Interview | Hertha-Präsident Kay Bernstein - "Wir können mit der Strahlkraft und unserer Verantwortung gute Dinge tun"

Mo 31.10.22 | 06:25 Uhr
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Hertha-Präsident Kay Bernstein vor dem Spiel der Berliner gegen Schalke 04. Quelle: imago images/RHR-Foto
Video: rbb24 | 01.11.2022 | Torsten Michels | Bild: imago images/RHR-Foto

Seit gut vier Monaten ist Kay Bernstein Präsident von Hertha BSC. Ein frischer Wind ist bei den Berlinern bereits spürbar. Wie er die ersten Wochen erlebt hat, was Hertha für Berlin bedeutet und wo er mit dem Klub hin will, erzählt Bernstein im Interview.

Das rbb Fernsehen sendet am Dienstag um 20:15 Uhr den Film "Unser Verein: 'Ha, Ho, He! Hertha BSC!'"

rbb|24: Herr Bernstein, wie ist es so als Präsident von Hertha BSC?

Kay Bernstein: Neu und ungewohnt. Werner Gegenbauer hat mir kein Handbuch übergeben. Von daher geht es ein bisschen um Menschenverstand. Es ist aufregend und ein neues Fahrwasser. Ich habe viele neue Menschen kennengelernt. Es macht Spaß und ist herausfordernd.

Warum wollten Sie denn Präsident werden?

Ich würde nicht sagen, dass ich Präsident werden wollte. Ich würde sagen, dass ich meinem Verein helfen wollte. Die Position des Präsidenten war dann vakant oder wurde vakant und es hat sich eine Möglichkeit aufgetan, dem Verein bestmöglich zu helfen. Dem sind die Mitglieder gefolgt, indem sie mich gewählt haben.

Ob wir in zehn Jahren europäisch oder in der zweiten Liga spielen, das wird von unserem Machen abhängig sein. Wir müssen erstmal das Fundament hinbekommen.

Kay Bernstein, Hertha-Präsident

Warum wollten Sie dem Verein helfen?

Naja, weil der Verein nicht alles richtig gemacht hat, weil in dem Verein nicht alle Positionen richtig besetzt wurden, weil der Verein nicht richtig geführt wurde. Wenn man das jetzt sagt, klingt das rückwärts gedacht als Vorwurf. Es ist aber gar nicht so zu verstehen, sondern ich würde schon sagen, dass alle handelnden Personen nach bestem Wissen und Gewissen agiert haben, aber den Blick aufs große Ganze, auf das aktuelle Zeitgeschehen, auf die aktuelle Organisationsstruktur etwas verloren haben. Da wurde durchaus Optimierungsbedarf offengelassen.

Die Entscheidungen, die die Mitglieder getroffen haben - im Sinne von: Wir brauchen einen inhaltlichen Neustart, wir brauchen eine Ausrichtung, wir brauchen eine Kursänderung im Umgang mit unserem Verein – hat dazu geführt, dass wir jetzt als ältester Verein den jüngsten Präsidenten der Liga haben (schmunzelt).

Wenn Sie sich etwas wünschen dürften: Wo würde die Hertha in zehn Jahren stehen?

Wirtschaftlich stabilisiert. In der Stadt noch mehr Verantwortung zu übernehmen und bei den Mitgliederzahlen deutlich vor Köpenick zu liegen. Wir wollen aber auch ruhig, sachlich und demütig agieren. Das würde ich mir wünschen, dass wir unsere Aufgaben annehmen, dass wir sie gewissenhaft umsetzen und dann Schritt für Schritt besser werden. Und ob wir dann in zehn Jahren europäisch oder in der ersten oder in der zweiten Liga spielen, das wird von unserem Machen abhängig sein. Wir müssen erstmal das Fundament hinbekommen.

Demut und Hertha sind ein Wortpaar, das man zuletzt nicht so oft gehört hat.

In den letzten Jahren hat man es nicht so oft gehört. Es gehört für mich aber dazu - im Handeln, im Wirken, im Auftreten, im Umgang mit den Menschen, mit der Stadt, mit den täglichen Herausforderungen. Wir müssen uns der Verantwortung mehr bewusst sein und wir müssen es mehr vorleben. Wir müssen demütig agieren. Indem wir die Dinge nachweislich besser machen.

