Eigengewächse von Hertha BSC - Aus der Not eine Jugend machen

Mi 08.02.23 | 17:27 Uhr | Von Marc Schwitzky
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Hertha-Talente Klemens, Eitschberger, Gündüz, Dardai, Popp, Maza (Quelle: IMAGO / Zink, Contrast, Picture Point, Sportfoto Rudel, Matthias Koch | Collage: rbb Sport)
Bild: IMAGO / Zink, Contrast, Picture Point, Sportfoto Rudel, Matthias Koch | Collage: rbb Sport

Hertha BSC möchte zurück zu seinen Wurzeln und die Arbeit mit den Eigengewächsen stärken. Welche Jugendspieler aufgrund ihres Talents für diesen Weg in Frage kommen, erklärt Marc Schwitzky.

"Wir müssen zurück zu unserem Weg, zum Hertha-Weg", sagte Kay Bernstein, Präsident von Hertha BSC, auf einer Pressekonferenz am 29. Januar. Bernstein erklärte, dass es einen "Kurswechsel" bräuchte, zu welchem der Klub aufgrund massiver Sparmaßnahmen gezwungen sei. Hertha wolle in Zukunft wieder das Prunkstück - die Jugendakademie - in den Vordergrund stellen und es als "Hauptfundament" für die sportliche Ausrichtung nutzen.

Doch gibt es aktuell überhaupt Talente in Herthas Reihen, die den neuen Weg bereits kurz- bis mittelfristig mit Leben füllen können?

Viel Talent bereits in der Profi-Mannschaft

Lange muss nicht gesucht werden, um vielversprechende Hertha-Eigengewächse zu finden, denn bereits in der Profi-Mannschaft tummeln sich einige Talente. Innenverteidiger Marton Dardai (20) und Angreifer Jessic Ngankam (22) haben sich als gebürtige Berliner bereits fest bei Herthas Profis etabliert. Dardai als auch Ngankam ist zuzutrauen, kurz- bis mittelfristig eine wichtige Rolle bei Hertha einzunehmen. Dasselbe gilt für Derry Scherhant (20) und Linus Gechter (18, aktuell an Eintracht Braunschweig verliehen), die erste Visitenkarten bei den Profis hinterlegt haben.

Genau darauf wartet momentan Lukas Ullrich, eines der größten Linksverteidiger-Talente des Landes. Ullrich ist ein sehr moderner, offensiv ausgerichteter Außenverteidiger, der von der halben Bundesliga beobachtet wird. Der Vertrag des 18-Jährigen läuft im Sommer aus, sodass es wohl noch in der laufenden Saison erste Bundesliga-Einsätze bräuchte, um ihn von einem Verbleib zu überzeugen.

Pascal Klemens – in jungen Jahren schon Abwehrchef

Mit nur 17 Jahren hat Pascal Klemens den Sprung zu den Profis scheinbar schon fast geschafft. Der Innenverteidiger durfte im Winter mit ins Trainingslager in Florida reisen und hat dort solch einen guten Eindruck hinterlassen, dass er seitdem regelmäßig unter Sandro Schwarz trainiert. "Er bringt im Training eine Selbstverständlichkeit im Spiel mit. Er hat ein gutes Aufbauspiel, hat gute Eindrücke hinterlassen. Er definiert sich über Konsequenz und Zweikampfführung", so Schwarz über den Kapitän von Herthas U19.

Ähnlich wie ein Gechter wirkt Klemens spielerisch, körperlich und mental sehr weit für sein Alter. Der Profi-Vertrag für den U18-Nationalspieler scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Das könnte auch für Innenverteidiger-Partner Joel da Silva Kiala gelten, der mit 19 Jahren den Sprung von der U19 zur U23 geschafft hat und dort nun auch Stammspieler ist.

Julian Eitschberger – die Hoffnung für hinten rechts

Das Flügelpendat zu Ullrich ist der nur elf Tage ältere Julian Eitschberger. Genauso wie Ullrich hat sich der Rechtsverteidiger in der laufenden Spielzeit zum Leistungsträger in Herthas U23 entwickelt. Bereits in der vergangenen Saison hat der in Hohen Neuendorf geborene Abwehrspieler – ausgerechnet im Derby gegen Union Berlin – sein Profi-Debüt gefeiert. Im Juli 2022 folgte dann der Profi-Vertrag.

Auch spielerisch ähneln sich Eitschberger und Ullrich, denn auch der Rechtsverteidiger zeichnet sich durch einen mutigen, offensiven Spielstil aus. Spätestens wenn Routinier Peter Pekarik den Verein im Sommer verlassen wird, wird der aktuelle U19-Nationalspieler fester Bestandteil des Profi-Teams sein.

