Hertha vor dem Derby gegen Union - Ein Hauptstadtderby zum richtigen Zeitpunkt?

Fr 27.01.23 | 07:11 Uhr | Von Lars Becker
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Die Ostkurve im Berliner Olympiastadion (Quelle: IMAGO/ActionPictures)
Audio: rbb24 Inforadio | 27.01.2023 | Lars Becker | Bild: IMAGO/ActionPictures

Bei Hertha herrscht nach dem verkorksten Jahresbeginn Ernüchterung. Nach den Pleiten gegen Bochum und Wolfsburg stehen die Blau-Weißen auf einem Abstiegsplatz. Und ausgerechnet jetzt steht das Hauptstadtderby im Olympiastadion an. Von Lars Becker

Thema der Woche

Das hatten sie sich ganz anders vorgestellt bei Hertha BSC. Statt der erwarteten Reaktion auf die Auftaktpleite in Bochum gab es gegen Wolfsburg "einen Schlag in die Fresse", wie Trainer Sandro Schwarz drastisch formuliert, ein 0:5-Debakel nach einer unterirdischen ersten Halbzeit.

Trotz der unerwarteten Rückschläge geht der Coach aber erstaunlich selbstbewusst in das Stadtderby gegen den 1. FC Union: "Ich finde, es kommt gerade zum richtigen Zeitpunkt", sagt Schwarz "eine Riesenmöglichkeit, die Stimmungslage zu drehen, für Dich selbst ein anderes Gefühl zu holen, für den Klub, für die Leute, für die Fans. Das wollen wir ausstrahlen. Und auch die Tabellensituation ist uns bewusst."

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Klingt ein wenig wie das berühmte Pfeifen im Walde. Ruhe bewahren, nur keine Aufregung oder gar Panik angesichts der kritischen Situation - das ist die Haltung, die Hertha BSC vor dem brisanten Derby ausstrahlen will: "Es geht darum, die Jungs wieder aufzubauen", betont Manager Fredi Bobic, "die Situation musst Du annehmen, auch positiv voll annehmen. Es ist noch ein langer, langer Weg zu gehen, ein harter Weg, aber wir wissen auch, dass wir am Samstag vieles in eine positive Richtung drehen können. Aber es liegt an uns selbst."

Bobic und Schwarz schwören Mannschaft und Fans auf einen Abstiegskampf bis zum Saisonende ein: "Jedes Spiel wird ein Endspiel sein", bemüht Bobic sogar eine gängige Fußball-Floskel.

Jetzt bloß nicht alles am Ergebnis des Derbys gegen Union festmachen, appelliert Schwarz, auch an die Fans gerichtet, für die das Derby immer eine herausragende Bedeutung besitzt: "Es geht darum, wie du in das Spiel reingehst, dir mit vielen kleinen Siegen ein besseres Gefühl holst, in deinem Zweikampfverhalten, in deiner Laufleistung, in deiner Passqualität, all das von der ersten Sekunde auf den Platz zu bekommen." Übersetzt: Einstellung und Leistung müssen stimmen, das Team muss gegen Union "ein anderes Gesicht zeigen", aber das Derby entscheidet nicht über den Klassenerhalt.

Der Gegner

Enorme 19 (!) Punkte beträgt der Rückstand des Vorletzten Hertha BSC nach der Hinrunde auf den Lokalrivalen und Tabellenzweiten aus Köpenick. Eine Welt! Die Favoritenfrage stellt sich nicht: "Eine Mannschaft, die ihre Abläufe schon lange perfektioniert hat, die in der Arbeit gegen den Ball sehr gut ist, im Offensivspiel sehr gut ist", zollt Schwarz dem Gegner Respekt, betont aber, dass es auch darum gehe, das "Selbstbewusstsein zu haben, dass wir auch Stärken haben, dass wir uns nicht verstecken wollen, dass wir nicht passiv agieren wollen. Und dass wir zeigen wollen, was wir auf dem Schläger haben."

Im Gegensatz zu Hertha BSC haben die Eisernen ihre ersten beiden Partien des neuen Jahres gewonnen, haben dabei jeweils einen Rückstand gedreht, am Mittwoch in Bremen auswärts 2:1 gewonnen. Der 1. FC Union ist eine über Jahre entwickelte, gefestigte, klar strukturierte und funktionierende Einheit, Hertha BSC dagegen ein noch zu oft schnell zu erschütterndes, labiles Gebilde.