Was meinen Sie mit "Verantwortung für die Stadt"?

Wir sind nicht ganz der älteste Verein der Stadt, da gibt es den einen oder anderen, der deutlich älter ist. Wir können aber mit der Strahlkraft und mit unserer Verantwortung durchaus auch gute Dinge tun. Wenn ich von Verantwortung für die Stadt spreche, meine ich schon auch, dass wir das Zugpferd für den Breitensport sind. Der Breitensport gerät in der Gesellschaft immer mehr nach hinten, obwohl er der Kitt in unserer Gesellschaft ist und wir über den Fußball, über das Miteinander gewisse Themen wie Krieg, Klimawandel, gesellschaftliche Zerstrittenheit kompensieren können. Da sehe ich uns in der Verantwortung voranzugehen und die Gesellschaft in der Stadt auch wieder ein bisschen mehr zusammenzuführen, mit einer demütigen vernünftigen Art und Weise der Kommunikation und dem Erreichen unserer Ziele.

Ich bin nicht nur ein Kind der Kurve, ich bin ein Kind der Wende. Vielleicht wird das dazu führen, dass wir weg von diesem Ost-West-Prinzip kommen, hin zu einem Verein für ganz Berlin.

Kay Bernstein, Hertha-Präsident

Wie kann das konkret gelingen?

Es gibt zum Beispiel eine Hertha-BSC-Stiftung, die von den Eintrittsgeldern partizipiert und die sich auf die Fahne geschrieben hat, Gutes zu tun. Wir müssen gucken, wo können wir bestmöglich Gutes tun? Wo können wir die Basis des Breitensports und des Fußballs stärken, wie können wir sie unterstützen, wie können wir für die Trainer, die teilweise ihre Ausbildungsteile bei uns im Olympiapark vollziehen, ein besseres Bindeglied sein?

Wieviel Berlin steckt in Hertha BSC?

Ich würde sagen ganz viel. Aber natürlich hat sich Berlin durch die Historie mit der geteilten Stadt, mit den Kriegsjahren auch immer ein bisschen neu erfunden. Manche sagen, entweder liebst du die Stadt oder sie frisst dich auf - mit all der Hektik, mit dem Wachstum und der stetigen Veränderung. Das gehört auch zu Hertha BSC dazu und wir sind ein Berliner Verein.

Wir haben durch die neue Situation, dass erstmalig ein Präsident aus dem Ostteil der Stadt kommt, vielleicht auch ein bisschen die Brücke ins gesamte Berlin geschlagen - das ist eine Chance. Ich bin nicht nur ein Kind der Kurve, sondern komme auch aus dem anderen Teil der Stadt. Ich bin ein Kind der Wende. Vielleicht wird das auch ein bisschen dazu führen, dass wir weg von diesem Ost-West-Prinzip kommen, hin zu einem Verein für ganz Berlin.

Wenn man sich die Mitgliederverteilung anschaut, sieht man allerdings nach wie vor deutlich, dass die Union-Fans aus dem Osten und die Hertha-Fans aus dem Westen der Stadt kommen. Woran könnte das liegen?

Das liegt zum einen Teil daran, dass die Freunde aus Köpenick in den letzten Jahren relativ viel richtig gemacht haben. Das liegt aber auch daran, dass wir in den letzten Jahren alles bis zum Wald vergessen haben. Also das, was im Ostteil der Stadt los ist. Wir hatten vor zehn Jahren gelebte Partnerstädte von Bernau bis Strausberg und das merken wir heute noch. Wenn wir jetzt nach Strausberg gucken, ist das Verhältnis wiederum pari pari zwischen Köpenick und Hertha BSC.

Wenn Sie drei Schlagworte nennen müssten, um Hertha BSC zu beschreiben, welche wären das?

Tradition. Der älteste Verein der Bundesliga. Die beste Kurve der Stadt. (schmunzelt)

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Peter Scholl. Es ist ein Ausschnitt aus einem Interview, das für den Film "Unser Verein: 'Ha, Ho, He! Hertha BSC!'" geführt wurde.