Teoman Gündüz – Torgefahr aus dem Mittelfeld

Eines der vielen Dinge, die Hertha in den letzten Jahren fehlt, ist Torgefahr aus dem Mittelfeld. Hier könnte Teoman Gündüz schon bald sehr wichtig werden. Der zentrale Mittelfeldspieler hat in der laufenden Saison zehn Tore in zehn Spielen für Herthas U19 erzielt, was ihm den Sprung in die U23 ermöglicht hat.

Der 18-Jährige erinnert in seiner Spielweise an Suat Serdar: Trotz seiner 1,76 Meter ist er körperlich robust und präsent, aber vor allem seine Torgefahr, Technik und Dynamik machen ihn aus. Einmal im Dribbling, ist Gündüz kaum noch zu stoppen. Zudem verfügt er über ein gutes Spielverständnis. Mit seiner mutigen Spielweise könnte er Herthas Profi-Team eine neue Note verleihen.

Bence Dardai – der Nächste bitte

Pal, Palko, Marton und demnächst Bence – Familie Dardai hat eine regelrechte Dynastie bei Hertha aufgebaut. Nicht wenige sagen, dass der 17-jährige Bence der talentierteste aller Dardais ist. Mit sechs Toren und sieben Vorlagen in nur zehn U19-Ligaspielen unterstreicht der offensive Mittelfeldspieler diese These. Der U17-Nationalspieler beherrscht alles, was es in der Offensive braucht: sehr gute Technik, starke Übersicht, Torgefahr und große Kreativität. Körperlich muss Dardai definitiv noch zulegen, aber seine Perspektive bei Hertha erscheint glänzend.

Leander Popp – ersehnte Verstärkung für den Flügel

Hinter Dardai ist Leander Popp mit sieben Toren und fünf Vorlagen Herthas U19-Topscorer. Der 17-Jährige Flügelangreifer gilt ebenso als überaus talentiert: Technik, Dribbling, Abschluss, gute Entscheidungsfindung und körperliche Robustheit – Popp, der 2018 aus der Union-Jugend kam, bringt bereits ein sehr rundes Profil mit sich. Zusammen mit Dardai, Klemens und ein paar weiteren Spielern könnte für Popp im kommenden Sommer der Sprung in Herthas U23 und damit in die Regionalliga gelingen. Von dort aus ist der Weg zu den Profis nicht mehr weit. Popp hat sämtliche Anlagen, um jenen Weg zu gehen.

Update, 9.2.: Zunächst muss Popp aber pausieren: Er wird mit einem Kreuzbandriss für mehrere Monate ausfallen. Das berichtet die "BZ". Die Verletzung zog Popp sich am vergangenen Sonntag beim Auswärtsspiel in Bremen zu.

Ibrahim Maza – ein echtes Sturmjuwel

Popps Teamkollege, Ibrahim Maza, hat mit nur 17 Jahren bereits erste Minuten bei Herthas U23 sammeln können. Der Mittelstürmer, der flexibel einsetzbar auch als Spielmacher und Außenstürmer eingesetzt werden kann, besticht durch gleich mehrere Attribute. Maza will ständig den Ball haben, scheut kein Duell und ist technisch überaus begabt. Zudem verfügt der deutsche U18-Nationalspieler über eine gute Übersicht und einen exzellenten Abschluss.

Maza, Gündüz, Popp und Dardai sind elementare Faktoren dafür, dass Herthas U19 unter Trainer Oliver Reiß nach zwölf Spieltagen die U19-Staffel Nord/Nordost anführt und mit 42 Toren die mit Abstand meisten aller Teams erzielt hat.

Talent ist da, die Zukunft aber ungewiss

Tatsächlich verfügt Hertha sowohl bei den Profis als auch in den beiden obersten Jugend-Mannschaften über viel Talent, das kurz- bis mittelfristig ein echter Faktor werden könnte. Die "alte Dame" stellt in mehreren deutschen U-Nationalmannschaften zig Talente, die sich über die U19 und U23 aufdrängen und einmal mehr unter Beweis stellen, wie gute Herthas Akademie ist.

Inwieweit all diese Talente tatsächlich eines Tages bei den Profis Fuß fassen können, wird nie mit Gewissheit gesagt werden können. Der letzte Schritt in diesem Karriereabschnitt ist der schwerste und so kann nur das derzeitige Potenzial eingeschätzt werden. Für Hertha wird es nun darauf ankommen, Rahmenbedingungen mit guter Perspektive für Talente zu schaffen. Eigengewächse wie Luca Netz verließen den Klub in den letzten Jahren auch, weil nicht klar war, wie es bei den Profis weitergehen wird.

