American-Football-Stars in Berlin - Ein Highlight fürs Leben

Mi 09.11.22 | 15:59 Uhr | Von Friedrich Rößler
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Football-Superstar und Quarterback Joe Montana(links) von den San Francisco 49ers am 03. August 1991 im Berliner Olympiastadion(Bild: imago images/Jürgen Schwarz)
Bild: imago images/Jürgen Schwarz

Am Sonntag findet in München zum ersten Mal ein NFL-Spiel auf deutschem Boden statt. Doch die American-Football-Stars waren schon mal in Deutschland zu Besuch, Anfang der 90er Jahre in Berlin. Von Friedrich Rößler

Dieses Spiel elektrisiert ganz Football-Deutschland. Wenn am Sonntag in München die Tampa Bay Buccaneers gegen die Seattle Seahawks antreten, dann ist auch der GOAT - der Greatest-Of-All-Times-Quarterback Tom Brady mit dabei. Der amerikanische Profifootballer vereint die Bekanntheit der Weltfußballer Messi und Christiano Ronaldo locker in einer Person. Seit Monaten sind die Karten vergriffen, die Münchner Allianz-Arena ist restlos ausverkauft. Wer sich im Netz umschaut, findet fragwürdige Angebote zwischen 500 und 2.000 Euro - die Begegnung hat also mindestens DFB-Pokal-Finale-Status, wenn nicht sogar EM- oder WM-Finale.

Diese deutsche Football-Begeisterung ist dem cleveren Marketing der National Football League(NFL) zu verdanken, die neben dem amerikanischen Markt seit Jahrzehnten international für sich und ihre Stars wirbt. NFL-Merchandise geht weltweit über die Ladentheke oder in Paketen um den Globus, die Spiele der amerikanischen Profiliga sind teilweise im deutschen Free-TV zu sehen oder alle auf kostenpflichtigen Streamingplattformen. Da ist so ein Ligaspiel in Deutschland ein logischer Vermarktungsschritt, im letzten Jahr hatte es zwei in London gegeben.

"American Bowls" im Berliner Olympiastadion

Einen der Grundsteine für diese Begeisterung legte die NFL schon Anfang der 1990er Jahre, als die amerikanischen Footballstars zu Vorbereitungsspielen unter anderem auch nach Deutschland, und zwar nach Berlin kamen. Von 1990 bis 1994 fanden insgesamt fünf "American-Bowl-Spiele" im Olympiastadion statt, denn schon damals herrschte in den alten Bundesländern und West-Berlin ein Football-Hype. American-Football-Kommentator Günter Zapf war als NFL-Reporter mit dabei und erinnert sich im Telefongespräch mit rbb|24:. "Football war damals mit das Coolste, was es gab." Man sei ein kleiner eingeschworener Haufen gewesen, der ohne Internet immer irgendwie an Informationen kommen musste. "Da waren die American-Bowls der wichtigste Termin der Football-Community".

Alle fünf Bowls seien gut besucht gewesen, berichtet der Football-Kommentator Zapf, ein richtiges Familientreffen der deutschen Footballszene, die aus Westdeutschen, amerikanischen Soldaten und immer mehr Ostdeutschen bestand. Das erste American-Bowl-Spiel zwischen den Los Angeles Rams und den Kansas City Chiefs (19:3) wurde am 11. August 1990 in Berlin ausgetragen, also noch vor der Wiedervereinigung, aber schon nach dem Mauerfall.

"Das war der Beweis, jetzt ist alles möglich", erinnert sich Zapf und spricht von einer greifbaren Aufbruchstimmung, denn Menschen aus Ost- und Westdeutschland schauten zusammen mit in Deutschland stationierten US-Soldaten American Football im Berliner Olympiastadion. "Es war egal, welches Team da war, alle sind nach Berlin und haben alles mitgenommen, jedes öffentliche Training." Ein großer Fan der Bowl-Spiele ist heute noch Gerry "Boss" Hogg. "Die Vikings, die Bears, die Dolphins, die 49ers - alle haben hier in Berlin gespielt".

"Football is for Family!"

Der Texaner war ab 1978 als US-Soldat in Berlin Zehlendorf stationiert, schloss sich 1984 erst als Spieler und dann als Jugendtrainer den "Berlin Adler" an und ist mitverantwortlich für die Erfolge der Berliner Football-Klubs "Adler" und "Rebels".

