Interview | Unions Baumgartl kämpft für Hodenkrebsprävention - "Mir ist es immens wichtig, dieses Tabuthema in die Gesellschaft zu tragen"

Fr 04.11.22 | 17:14 Uhr
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Union-Spieler Timo Baumgartl (Quelle: IMAGO/Jan Huebner)
Bild: IMAGO/Jan Huebner

Im Frühling wurde bei Timo Baumgartl vom 1. FC Union Hodenkrebs diagnostiziert, im Herbst feierte er nach erfolgreicher Behandlung sein Comeback. Nun will er Vorbild sein und ruft Männer zur Vorsorge auf - mit einer besonderen Aktion.

rbb|24: Macht Ihnen Ihre überstandene Krebserkrankung noch zu schaffen oder sind Sie wieder einhundert Prozent fit auf dem Platz?

Timo Baumgartl: Jede Trainingseinheit, jedes Spiel tut mir gut. Ich fühle mich eigentlich körperlich super, habe auch keine Nachwirkungen von der Chemotherapie mehr. Deswegen sind Spielminuten aktuell das Wichtigste, um wieder zu meinem alten Spielniveau zu kommen. Da fehlt mir einfach der Rhythmus.

Am Wochenende wird es eine besondere Aktion geben, bei der nicht nur Sie einen besonderen Schuh tragen werden. Erzählen Sie doch mal, was es mit der Aktion auf sich hat.

Das ist eine Idee, die ich für den Movember hatte, der ja für Krebserkrankungen und -vorsorge bei Männern steht. Ich habe überlegt, was ich machen könnte, da ich ja eine Vorgeschichte mit der Krankheit habe und auch gemerkt habe: Wenn ich darüber rede, gehen mehr Männer zur Vorsorge.

Es gibt eine lila Schleife, die für den Kampf gegen Hodenkrebs steht und die ich schon seit meinem Comeback auf den Schuh gedruckt habe. Jetzt hatte ich die Idee, dass es doch cool wäre, wenn da auch einige andere Spieler aus der Bundesliga mitmachen, sodass man das in die Gesellschaft und an Männer heranträgt. Außerdem gibt man natürlich auch Menschen Hoffnung, die den Kampf kämpfen, den ich auch gekämpft habe.

Wie wichtig ist es Ihnen, diese Vorbildfunktion einzunehmen?

Mir war seit ich die Diagnose bekommen habe klar, dass es mir wichtig ist, ein Vorbild zu sein. Durch meinen Beruf habe ich eine relativ große Reichweite und kann auf bestimmte Dinge aufmerksam machen. Ich will also zeigen, dass man mit Wille, Hoffnung und auch ein wenig Glück sein altes Leben zurückbekommen kann. Die Nachrichten, die mir Betroffene schicken, zeigen mir, dass das der richtige Weg ist.

Fußballschuhe von Timo Baumgartl (Quelle: Timo Baumgartl)Mit einer lilafarbenen Schleife will Timo Baumgartl auf die Krebsprävention aufmerksam machen.

Wie viele Profis werden denn bei der Aktion mitmachen?

Eine genaue Zahl habe ich nicht, aber wir sind guter Dinge, dass von allen 18 Bundesligisten alle von Adidas gesponserten Spieler (Anm. d. Red.: Baumgartls Ausrüster ist an der Aktion beteiligt) mitmachen werden. Es ist aber limitiert auf diesen Spieltag, dass die lila Schleife hinten auf den Schuh aufgedruckt ist - eben um am ersten November-Wochenende ein Zeichen zu setzen.

Könnten Sie sich vorstellen, häufiger ein solches Zeichen zu setzen?

Ich trage die Schleife tatsächlich permanent auf meinen Schuhen, eben weil es ein Teil meiner Geschichte ist. Ich hätte natürlich auch nichts dagegen, wenn wir solche Aktionen öfter machen könnten.

Warum ist diese Aufmerksamkeit für das Thema Krebs und speziell Hodenkrebs so wichtig?

Weil es einfach jeden betreffen kann - egal wie jung oder alt. Ich bin 26 Jahre alt, ein Leistungssportler ohne jegliche Probleme und mit einem gesunden Lebensstil. Aber auch mich hat es erwischt. Deshalb ist es wichtig, dass die Leute zur Vorsorge gehen.

Es sind zehn Minuten und wenn du das jährlich machst, hast du eine gewisse Sicherheit, dass du nicht erkrankst. Es ist ja bei Männern so, dass wir sehr spät zur Vorsorge gehen. Erst ab 45 wird es von der Krankenkasse bezahlt und deswegen finde ich es wichtig, dass sich da ein bisschen was ändert.

Brauchte es euch als Vorreiter, um dem Thema die nötige Aufmerksamkeit zu verschaffen, damit sich etwas verändert?

Das weiß ich nicht. Die Fälle gab es sicherlich auch früher. Ich weiß nur nicht, wie weit Menschen sich dafür entschieden haben, das für sich zu behalten, was ja auch absolut ihr gutes Recht ist. Es gibt ja auch die Fälle wie bei Marco Richter und Jean-Paul Boetius, die keine Chemotherapie brauchen. Da hätte man ja nichts gemerkt, wenn sie nichts gesagt hätten. Für mich war es immens wichtig, diese Vorbildfunktion anzunehmen und dieses Tabuthema mit in die Gesellschaft zu tragen und es zu thematisieren.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Lukas Witte, rbb Sport.

Sendung: rbb UM6, 05.11.2022, 18 Uhr

4 Kommentare

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  1. 4.

    Hier geht es nicht um das Leid des Herrn Baumgartl, denn wie er sagt, geht es ihm super. Hier geht es darum auf ein Thema aufmerksam zu machen, dass bei uns noch allzusehr verdrängt oder gar tabuisiert wird. Die Aktion ist super und auch die Aufmerksamkeit, die das Thema bekommt schade nur, dass viele erst erkranken müssen um sich zu engagieren.

  2. 3.

    @MD: Ich bezweifle, dass dies, wie Sie gleich zwei Mal schreiben, immer der Fall ist. Den Grund für die Veröffentlichung von Timo Baumgartls Geschichte finden Sie im Text.

  3. 2.

    Genau darum geht’s in dem Interview. Bitte nochmal lesen.

  4. 1.

    Warum muss immer das Leid irgendwelcher Leute öffentlich gemacht werden ?
    Immer diese Wichtigtuerei !

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