Wer wird mein Trainer bei den Profis sein? Welchen Fußball will er spielen? Inwiefern wird auf mich gesetzt? In welcher Liga spielen wir nächste Saison? All das sind Fragen, die sich Jugendspieler stellen. Hier muss Hertha frühzeitig durch strategische Entscheidungen Fakten schaffen. Nur dann ist der "Hertha-Weg" kein matschiger, zugewachsener Trampelpfad sondern eine sichere Route, auf die sich Talente gerne begeben.

Sendung: rbb24 Inforadio, 07.02.2023, 9:15 Uhr

Beitrag von Marc Schwitzky

8 Kommentare

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  1. 8.

    Zitat: "Und da zeigt der andere Berliner Bundesligist, dass es nur eine gut zusammengestellte, funktionierende Söldnertruppe braucht, um in der Liga zu gewinnen.
    Aufwendige Nachwuchsarbeit spart man sich in Köpenick lieber..."

    Wenn etwas auf den FCU Kader nicht zutrifft, dann der von Ihnen verwendete despektierliche Begriff "Söldnertruppe". Richtig ist, dass der FCU seine U23 zur Saison '15/'16 vom Spielbetrieb abgemeldet hat, da nach damaliger Aussage u. a. der Aufwand dafür zu hoch war und die dadurch freigewordenen Mittel in das NLZ investiert und U19 Spieler mehr gefördert werden sollten. Nun ja...
    Wobei anzumerken ist, dass bsw. auch Bayer Leverkusen, Eintracht Frankfurt, RB Leipzig oder Arminia Bielefeld ebenso agiert haben.

  2. 7.

    Das liest sich immer wieder gut und spricht auch für eine aufwendige und herausragende Nachwuchsarbeit.
    Aber am Ende zählen nur die Punkte, sprich der Erfolg der 1.Mannschaft. Und da zeigt der andere Berliner Bundesligist, dass es nur eine gut zusammengestellte, funktionierende Söldnertruppe braucht, um in der Liga zu gewinnen.
    Aufwendige Nachwuchsarbeit spart man sich in Köpenick lieber...
    Aber der Erfolg gibt ihnen da Recht!

  3. 6.

    „…der Sprung in Herthas U23 und damit in die Regionalliga gelingen. Von dort aus ist der Weg zu den Profis nicht mehr weit“
    Ziemlicher Euphemismus, oder? Der Weg von der 4. in die 1. (oder auch 2.) Liga ist doch gemeinhin ein ziemlich weiter. Auf jeden Fall wird es kein leichter sein… ;o)

  4. 5.

    Der Sprung von der Regionalliga in die Bundesliga ist riesengroß, aber bei Hertha müssen die Talente nur den Sprung in die 2. Bundesliga schaffen, denn dort wird die Mannschaft mit allergrößter Wahrscheinlichkeit im nächsten Jahr spielen. Dieser Sprung ist allerdings auch sehr groß.

  5. 4.

    Hertha steht auf dem achten Rang, was den Einsatz von Eigengewächsen in der Hinrunde anbelangt; 3 Eigengewächse, 876 Spielminuten, 5,5% der gesamten Spielzeit der Mannschaft. Das ist kein schlechter Wert, wenngleich natürlich noch ausbaufähig.

  6. 3.

    Nun, bei Hertha funktioniert ja nun augenscheinlich gar nichts (mehr), wobei ich mal die Fans ausnehmen möchte. Deswegen werden wir als Herthaanhänger unser Team in diesem Jahr wohl unabwendbar in die 2. Liga begleiten. Vielleicht gelingt dort mithilfe der eigenen Nachwuchsförderung (war das nicht einmal ein Aushängeschild der alten Dame?) ein Neuaufbau. Da Hertha finanziell am Ende ist, wird auch kein anderer Weg zur Verfügung stehen.

  7. 2.

    Und was ist mit Tjark Ernst (19) und
    Robert Kwasigroch (18)? Nirgends ist von unseren Torwarttalenten die Rede!
    Die beiden sind schon jetzt die Nummer 2 und 3.
    Aber vlt habe ich das überlesen.

  8. 1.

    Ich habe es jedes Jahr dutzende Male gehört, dass man auf die Talente setzen will. Leider sitzen sie maximal auf der Bank. Der letzte Trainer der die Jugend ins Wasser geschmissen hat war Hans Meyer. Alle anderen trauten den Jungen nicht. Warum funktioniert das nur immer bei anderen Bundesligaklubs??

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