Heute betreibt der 62-Jährige einen Football-Laden und berichtet davon, dass Kinder seinen Shop leerkaufen und später mal Football-Stars und keine Fußballstars werden wollen. So richtig angefangen habe die Footballbegeisterung in Westberlin aber mit dem ersten Meistertitel der Berlin Adler 1987. "18.000 Menschen im Mommsenstadion, Amis und Deutsche und dann boom.", blickt Gerry Hogg zurück. Seine Adler wiederholten den Erfolg bis 1991 noch dreimal. Zu Zeiten der fünf American-Bowl-Spiele in Berlin (1990-1994) war die deutsche Bundeshauptstadt eine Football-Hochburg, da entfachte die NFL mit ihren Stars in den Vorbereitungsspielen das Feuer um so heftiger.

"Football is for Family - also ein richtiger Familiensport und nicht nur Grölen und Biertrinken wie beim Fußball", versucht Hogg seine Faszination zu erklären. TV-Kommentator Zapf begeistern vor allem die Schnelligkeit, die Kraft und die Taktik dieser Sportart. "Permanent ist etwas los, die Spielzüge dauern nur Sekunden und in den Zeitlupen sieht man dann erst die Feinheiten." Was Zapf und Hogg verbindet, ist das Preseason-Spiel der San Francisco 49ers gegen die Chicago Bears (21:7). Zwar spielte damals nur die dritte Garde, doch die Stars der Teams waren in Berlin dabei. Der 49ers-Quarterback Joe Montana war damals der Tom Brady der 80er und 90er und gilt heute als einer der besten Spieler in der Geschichte der NFL. "Wir haben den Teams im Olympiastadion beim Aufbauen geholfen und ich stand mit meinem jungen Team dann neben Joe Montana", erzählt der ehemalige Adler-Trainer Hogg. Für seine Schützlinge war das das "Highlight des Lebens."

Autogramme am Spielfeldrand - heute undenkbar

Auch Günter Zapf erfüllte sich am 03. August 1991 in Berlin einen Lebenstraum. Er fragte Joe Montana im Olympiastadion nach einem Autogramm. "Das hängt hier bei mir zu Hause an der Wand, persönlich unterschrieben.", schwärmt der Münchner Football-Reporter. Beim Aufwärmen der Spieler habe er all seinen Mut zusammengenommen und den damaligen NFL-Superstar Montana nach einem Autogramm gefragt - mit Erfolg. "So etwas ist total verpönt in der NFL und ich bin damals total blauäugig da hin gegangen."

Würde Günter Zapf am Sonntag so etwas bei Tom Brady in der Münchner Allianz-Arena versuchen, würde er sofort des Feldes verwiesen werden und die NFL würde ihn für zehn Jahre lang sperren, mutmaßt er. Damals, Anfang der 90er Jahre im wiedervereinten Berlin, war so etwas noch möglich. Und schon vor 30 Jahren gab es einen Football-Boom in Deutschland. Das erste Liga-Spiel der NFL auf deutschem Boden ist damit ein weiterer Schachzug der Marketingmaschinerie der NFL. Und auch dieser wird wohl Jahrzehnte nachwirken.

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Beitrag von Friedrich Rößler

2 Kommentare

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  1. 2.

    Ich war 2018 in Green Bay und muss sagen das es völlig anders ist als wenn man zum Fußball oder Eishockey geht. Dort wird den ganzen Tag Sport und Freunde/ Familie zelebriert . Z:B mit Grillen in Stadionnähe. Kein Stress mit gegnerischen. Schöner Sport mit großen Unterhaltungsfaktor. Crashsport

  2. 1.

    Echt schade, dass Berlin bei der Vergabe der Deutschlandspiele der NFL leer ausgegangen ist!

    NFL-Spiele in London gibt es übrigens bereits seit 2007, darüber hinaus wird auch gelegentlich in Mexiko ein Spiel ausgetragen.

    Das Spiel am Sonntag werde ich mir auf jeden Fall anschauen, das ist schon etwas Besonderes.
    Mein Sohn hatte mich vor einigen Jahren für die NFL begeistert und seitdem verfolge ich sie mehr oder weniger regelmäßig.
    Was der hiesige Fußball meiner Meinung nach von der NFL lernen könnte: Die Schiedsrichter geben laut verständlich für das Publikum durch, was sie gerade entschieden haben; wer als Spieler den Schiri angeht, bekommt ein Problem; die Trainer haben die Möglichkeit einer Challenge (z.B. um ein nicht gegebenes Foul nochmal überprüfen zu lassen) - wenn die Challenge erfolgreich ist, haben sie noch eine weitere zur Verfügung, wenn sie nicht erfolgreich ist, verfällt sie. Da gibt´s schon ein paar gute Regeln...

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