Zum Angeben

Acht Derbys hat es in der gemeinsamen Bundesligazeit von Hertha BSC und dem 1. FC Union bisher gegeben, sieben in der Liga und eins im DFB-Pokal. Die Bilanz: Nur zwei Siege für Hertha, fünf dagegen für den 1. FC Union sowie ein Unentschieden. Zuletzt waren die Duelle eine einseitige Angelegenheit, Union gewann das Hauptstadtderby viermal in Serie.

In der vergangenen Saison endete die Stadtmeisterschaft aus Sicht von Hertha BSC sogar 0:3, Union triumphierte doppelt in der Liga und im Pokal-Achtelfinale. Diese Dominanz würde Hertha gerne beenden. Der letzte Sieg der Blau-Weißen liegt inzwischen mehr als zwei Jahre zurück. Im Dezember 2020 gewann Hertha mit Trainer Bruno Labbadia im Olympiastadion 3:1.

Die erwartete Aufstellung

Florian Niederlechner könnte seine Premiere im Hertha-Trikot feiern. Der zuletzt noch angeschlagene Winter-Neuzugang aus Augsburg hat in seinem ersten Mannschaftstraining am Mittwoch einen "sehr guten Eindruck hinterlassen", so Trainer Schwarz, und wird "mit Sicherheit im Kader stehen." Je nach Verlauf der weiteren Einheiten könnte der Stürmer gegen Union sogar schon in die Startformation rücken: "Er ist in der Offensive flexibel einsetzbar", nennt Schwarz eine der Stärken des 32-jährigen Routiniers und hebt auch Niederlechners "gutes Anlaufverhalten" beim Pressing hervor.

Personal

Verzichten muss Schwarz auf Rechtsverteidiger Jonjoe Kenny und Innenverteidiger Agustin Rogel. Kenny, der in der Saison bislang jedes Pflichtspiel bestritten hat, fällt wegen einer leichten Gehirnerschütterung aus. Ersetzen könnten ihn Routinier Peter Pekarik oder Youngster Julian Eitschberger. Rogel muss wegen seiner Gelbsperre passen, wird aber ohnehin wegen einer Knieverletzung mehrere Wochen ausfallen. Für ihn wird Filip Uremovic mit Marc Oliver Kempf die Innenverteidigung bilden. Nah dran an der Startformation sieht Schwarz auch den zuletzt mehrfach eingewechselten Jessic Ngamkam.

So könnte Hertha beginnen: Christensen - Pekarik, Uremovic, Kempf, Plattenhardt - Tousart, Šunjić,- Serdar - Lukebakio, Kanga, Niederlechner

Die Prognose

Hertha BSC wird gegen Union ein anderes Gesicht zeigen als in den beiden vorangegangen Spielen, mit Leidenschaft und Einsatz versuchen, die enttäuschten Fans mit einem Derbysieg zurückzugewinnen. Aber Hertha wird das Spiel nicht gewinnen. Union ist stabiler und als Team besser als der Lokalrivale. Ein Unentschieden wäre für den Außenseiter schon ein - allerdings eher unwahrscheinlicher - Achtungserfolg. Die Siege und Punkte für den Klassenerhalt müssen die Herthaner gegen andere Mannschaften holen.

Sendung: rbb24, 26.01.2023, 21:45 Uhr

Beitrag von Lars Becker

30 Kommentare

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  1. 30.

    Zitat: "Hertha hat nur dann eine Chance, wenn sie Köpenick den Ball überlassen, das ist ja nicht so deren Sache!"

    Von diesem "Trick" würde ich Sandro Schwarz abraten. Denn erstens mal, spielt Hertha z. H. und sollte schon versuchen, das Spiel zu machen - und zweitens, kann der FCU mittlerweile mehr mit eigenem Ballbesitz anfangen als es in der Vergangenheit der Fall war. Sich hinten reinstellen und auf Konter lauern könnte für die Charlottenburger übel ausgehen, und wäre dann ein viel größeres Debakel, als wenn man wenigstens ordentlich gekämpft und trotzdem verloren hat.

