Verschwundene Vereine | ASK Vorwärts Berlin - Der Rekordmeister dankt ab

Do 05.01.23 | 15:40 Uhr | Von Shea Westhoff
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Archivbild:Siegerehrung der DDR-Oberliga 1965/1966.(Quelle:imago images/W.Schulze):
Bild: imago images/W.Schulze

Vorwärts Berlin war die prägende Mannschaft im frühen DDR-Fußball, zählte zeitweise die meisten Oberliga-Titel. Heute wissen nur noch wenige um die großen Erfolge. Auch schon zur Vorwärts-Blütezeit waren in Ostberlin andere Klubs populärer.

Teil 4 von 5 in der rbb|24-Serie "Verschwundene Vereine"

Berliner Fußballvereine haben (Negativ-)Rekorde aufgestellt, unzählige Profis hervorgebracht, für unvergessene Spiele gesorgt. Einige dieser Berliner Klubs existieren heute nicht mehr. rbb|24 stellt die verschwundene Vereine vor. Bisher erschienen sind Beiträge zum Spandauer SV , SC Tegel und Wacker 04 Berlin. Der vierte Teil befasst sich mit dem wenig bekannten ASK Vorwärts Berlin.

"Gar keine", sagt Marco Bertram. "Der Klub hat in Berlin einfach keine Spuren hinterlassen." Umso schwieriger sei es gewesen, Dokumente und Zeitzeugen für sein Buch über den verschwundenen Fußballverein ASK Vorwärts Berlin zu gewinnen. "Es ist wirklich verrückt, bei diesen Erfolgen."

Stillschweigender Umzug von Leipzig nach Berlin

Mit großem Fußball in der DDR verbinden heute die meisten vor allem den BFC Dynamo sowie Dynamo Dresden, vielleicht noch Magdeburg und Jena. Aber Vorwärts Berlin?

Ganze sechs Meistertitel feierte der Verein, der seine Heimspiele zumeist im Jahnsportpark austrug, dazu zwei Pokalsiege und mehrere Europapokal-Teilnahmen. Heute herrscht darüber weitgehende Ahnungslosigkeit.

Gegründet hatte sich der Verein Anfang der 1950er Jahre in Leipzig, Träger war die Kasernierte Volkspolizei, Vorgängerin der Nationalen Volksarmee (NVA). "In Leipzig war der Klub nicht wirklich beliebt, weil er zahlreiche Spieler von Lokalkonkurrent Chemie abwarb", sagt Bertram. Aufgrund der breiten Ablehnung und wohl auch, damit die Hauptstadt endlich ein fußballerisches Aushängeschild erhielt, wurde der Verein nach Berlin verlegt.

Otto Fräßdorf (r.)Vorwärts-Ikone Otto Fräßdorf (r.) wird vom Masseur im Entmüdungsbecken behandelt.

Zeitweiliger DDR-Rekordmeister

Der Wechsel erfolgte im Stillschweigen, zeitgenössische Medienberichte dazu fehlen, wie Bertram sagt, und so wussten in Leipzig selbst die Vorwärts-Sympathisanten zunächst nicht, was mit ihrem Klub eigentlich geschehen war.

In den folgenden Jahren kam man an Neuigkeiten rund um den Klub allerdings nicht mehr vorbei: Der ASK Vorwärts reihte einen Titel an den nächsten, feierte 1958 die erste Oberliga-Meisterschaft, fünf weitere sollten bis 1969 folgen. Als prägende Spieler hebt Bertram Torhüter Karl-Heinz Spickenagel hervor sowie Otto Fräßdorf und Jürgen Nöldner - der daneben 16 Mal für die Nationalmannschaft treffen sollte, darunter das schnellste Tor der DDR-Länderspielgeschichte (1965 gegen Österreich).

1959 nahm die Mannschaft zum ersten Mal am Europokal der Landesmeister teil und schlug im Hinspiel der ersten Runde den hochfavorisierten englischen Meister Wolverhampton Wanderers mit 2:1 – vor 65.000 Zuschauern im Walter-Ulbricht-Stadion. Das Rückspiel ging mit 0:2 verloren, was das Aus besiegelte. In den Folgejahren sollten weitere namhafte Gegner dazukommen, etwa die Glasgow Rangers, Manchester United und Roter Stern Belgrad. 1970 scheiterte man gar erst im Viertelfinale an Feyenoord Rotterdam.

Trotz der sportlichen Erfolge waren die Zuschauermagneten in der Hauptstadt weiterhin Motor Oberschöneweide und der aus ihm hervorgegangene Klub Union Berlin sowie der aus dem SC Dynamo hervorgegangene BFC Dynamo.

Die "Delegierung" nach Frankfurt und das Ende der Blütezeit

Die berüchtigte Sympathie des Stasi-Chefs für den BFC sollte sich letztlich als folgenschwer für den Stadtkonkurrenten Vorwärts erweisen: Um den BFC zur Nummer eins in Berlin zu machen, musste Vorwärts wohl aus der Stadt verschwinden. Das lasse sich zwar heute mit keinem Dokument belegen, so Bertram, doch dass solche Erwägungen bei der sogenannten "Delegierung" nach Frankfurt (Oder) eine Rolle gespielt haben, dürfe als unbestreitbar gelten.