Sendung: Unser Verein: "Ha, Ho, He! Hertha BSC!", 01.11.22, 20:15 Uhr

30 Kommentare

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  1. 30.

    Ja, genauso ist es. Es ist so vergebens, einem echten Fan seinen Verein schlecht zu reden.
    Aber das können nicht alle Fans des Vereins aus Köpenick nachvollziehen, sind sie doch noch nicht so lang dabei und erlernen ihr "Handwerk" gerade!
    Viel Glück und viel Spaß allen Echten!

  2. 29.

    Ich habe mir gerade die Story von 1964/65 durchgelesen, als Schatzmeister Wolfgang Herzog 55 000 illegal gedruckte Eintrittskarten im Sarg versteckt hat und ganz Deutschland sich über Hertha amüsierte. Den jungen Hertha-Fans zur Lektüre dringend empfohlen. Selbst das hat der Verein überstanden!

  3. 28.

    Das mit den Ideologen sollten Sie mal meinem Sohn (15) erklären, der gerade Mitglied geworden ist und kein Heimspiel mehr versäumt. Er geht mit seinen Freunden in die Ostkurve und wird nicht etwa von Papa hingeschleppt. Ideologische Verblendung sehe ich sehr viel mehr bei denen, die ohne jedes Wissen die Motive der Herthafans verunglimpfen. Allerdings dürfte der Effekt ihres Dauerbeschusses diesen Leuten gar nicht gefallen, denn er sorgt bei Hertha deutlich spürbar für mehr Gemeinschaftssinn und Motivation.

  4. 27.

    Hertha und Strahlkraft?
    Einzig die Rote Laterne am Saisonende hat Strahlkraft. Leutet sie den Weg zu 2.Liga.

  5. 26.

    Mitglied in diesem Verein sind nur noch Ideologen. Da brennt niemand mehr wirklich für den Ball! Nix HAHOHE ! Eher HoHoHo

  6. 25.

    Nichts, da man insgesamt genau so schlecht spielt wie letzte Saison.

  7. 24.

    Bei nun knapp dreienhalb Saisons, die der FCU in der BL spielt, dürfte jeder Fan, der regelmäßig oder auch nur gelegentlich mal an der Verlosung teilnimmt, bereits mehrere Male ein Ticket gewonnen haben. Die Wahrscheinlichkeit ist gar nicht so gering, wie Sie vlt. annehmen, da ja nicht alle der ca. 35.000 Mitglieder ohne Dauerkarte an jeder Verlosung teilnehmen, Jeff.

  8. 23.

    Hertha BSC hat aber nicht 75.000 Mitglieder. Mitgliederzahl und Auslastung passen in etwa zusammen.
    Vieleicht sollte Union ins Oly umziehen. Dann ist das Stadion bestimmt immer ausverkauft oder? -;)

  9. 22.

    "... Wieviel Berlin steckt in Hertha BSC? ..." "...Ich würde sagen ganz viel. ..."
    Hier stimme ich mal voll und ganz zu: Flughafen BER, Wahlpanne, Fußgängerzone Friedrichstrasse, Vorkaufsrecht, Lehrkräftemangel, Wohnungsbau, Terminstau/Personalmangel in Bürgerämtern...

    Viel Glück Hertha, viel Glück Berlin. Und endlich mal professionelles Personal..... ok, in Brandenburg läufts auch nicht viel besser. Aber die Landschaft ist schöner :-)

    Gruß, Navan

  10. 21.

    Ich persönlich finde es ja merkwürdiger, wenn ein Verein so ein großes Stadion hat, dass alle Mitglieder locker reinpassen und trotzdem nicht ausverkauft ist. Bundesliga hin oder her.

  11. 20.

    Das heißt einfach, dass viel mehr Leute ins Stadion wollen, als Plätze im Stadion vorhanden sind. Und da pro Mitglied nur 1 Ticket überhaupt möglich ist (per Los), ist eine Mitgliedschaft Voraussetzung. Und glauben Sie mir, wer einmal in der Alten Försterei war, gibt seine Mitgliedschaft nie wieder auf!

  12. 19.