    Aber ich will HBSC hier natürlich keine Tipps geben, is klar. :D

  2. 29.

    Zitat: "Was bedeutet " klar " gewinnen eigentlich in der Praxis ?"

    Rotwieblut meinte sicher einen FCU Sieg mit mind. zwei Toren Unterschied; also kein 7:5, sondern eher 3:1. Das wäre ein klarer Sieg. Aber auch schon ein 1:0 kann man bei überlegener Spielweise des Siegers als 'klaren Gewinn' bezeichnen.

  3. 28.

    Die Chancen stehen für den BCC in der Tat schlecht. Doch muss Sie etwas anderes noch viel mehr verwirrt haben - offensichtlich zu Recht.

  4. 27.

    Hauptsache Union holt heute die 3PUNKTE.

  5. 26.

    Im letzten Derby wird Westend von den Berlinern an die Wand gespielt werden.

  6. 25.

    2. gegen den 17.! Klare Angelegenheit, das Spiel!
    Hertha hat nur dann eine Chance, wenn sie Köpenick den Ball überlassen, das ist ja nicht so deren Sache!
    Und Schieri-Glück, das braucht es auch!
    Kämpfe, Alte Dame, jede Serie geht einmal zuende!

  7. 24.

    Sicherlich spricht derzeit sowieso alles für die Eisernen - zu Recht, aber jede Serie kann mal reißen..... das ist auch eine Realität. Mögen die Besseren gewinnen.

  8. 23.

    Gut das es auch Herthafans gibt die die Situation realistisch sehen
    Sollte Hertha absteigen Wünsche ich dem Verein Erfolg beim Neuaufbau, den es im Sportlichen Bereich , aber auch in der Führungsriege geben muß
    Vielleicht gibt es ja das Spiel Hertha gegen den FCK in der 2. Liga

  9. 22.

    Was bedeutet " klar " gewinnen eigentlich in der Praxis ? 1 Tor, 2 oder 3 oder eine Packung ? Wird dabei auch die Spielweise des Gegners und andere Umstände berücksichtigt, oder ist das eine subjektive Wahrnehmung aus der Perspektive des Betrachters ? Was für den einen ein Foul ist, ist für den anderen eine Schwalbe.

  10. 21.

    Für einen Hertha-Sieg spricht in der Tat absolut nichts. Derzeit gibt es einen Klassenunterschied zwischen den beiden Teams, und wenn Hertha sich nicht noch wundersam steigert, wird es den auch formal in der nächsten Saison geben. Von daher ist das Derby absolut nicht meine größte Sorge, gegen den Tabellenzweiten (morgen wieder) darf man im Abstiegskampf verlieren. Aber eben nicht gegen alle und jeden.

  11. 20.

    Ich möchte mal nicht auf die 90% Hirnlos-Komentare eingehen. Ich möchte nur meine Einschätzung abgeben. Ohne Hähme und Rot-Weißer Brille.
    Ich weiß nicht, wie Hertha dieses Spiel gewinnen soll? Es spricht nichts, aber auch gar nichts für die Hertha. Union hat einen Derby-Lauf, dazu das so unterschiedliche Auftreten der Beiden nach der Pause . Der Unterschied in der Körpersprache der Spieler und derVerantwortlichen kann größer nicht sein. Aber Fußballspiele sind manchmal ein komisches Ding. Wenn nicht etwas Außergewöhnliches passiert, gewinnt UNION klar.
    EISERN

  12. 19.

    Ich würde mir zutrauen, die Mannschaft ohne viel Bimborium auch bis in die Oberliga zu führen. Aber dazu brauch's wahrscheinlich keinen Trainer.

  13. 18.

    Ich verstehe vollkommen, dass Sandro Schwarz in dieser Situation so reden muss. Alle, die nicht Trainer von Hertha BSC sind und auch kein ganz besonders starkes Kraut rauchen, dürften aber wohl folgender Aussage zustimmen: Für Union ist jeder Derby-Zeitpunkt der richtige, für Hertha keiner.

  14. 17.

    Häme ist unsportlich - Fan sein, heisst nicht, dem Anderen Niederlagen zu gönnen - schade, dass der gesellschaftliche Frust sich beim Fussball immer mehr Bahn bricht. Da ist mir der Frauenfussball dann schon bedeutend angenehmer, abgesehen von anderen Teamsportarten - wo man noch Fairness auf dem Spielfeld sehen und erleben darf, mit Ausnahme auch beim Eishockey, aber dit ist wat janz anderet.

