Analyse | Hertha verliert in Bremen - Mut allein ist nicht genug

Sa 29.10.22 | 11:22 Uhr | Von Till Oppermann
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Stevan Jovetic(Hertha BSC) bei seiner Auswechslung in Bremen(Bild: imago images/Team 2)
Audio: rbb24 Inforadio | 29.10.2022| Milton Tappert | Bild: imago images/Team 2

Die Niederlage in Bremen, ein schlechter Schiedsrichter und keine Tore: Hertha BSC hat nach dem Freitagsspiel in der Bundesliga viel zu beklagen. Trotzdem zeigte die Mannschaft, dass sie auf dem richtigen Weg ist. Von Till Oppermann

Sicher ist Stevan Jovetic eine der tragischsten Figuren, die die Bundesliga zu bieten hat. Wann immer Herthas Angreifer den Ball geschmeidig den Ball annimmt und Pässe in Räume spielt, die außer ihm die wenigsten Spieler gesehen hätten, blitzt es auf: Jovetic ist einer der kreativsten Fußballer der Liga. Einer wie er sollte in der Champions League spielen, sich mit den besten messen.

Wäre da nicht sein Körper. Denn sobald Jovetic so richtig in Form kommt, macht ihm zuverlässig seine Fitness einen Strich durch die Rechnung. In Bremen war es mal wieder so weit, Jovetics Leiste machte dicht. In der 40. Minute musste Trainer Sandro Schwarz seinen kreativsten Offensiven auswechseln. Auch wenn die Berliner das Spiel am Ende verloren: Schwarz‘ Reaktion auf Jovetics Ausfall verrät viel über die neue Hertha in der Saison 2022/23.

Schwarz hat eine mutige Mannschaft geformt

Denn mit Jean-Paul Boetius brachte Schwarz für Jovetic einen neuen Kreativen, anstatt mit Sechser Ivan Sunjic sein Mittelfeld abzusichern. Damit hielt Schwarz an seinem mutigen 4-3-3-System mit fünf klar offensiv denkenden Spielern fest. Und dass, obwohl Bremen zuvor zweimal nach Hertha-Ballverlusten in der Zentrale gefährlich vors Tor kam. Dem Optimisten Schwarz ist ängstliches Sicherheitsdenken fremd.

Sein Mut überträgt sich auf die Mannschaft. In der letzten Saison hätte ein körperlich auftretender Gegner das Team eher eingeschüchtert. Sandro Schwarz hat eine Mannschaft geschaffen, die an sich und ihren Plan glaubt. In Bremen zog sie deshalb lange stoisch ihr Angriffspressing im 4-3-3 durch, das stets am Werder-Strafraum begann. Damit erstickte Hertha den Spielaufbau der Gastgeber. Chancen für Bremen ergaben sich bis zur Pause nur, wenn Hertha Fehler machte.

Herthas Baustelle ist die Offensive

Zum Pech der Zuschauer verlegte sich Bremen gegen den Ball auf eine ähnliche Taktik. Ex-Herthaner Mitchell Weiser, der heute für Bremen spielt, sagte: "Mit unserer Spielweise und der von Hertha war es schon vorher klar, dass es intensiv wird." Leider konzentrierten sich beide Teams so sehr auf diese Intensität, dass es weder Werder noch Hertha gelang, einen gepflegten Spielaufbau zu organisieren. Dazu trug auch die kleinliche Linie des Schiedsrichters Tobias Reichel bei. Sandro Schwarz kritisierte: "Die Nettospielzeit war sehr gering, es entstand kein Spielfluss." Besonders schwer taten sich die Herthaner. Ihre Passquote von 73 Prozent ist bestenfalls unterdurchschnittlich.

"Wir waren einfach nicht zwingend genug", klagte Flügelstürmer Marco Richter. Auf dem Weg zum Bremer Tor hatte Hertha zwei Ideen: Ungenaue lange Bälle, bei denen Stürmer Wilfried Kanga gegen die hochgewachsenen Abwehrleuchttürme um den ehemaligen Hertha-Kapitän auf verlorenem Posten war. Und Einzelaktionen des Dribbelkünstlers Dodi Lukebakio. Der Ertrag war dürftig, fasste Richter zusammen: "Wir konnten unsere zwei, drei Halbchancen nicht verwerten."

