Zwischenfazit - Fünf Lehren, die der 1. FC Union in die Winterpause mitnimmt

Mi 16.11.22 | 12:53 Uhr
  2
Die Fans des 1. FC Union Berlin bedanken sich bei der Mannschaft für ein gelungenes Jahr 2022 (imago images/Matthias Koch)
Bild: imago images/Matthias Koch

Sieben Spieltage an der Tabellenspitze, der Einzug in die Zwischenrunde der Europa League und großartige Stimmung auf der Tribüne - die bisherige Hinrunde hätte für den 1. FC Union kaum besser laufen können, wurde am Ende allerdings etwas getrübt.

1. Europa ist nicht zu groß

Wer vor der Saison dachte, dass die Europa League für den 1. FC Union eine Nummer zu groß ist, der wurde mittlerweile eines Besseren belehrt. Als Tabellenzweiter der Gruppe D schaffte die Mannschaft von Trainer Urs Fischer den Einzug in die Zwischenrunde des Wettbewerbs und trifft dort nun mit Ajax Amsterdam auf ein europäisches Top-Team. Und möglicherweise endet die Reise gegen die Niederländer auch noch nicht.

Doch auch bei einem Ausscheiden kann man mit dem Auftritt in Europa sehr zufrieden sein. Zwar zeigten die Köpenicker nicht das ganz große Spektakel und trafen nicht auf die allerschwersten Gegner, trotzdem setzten sie sich auch international mit dem für sie typischen Spielstil durch: effizient, defensivstark und kämpferisch. 0:1, 0:1, 1:0, 1:0, 1:0 1:0 - so lauteten die Ergebnise der Eisernen in der Gruppenphase. An einem guten Tag kann man so vielleicht auch mal als klarer Außenseiter Ajax schlagen.

2. Die Alte Försterei ist eine Festung

Die Heimstärke der Köpenicker war in der bisherigen Hinrunde außergewöhnlich. In der laufenden Saison haben die Eisernen im Stadion an der Alten Försterei noch kein einziges Bundesliga-Spiel verloren. Saisonübergreifend sind es sogar schon 13 Heimspiele am Stück ohne Niederlage. Nur in der Europa League mussten sich die Berliner ein einziges Mal vor heimischer Kulisse geschlagen geben.

Auch nach der WM-Pause werden sie sich wohl auf die Alte Försterei als Punktelieferanten verlassen dürfen. 17 ihrer 27 Zähler holten die Unioner bisher in dem stets ausverkauften Stadion. Ob das an der Köpenicker Luft, der großartigen Unterstützung der Fans oder der kurzen Anreise liegt, dürfte ihnen am Ende egal sein. Vermutlich ist es sowieso die Kombination aus allen drei Faktoren.

3. Am Ende ging die Puste aus

Einen paar kleine Rückschläge erlitten die Berliner kurz vor der Winterpause dann aber doch noch. In den letzten drei Spielern kassierten sie 11(!) Gegentreffer und konnten nur beim Unentschieden gegen Augsburg einen Punkt holen. In Leverkusen (0:5) und Freiburg (1:4) gerieten sie stattdessen unter die Räder.

Lange sah es so aus, als könne die Dreifachbelastung aus Bundesliga, Europa League und DFB-Pokal den Köpenickern nichts anhaben. Trainer Urs Fischer schickte ohne große Rotation Spieltag für Spieltag eine fit wirkende Mannschaft auf den Platz. Bis zum Spiel in Leverkusen. Dort schien die große Belastung erstmals ihren Tribut zu zollen. In den letzten drei Spielen wirkte Union müde und vor allem die sonst so konzentriert auftretende Defensive brach teilweise völlig zusammen.

Nach der WM-Pause werden die Akkus bei fast allen wieder aufgeladen sein. Nur Torwart Frederik Rönnow wird zu dem Turnier nach Katar reisen. Vielleicht sollte der Trainer dennoch schon früh auf mehr Rotation im Team setzen - gerade, wenn die Reise in Europa für seine Mannschaft weiter gehen sollte - und so einen Einbruch wie in den letzten drei Spielern verhindern.