    Es ist nun mal ein wenig merkwürdig, dass ein Verein eine Stadionkapazität von knapp über 20.000 hat aber doppelt so viele Mitglieder. Daraus kann man wohl schließen, dass viele Mitglieder "ihren" Verein noch nie Live im Stadion gesehen haben. Das gibt es bei anderen Vereinen sicherlich auch, aber die Diskrepanz ist hier schon extrem.

  13. 18.

    ...da kein "Fan" ein schlechterer oder auch besser Fan ist, als der andere ist erübrigt sich diese Frage von ganz alleine.
    Es ist auch niemand besser, weil er Mitglied ist.....mögen Verstrahlte so sehen, Realität ist es trotzdem nicht.

    Des Weiteren kann man da den Hertha-Wind, den man aus der Frage herauslesen kann auch gleich wieder den Wind aus den Segeln nehmen, denn auch bei Hertha sind nach dem ersten "großen" Aufstieg 1997 die Mitgliederzahlen explodiert ;)....weiss man natürlich nur, wenn man richtiger "Fan" ist, oder? ;)

  14. 17.

    Ich verstehe es nicht wie man den Erfolg eines Clubs an der Mitgliederzahl festmachen kann. Es gibt doch auch eine Verein in den gleichen Farben mit mehr als 100T etwas westlicher der dem gleichen Erfolg hinter her läuft.
    Und etwas südlicher ein Konstrukt mit nur 7 oder wenigen mehr.

  15. 16.

    Das werden Sie wohl nur mittels einer umfangreichen Umfrage unter allen Union-Mitgliedern herausfinden.
    Wenn Sie allerdings mal in die Alte Försterei gehen würden oder wenigstens an einem Spieltag kurz vor Anstoß, dann werden Sie wohl niemanden ohne Fankleidung/-utensilien antreffen. Dies ist für mich ein eindeutiges Zeichen für den Wunsch, regelmäßig kommen zu wollen, wenn das Losglück es zulässt. Und wenn Sie dann später drinnen oder draußen die Stimmung und die Textsicherheit verfolgen, werden auch Sie erkennen, dass die "Gelegenheitsbesucher" wohl doch eher sehr in der Unterzahl sind. Wir müssen nicht massenhaft Tickets verschenken, um auch nur ein bisschen den Anschein zu wahren, es würde sich jemand interessieren.

  16. 15.

    Also da wir ja gegen Freiburg - einem Spitzenteam - verdient unentschieden gespielt haben, sagt das genau was aus? ....

  17. 14.

    Man lernt bei Hertha eben nichts dazu
    So viel Strahlkraft hat dieser Verein nun wirklich nicht
    Und es gibt auch viele ältere Vereine als Hertha, vielleicht nicht derzeit in der Bundesliga, aber es gibt sie

  18. 13.

    Wie viele der Neumitglieder bei Union sind denn wirkliche Fans und wie viele fallen eher in die Kategorie Gelegenheitsbesucher die mal die Chance haben wollen ein Ticket zu ergattern?

  19. 12.

    Schon lustig zu lesen wie sich Kurven-Kay verkrampft windet ja nicht den Namen des aktuellen Stadtmeisters 1. FC Union in den Mund zu nehmen. :)


    Lustig auch welch Anspruch er bei den Mitgliederzahlen hat.
    Mitglieder beim bsc zahlen mit zarten 7€ satte 5€ weniger als beim FCU, bekommen noch Trikots und DRK-Spenden übergeholfen und die Gmbh&Co Kg aus Charlottenburg schafft es trotzdem nicht Schritt zu halten.

    Wie frustrierend das sein muss, können wir in diesem Interview ja wunderbar erkennen.

  20. 11.

    Alles beginnt mit der Leistung auf dem Platz, auch die Stahlkraft. So lange die Mannschaft von Hertha BSC völlig verdient bei einem Aufsteiger verliert, sollte Herr Bernstein vielleicht lieber ernsthaft demütig sein und sich freuen, dass überhaupt noch über ein neues Stadion gesprochen wird. Gegen Sandhausen brauch es kein neues Stadion, da kann auch im Poststadion oder Mommsenstadion gespielt werden.

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