Unerwartetes Karriereende | Eishockey-Spieler Stefan Ustorf - "Ich habe Jahre gebraucht, um wieder normal zu funktionieren"

Do 23.03.23 | 06:14 Uhr | Von Jonas Bürgener
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Stefan Ustorf während eines Spiels der Nürnberg Ice Tigers. Quelle: imago images/Zink
Bild: imago images/Zink

Mehr als 20 Jahre lang war Stefan Ustorf Eishockey-Profi. Seine größten Erfolge feierte er mit den Eisbären Berlin. Seine aktive Karriere wirkt auch heute noch nach. Ustorf plagen nach wie vor die Langzeitfolgen einer schweren Kopfverletzung. Von Jonas Bürgener

Sein letztes Eishockey-Spiel bestreitet Stefan Ustorf am 6. Dezember 2011 für die Eisbären Berlin. Zu dem Zeitpunkt hatte er in gut 20 Jahren bereits in mehr als 1.200 Partien auf dem Eis gestanden. Gerne hätte er das auch darüber hinaus getan.

An diesem Dienstag spielen die Eisbären eines der unzähligen DEL-Spiele, gegen die Hannover Scorpions. Es steht 2:2, Ustorf gab eine Torvorlage, als ein Gegenspieler ungebremst in ihn hineinfährt. Sein Kopf schnellt nach hinten und schlägt hart auf dem Eis auf.

Ustorf muss pausieren und kämpft danach lange um weitere Einsätze, versucht, das plötzliche Karriereende zu verhindern. Am Ende erfolglos. Im Frühjahr 2013 beendet der Angreifer, damals 39 Jahre alt, auch offiziell seine Laufbahn. Der Grund ist ein Schädel-Hirn-Trauma. Verursacht durch das harte Tackling im Spiel gegen Hannover.

Bis heute hat er mit Langzeitfolgen zu kämpfen, die wohl auch nie mehr weggehen werden.

"Bestimmte Dinge kann ich einfach nicht machen"

"Ich habe nach der letzten Verletzung zweieinhalb, drei Jahre gebraucht, um körperlich an einen Punkt zu kommen, an dem ich wieder normal funktionieren kann", sagt Ustorf heute im Gespräch mit rbb|24. "Ich hatte große Probleme: körperlich, aber auch mental. Außerdem musste ich mich ein paar Mal operieren lassen, um die chronischen Schmerzen in den Griff zu bekommen", beschreibt der 49-Jährige den nervenaufreibenden Rehabilitierungsprozess. "Es ging irgendwann nur noch darum, Wege zu finden, damit man wieder funktioniert."

In einem Interview mit dem "Spiegel" nach seinem offiziellen Karriereende beschreibt der Ex-Nationalspieler seinen Alltag als "Albtraum". Doch Ustorf arbeitet sich zurück. Verschiedene Therapien helfen, um die ständigen Kopfschmerzen zu lindern. 2014 ist er so weit, dass er bei den Eisbären im Management anfangen kann.

Seit 2021 ist er für DEL-Konkurrent Nürnberger Ice Tigers aktiv. Ustorf funktioniert wieder. Doch ganz verflogen ist die Verletzung nicht - und wird es wohl auch nie. "Ich habe immer noch gesundheitliche Probleme", sagt Ustorf. Immer noch plagen ihn regelmäßig Kopfschmerzen. "Bestimmte Dinge kann ich einfach nicht machen. Schnelle Bewegungen zum Beispiel. Das hat einen Effekt auf meine Augen, der zu Übelkeit führen kann. Damit muss ich mich abfinden", erzählt er.

Immer wieder Verletzungen

Ustorf sagt, das Schädel-Hirn-Trauma sei der ausschlaggebende Punkt gewesen. "Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat". Die Blessur war aber beileibe nicht die erste Kopfverletzung in seiner Karriere. Immer wieder hat er kleinere oder größere Gehirnerschütterungen, kehrt jedes Mal möglichst schnell wieder auf das Eis zurück.