  15. 16.

    Sie drücken Union die Daumen ? Also da wäre ich jetzt von alleine nie drauf gekommen .Na mal sehen wie es ausgeht die Hoffnung stirbt zuletzt .

  16. 14.

    Ja so ein 0 : 5 oder 0 : 7 wäre doch ein schönes Ergebnis
    Dann wäre Hertha am Boden und dem Hochverdienten Abstieg näher gekommen
    Drücke jedenfalls Union die Daumen

  17. 13.

    Diese Mannschaft rappelt sich ständig seit Jahren theoretisch mental und körperlich auf, allerdings nicht nach oben, sondern nach unten. Wie lange denn noch ? Vielleicht sollte man dem einen oder anderen mal ein Praktkum bei Union angedeihen lassen.

  18. 12.

    Das Derby kommt genau zum falschen Zeitpunkt. Traurig aber wahr. Ab morgen wird Hertha unten festgenagelt. Die Spiele danach geben keinen Anlass zu übertriebener Euphorie.

  19. 11.

    Lieber Lars Becker/rbb,
    zur Aufstellung: Der Hertha-Torwart heißt Christensen, nicht "Christianen".

  20. 10.

    Union, Frankfurt, Gladbach, Dortmund- das sind die kommenden Gegner. Da überhaupt Punkte zu holen wird schwer.
    Mit der momentanten Leistung sehe schwarz für Schwarz und Hertha........

  21. 8.

    Nun, der Spielplan steht fest und macht vor vor Platzierungen nicht halt. Mal schauen, wie das Derby ausgehen wird - die alte Dame ist ja immer für Überraschungen gut. Sicherlich ist Union wegen der Platzierung als Favorit gesetzt, aber Wettbewerbe schreiben ja mitunter ihre eigenen Gesetze.
    Möge die bessere Mannschaft gewinnen, Union entweder seiner Rolle gerecht oder die Hertha mit allen Kraftanstrenungen sich wenigsten einen Punkt sichern. Schauen wir mal - ich finde es ein spannendes Spiel, wenn nicht das spannendste des Spieltages.
    Einträchtige Grüße

  22. 7.

    Vielleicht rappelt sich ja diese Mannschaft, mental und körperlich. Und knickt nicht wie so oft in der zweiten Spielhäfte ein. War schon manchmal auch für mich etwas unverständlich. Frage mich woran das wohl liegen könnte.

  23. 5.

    Gegen Union kann man auch schon mal verlieren - keine Schande. Ausserdem ruft die 2.Liga nach einem prominenten Neuzugang.

  24. 4.

    Auch wenn Hertha dieses Derby für sich entscheiden sollte, was ich nicht glaube, stimmt doch grundsätzlich etwas nicht bei dem Verein. Seit Jahren wächst die Frustration und Enttäuschung. Es macht kaum noch Spaß, ein Spiel anzusehen. Ein Niederlechner allein, kann Hertha auch nicht "retten". Traurig...

  25. 3.

    Lieber Ick nu wieder,

    vielen Dank für den wachsamen Blick! Wir haben es umgehend geändert.

    Liebe Grüße,
    Ihr rbb24-Team

  26. 2.

    Liebes RBB - Team,
    der Neuzugang aus Freiburg heißt Florian und nicht Floria :-)

  27. 1.

    "Zum Angeben"?
    Sicher, bei der Ausgangslage wäre es angebracht, dass sich die Unioner auf dieses billige Niveau begeben, aber der ist schon vom BCC besetzt.
    Das der Schriftsteller dieses Artikels hofft, dass "Hertha BSC wird gegen Union ein anderes Gesicht zeigen als in den beiden vorangegangen Spielen, mit Leidenschaft und Einsatz versuchen, die enttäuschten Fans mit einem Derbysieg zurückzugewinnen" ist nur legitim, letztlich betoniert der Verein nur seinen Abstiegsplatz.
    Mir bleibt nur zu hoffen, dass das Spiel ohne schwere Verletzungen von statten geht, jeder weiß, wie sich der Frust auswirken kann.

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