Unterstützung der Außenverteidiger fehlte

16:9 Torabschlüsse hatte Bremen am Ende. Umso wahrscheinlicher ist es, dass irgendwann ein Ball reingeht, wie nach Niklas Fülllkrugs Bogenlampe per Kopf in der Schlussphase. Wenn Richter also von einem "klassischen 0:0" sprach, und sagte, alles in allem sei das Ergebnis nicht gerecht gewesen, lag er bezüglich der Torchancen falsch.

Mehr Abschlüsse hätte auch Hertha haben können, meinte Schwarz. "Wir hatten situativ unzählige Gelegenheiten, Chancen zu erspielen." Dass das nicht gelang, lag auch an der fehlenden Unterstützung der Außenverteidiger Marvin Plattenhardt und Jonjoe Kenny. Insbesondere Plattenhardts Passquote von knapp 57 Prozent war ungenügend. Ohne Geistesblitze ihrer Individualisten ist Hertha zu harmlos. Klar eintrainierte Abläufe sind im Kombinationsspiel bisher noch nicht zu erkennen.

Entwicklung stimmt weiter

Der Zeitpunkt des Bremer Siegtreffers in der 85. Minute ist ein weiterer Hinweis darauf, dass Herthas fehlende Durchschlagskraft im Angriff ein echtes Problem ist. Würden Bundesligaspiele nur 75 Minuten dauern, hätte der Hauptstadtklub sieben Punkte mehr auf dem Konto. Die vielen Gegentore in der Schlussphase hängen auch mit fehlender Entlastung zusammen. Selbst die sicherste Abwehr kommt irgendwann in Bedrängnis, wenn sie ständig gefragt ist.

Interpretiert man die verlorenen Punkte von der anderen Seite, bedeuten die auch, dass sich Hertha BSC auf dem richtigen Weg befindet. Denn Spiele, in denen die Alte Dame klar unterlegen ist, sind mittlerweile die Ausnahme. Richters optimistisches Fazit nach dem Spiel spricht für die Stimmung im Verein: "Es hilft nichts, Kopf nach oben, weitermachen", sagte er. Stevan Jovetic kann seinen Mitspielern sicher verraten, wie man sich nach Rückschlägen zu einem neuen Versuch aufrafft.

Sendung: rbb24 Inforadio, 29.10.2022, 20:33 Uhr

Beitrag von Till Oppermann

8 Kommentare

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  1. 8.

    Wenn ich den Beiträgen der Redakteure hier so Revue passieren lasse, hat Union nur Glück, und Hertha spielt eine hervorragende Saison. Fünfzehn Punkte Vorsprung nach zwölf Spieltagen sagen aber irgendwie was anderes.
    EISERN

  2. 7.

    Ich weiss nicht,was der Autor mit, auf dem richtigen Weg, sagen will? Ich hab das Spiel gesehen. Hertha hatte nicht eine richtig gute Torchance. Bremen hätte auch drei,vier machen können. Vorige Saison kam die Panik, jetzt redet man sich jedes Spiel schön.

  3. 6.

    Hertha hat nur Glück das es noch Mannschaften gibt die noch schlechter sind
    Ist kaum zu glauben so schlecht wie Hertha ist

  4. 5.

    Sofort bewerben, vielleicht wird es besser
    Glaube aber nicht das es am Trainer liegt, eher an der Mannschaft und an der Personalpolitik von Fredi Bobic

  5. 4.

    Ich würde mich als Trainer anbieten. Aber nur unter einer Bedingung! Ich habe das Sagen und es redet mir niemand rein! Wer meckert fliegt!
    VG Jürgen

  6. 3.

    Wie war das: "Trotzdem zeigte die Mannschaft, dass sie auf dem richtigen Weg ist. " Stimmt schon, wahrscheinlich in die 2. Bundesliga, aber mit guter "B-Note". Ja und dann ist da noch der Schiedsrichter. "Die Niederlage in Bremen, ein schlechter Schiedsrichter und keine Tore. Die magere Ausbeute an Punkten ist wohl in erster Linie in den eigenen Reihen zu suchen, einschließlich dem Vereinsumfeld. Mit viel Glück reicht es eventuell für zwei Relegationsspiele, aber die müssen nicht immer erfolgreich enden!

  7. 2.

    Die Analyse ist, das Hertha verloren hat und verdient im Abstiegskampf steckt

  8. 1.

    Ich kann das nicht mehr hören, das die Entwicklung in die richtige Richtung geht.

    Das bringt auch keine Punkte.

    Wenn man schon gegen gestern sehr schwache Brener keinen Punkt holt, gegen wen dann?

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