rechtzeitig vorsorgt, werden die Probleme gemeistert. Dabei erhalten diese Verbände sicher nicht mehr Geld als die Ruderer.

  5. 2.

    „Der deutsche Rudersport steckt in der Krise“!
    Wirklich?
    Und was ist mit den anderen Sportarten? Da sieht es doch mehr oder weniger nicht viel besser aus.

  6. 1.

    Nicht nur der Rudersport steckt in der Krise.

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