4. Auf die Bank ist Verlass

Beim Rotieren kann sich der Schweizer Trainer nämlich auf seine Bank-Profis verlassen. Denn entgegen der Erwartung vieler, gibt der Kader einiges an Tiefe her. Wenn die Ersatzspieler gefragt sind, liefern sie meistens auch ab.

Gerade im Sturm hat Urs Fischer mit Sven Michel einen echten Joker in der Hinterhand. Fünf Tore erzielte der Angreifer wettbewerbsübergreifend bereits in dieser Saison. Bei 15 Einsätzen stand er dabei nur zwei Mal in der Startelf. Auch Kevin Behrens kommt meist von der Bank ins Spiel und unterstützte die Eisernen in dieser Spielzeit bereits mit fünf Scorer-Punkten (3 Tore, 2 Vorlagen).

Aber auch im Mittelfeld und der Abwehr hat der 1. FC Union einige gute Alternativen. Mit Janik Haberer, Andras Schäfer, Morten Thorsby und Genki Haraguchi gibt es gleich vier Spieler, zwischen denen sich Urs Fischer auf der Achter-Position entscheiden kann.

In der Innenverteidigung haben sich Paul Jaeckel, Timo Baumgartl und Danilho Doekhi mittlerweile als stabile Rotationsoption etabliert. Und auch ein Spieler wie Tymoteusz Puchacz, der in dieser Saison bisher kaum zum Zuge kam, lieferte bei einem seiner drei Einsätze plötzlich ab und erzielte im DFB-Pokalspiel gegen Heidenheim das wichtige 1:0. Auf die Bank und den großen Kader dürfte also auch in der Rückrunde Verlass sein.

5. Becker muss bleiben

Sheraldo Becker ist der Mann für die besonderen Momente beim 1. FC Union. Mit acht Toren und sechs Vorlagen trägt er die Offensive der Eisernen. Und die ist auch auf ihn angewiesen. Mit seiner Geschwindigkeit passt er perfekt ins Umschaltspiel, durch das die Köpenicker viele ihrer Treffer erzielen. In der Bundesliga gibt es kaum einen Verteidiger, der mit dem Speed von Becker mithalten kann. Und so kann er auch aus dem Nichts mit einem einzigen Sprint, seinen präzisen Flanken und seinem eiskalten Abschluss für Tore sorgen.

Zuletzt häuften sich allerdings Spekulationen um einen möglichen Abgang des Angreifers. Immer wieder wird der 27-Jährige mit der englischen Premier League in Verbindung gebracht. "Natürlich bin ich ein Mann mit Ambitionen, und der Verein weiß das auch. Mein Traum ist nicht länger die Eredivisie (Anm. d. Red.: niederländische Liga). Die deutschen oder englischen Topvereine wären schön", sagte Becker vor kurzem dem Niederländischen Fußball-Magazin "Voetbal International".

Auch wenn Manager Oliver Ruhnert Top-Abgänge wie Taiwo Awnoiyi, Grischa Prömel und Marvin Friedrich bisher immer gut ersetzen könnte, dürfte das bei Becker extrem schwierig werden. Der 1. FC Union sollte also um jeden Preis versuchen, den schnellen Stürmer zu halten, wenn auch nur für eine Saison länger. Sollte er allerdings weiter so gute Leistungen zeigen, wird er wohl bei einigen Spitzen-Teams auf dem Zettel stehen, mit denen die Berliner nicht mithalten können.

Sendung: rbb24, 15.11.2022, 18 Uhr

2 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 1.

    Ich bin stolz auf meinen Verein. Sie haben eine Super Leistung geschafft, und verlieren gehört dazu. Eisern in meinem Herzen

Nächster Artikel