"Alles, was ich gemacht habe, hat sich in dem Augenblick als die richtige Entscheidung angefühlt", sagt Ustorf heute, wenn er auf seine Laufbahn zurückblickt. "Sicherlich wäre es mir aber lieb, ich hätte zu manchen Zeitpunkten gewusst, was das für Spätfolgen haben kann", ergänzt er. "Da geht es nicht nur um Kopfverletzungen, sondern auch um andere Blessuren, mit denen man aufs Eis gegangen ist und gesagt hat: Das lasse ich nach der Saison behandeln. Das ist jetzt nicht so schlimm." Neben den kognitiven Einschränkungen hat Ustorf heute ein künstliches Schulter- und ein steifes Handgelenk.

Die Frage, ob im Eishockey immer noch zu wenig auf mögliche Risiken hingewiesen und Langzeitfolgen unterschätzt werden würden, verneint er entschlossen. "Das hat sich sehr zum Positiven verändert", sagt Ustorf, der mit den Eisbären insgesamt sechs Mal Deutscher Meister wurde. "Die Spieler sind viel besser unterrichtet, was das angeht. Sie können aus der Vergangenheit lernen. Die Spieler gehen mittlerweile respektvoller miteinander um und auch die Medizin hat sich verbessert", so Ustorf. "Das Eishockey, was ich in den 1990er Jahren mitgemacht habe, gibt es heute nicht mehr – zum Glück."

Das Eishockey, was ich in den 1990er Jahren mitgemacht habe, gibt es heute nicht mehr – zum Glück.

Stefan Ustorf

Ustorf brennt für den Sport - nach wie vor

Trotzdem fehlt es Ustorf auch heute noch, auf dem Eis zu stehen, wie er sagt. Der Wettkampf, das Gewinnen, das Verlieren, der Teamgedanke - und auch der physische Teil des Sports, wie er lachend zugibt.

Als Manager nimmt er mittlerweile von außen Einfluss auf sein Team und den Sport. Dabei spricht er mit den oft jungen Spielern auch über Verletzungen und Gesundheit. "Ich versuche schon, den Jungs meine Erfahrungen zu übermitteln und sie darüber aufzuklären, was alles passieren kann", sagt Ustorf. Nicht nur, aber auch wegen seiner Erfahrungen, achten die Nürnberg Ice Tigers nach Angaben von Ustorf ganz besonders auf Blessuren am Kopf. "Ich würde bei Kopfverletzungen immer auf der vorsichtigen Seite sein", sagt er.

Wer dem ehemaligen Nationalspieler und heutigen Manager zuhört, merkt, dass Ustorf nach wie vor mit viel Leidenschaft in seinem Sport arbeitet. Auch wenn die Eishockey-Karriere sein weiteres Leben wohl bis zum Schluss nachhaltig beeinträchtigt hat.

Beitrag von Jonas Bürgener

4 Kommentare

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  1. 4.

    Sie machen es sich meiner Meinung nach viel zu einfach wenn Sie das alles nach dem Motto "Soll sich nicht so haben, kriegt ja viel Geld für sein Hobby" abkanzeln. Leistungssport ist doch schon ein bisschen mehr; man muss auf vieles im Laufe der Karriere verzichten, und hat noch lange keine Garantie dass der Einsatz zum Erfolg führt.

  2. 3.

    Oh man, sind Sie frustiert. Warum lesen und kommentieren Sie das dann??
    Hier geht es um die Leidensgeschichte eines deutschen Nationalspielers, der aufklärt und dessen Schicksal den Sport verändert hat.
    Alles Gute Ustorf (Hooligan)

  3. 2.

    Für die Redakteure sind das jedoch " ganz wichtige Informationen", über die die Bürger Bescheid wissen sollen. Das trifft auch für die alte Hertha zu. Für mich sind diese Infos genau so unwichtig wie für Sie. Die Redaktin versorgt uns nur mit solchen Themen, die sie bestimmen. Und bei manchen Themen gibt es keine Kommentarfunktion bze. wird diese wie im Kindergarten gestaltet.

  4. 1.

    Ich kann das Gejammer von Sportlern nicht verstehen. Mein Mitleid hält sich in Grenzen. Jeder weiß was passieren kann wenn man sich ein Beruf aussucht. Auch ein Feuerwehrmann, Dachdecker oder Verkäuferin. Der Unterschied ist nur das Sportler soviel Geld verdienen (zu viel) das sie damit ein gutes Leben leben können und auch Ärzte. Die meisten werden, weil bekannt, noch Posten zugeschoben selbst wenn es dämliche Reklame ist und dafür gut bezahlt. Der normale kann auch verunfallen, bekommt nichts.

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