Autor Marco Bertram (l.) und Thorsten BeckAutor Marco Bertram (l.) und Thorsten Beck, Trainer des Vorwärts-Nachfolgers 1. FC Frankfurt

Bertram führt allerdings noch einen Grund ins Feld: Das Quartier der NVA-Verwaltung saß in Strausberg - und die Stadt gehörte damals zum Bezirk Frankfurt. Als Teil der NVA-Armeesportvereigung "Vorwärts" habe es also durchaus Sinn gehabt, den erfolgreichen Fußballverein im Jahr 1971 in die Nähe des Trägers zu verlegen. "Es galt als saubere Sache", sagt Bertram. Außerdem habe sich die Stadt Frankfurt intensiv als neue Heimat für den Verein beworben.

Doch an die Erfolge der Berliner Epoche konnte der neue FC Vorwärts Frankfurt (heute 1. FC Frankfurt) nicht mehr anknüpfen.

Hinweis: Das Buch "Vorwärts Berlin / Frankfurt Oder - Fußballfibel" erschien im Frühjahr 2022 im Verlag Culturcon Medien (200 Seiten).

Sendung: rbb24 Inforadio, 05.01.2022, 13:15 Uhr

Beitrag von Shea Westhoff

9 Kommentare

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  1. 9.

    Also, die Fußballer von Vorwärts waren als sie nach FFo abgeschoben wurden bereits der FC Vorwärts ( FCV ). Sie hatten das gr0ße Manko , dass sie die Armeeführung nicht hinter sich hatten, denen egal waren. Zu behaupten, dass der Verein in Zeiten des Erfolges außer Union noch andere Zuschauermagneten vor sich vor sich hatte ist ein Witz. Der Stasiverein war jedenfalls keine Konkurrenz, war nahezu bedeutungslos. Es dauerte lange, bis ihn Mielke da hatte, wo er in wollte. Mit dem FCV in Berlin wäre das nie was geworden. In Frankfurt begann dann der Niedergang und nach dem Mauerfall war dann Schluss. Schlimm ist es, dass Frankfurt als Sportstadt von der Bildfläche verschwunden ist. Da war der ASK gr0ß. In vielen Sportarten war der ASK top und hat viele Weltmeister und Olympiasieger hervorgebracht. Im Handball war der ASK sehr erfolgreich, hatte viele Fans und Stimmung in der Hütte ( Männer und Frauen ). Von denen spricht heute auch keiner mehr.

  2. 8.

    Der rechte Papst auch. Wenn stört es?

  3. 7.

    Außerdem war hier in Ffo jede Menge Armee (nicht nur NVA) - das wird von der heutigen Generation nur nicht mehr gesehen - das paßte schon gut nach Ffo, da ja hier dann auch die KJS gegründet wurde und die anderen Sektionen des ASK Berlin auch nach Ffo kamen und bis heute auch erfolgreich sind (auch weiterhin mit Unterstützung der Armee).

  4. 6.

    "Doch an die Erfolge der Berliner Epoche konnte der neue FC Vorwärts Frankfurt (heute 1. FC Frankfurt) nicht mehr anknüpfen." Na, 1974 besiegte der FCV Juventus Turin im Erstrundenspiel des UEFA-Pokals zu Hause mit 2:1 immerhin noch, war das kein Erfolg?
    Außerdem gehörte zum ASK Vorwärts Berlin und dann auch später ASK Vorwärts Ffo mehr als nur Fußball.

  5. 5.

    Es geht aber nicht um Ahnung, sondern um Wissen und geographische Nähe hatte damit nur bedingt zu tun, sondern es ging um die VERWALTUNG, was man auch begreift, wenn man denn richtig liest und es auch verstehen will.

  6. 4.

    Welcher Sinn steckt jetzt in dem Text, außer, keiner?
    Wenn anderen Mannschaften die Spieler weglaufen, dann bringt es was, wenn ich einen kompletten Verein umsiedle, aber die Spieler in diesem belasse?
    Immer wieder lustig, wenn Leute meinen, sie wüssten alles besser, selbst wenn sie nicht mal die Bohne wissen, geschweige denn, recherchiert haben.

  7. 3.

    Zur Ergänzung:
    Der ASK Vorwärts KVP wurde nach Berlin geholt, weil den Ostberliner Mannschaften die guten Spieler gen Westen davon liefen. Von der KVP erhoffte man sich mehr Linientreue.
    Nach dem Mauerbau fiel dieser Grund weg.

    Fun Fact: In der Serie Ku'damm 56 verliebt sich die Hauptfigur in den Towart des ASK Vorwärts.

  8. 2.

    Na der Autor hat ja mal richtig Ahnung, was Berlin-Brandenburger Topographie angeht. Frankfurt und Strausberg lagen zwar im selben Bezirk. Berlin war und ist dennoch näher an Strausberg dran. Und mit der S-Bahn zudem besser angebunden.

  9. 1.

    Geschichte die nicht mehr ins Bundesweltbild passt.Sport ohne Sponsoren, Sport hat nichts mehr mit Sport zu tun. Kommerz als Teilhabe am Erfolg..oder Misserfolg.Geld Bezahlt Sportler ohne Motivation.Eine Liga im Osten war Kampf um Anerkennung.Auch Bezahlt durch Beiträge.Aber Millionäre der Lustlosigkeit und Zufriedenheit,ohne Vereinsverbundenheit,sind Söldner ohne Charakter.Bezahlte Dummheit ohne Wert.Siehe Hertha.Sport als Abzocke ,eine Ohrfeige für Arbeitnehmer im Schichtdienst.naja Menschen.

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