Interview | Handball-Spieler Mathias Gidsel - "Die Belastung ist meiner Meinung nach nicht in Ordnung"
Welthandballer Mathias Gidsel spielt in dieser Saison bei den Füchsen Berlin wieder groß auf. In diesem Jahr will er sich seinen großen Traum erfüllen. Was ihm Berlin bedeutet und welche dänische Soße er vermisst, erzählt er im rbb|24-Interview.
rbb: Wie häufig geht Ihnen am Tag durch den Kopf, dass Sie Welthandballer sind?
Mathias Gidsel: [lacht] Nicht so oft. Ich weiß aber natürlich, dass das viele sagen. In Deutschland sagt kaum jemand Handballer Mathias, sondern nur Welthandballer. Ich denke nicht jeden Tag daran, für mich bin ich nur Mathias.
Was unterscheidet einen guten Handballer von einem Welthandballer?
Das hängt natürlich zusammen. Als Welthandballer hast du ein bisschen mehr Druck, das ist schwierig und auch der große Unterschied. Am Ende bin ich aber nur ein Mensch und habe auch schlechte Tage.
Wie gehen Sie mit Druck um?
Ich habe viel mit einem Mentaltrainer zusammengearbeitet und der Druck war ein großes Thema. So ein Titel wie Welthandballer gibt dann noch einmal mehr Druck. Ich versuche, mich einfach darauf zu fokussieren, was wichtig ist.
Sie sind in Skjern in Dänemark aufgewachsen und schon mit 15 Jahren zu Hause ausgezogen, um Handballprofi zu werden. Wussten Sie schon früh, dass das ihr großer Traum ist?
Handballprofi nicht, aber Handball zu spielen war mein Traum. Ich habe als Kind Handball gespielt und wollte nichts anderes machen. Dann habe ich gehört, wenn ich Handball spielen will, muss ich auf die Internatsschule Oure. Deswegen bin ich mit 14 Jahren auch von meinen Eltern weggegangen.
Wie war dort die Entwicklung? Wurde sehr schnell klar, dass Sie sehr gut werden?
Nein, ich war wirklich gut im Handball spielen, aber sehr klein. Das war schwer, weil ich wirklich viel kleiner war als die anderen Kinder. Alle haben gehofft, dass ich wachse, weil sie gesehen haben, dass ich Handball verstanden und gut gespielt habe. Das ist zum Glück passiert. Jetzt habe ich ein normales Gewicht und Größe. Aber dass ich Handballprofi werde, war nicht immer klar.
Im Sommer 2022 sind Sie als Weltmeister zu den Füchsen Berlin gewechselt. Warum haben Sie sich für diesen Verein entschieden?
Es ist keine einfache Entscheidung, wenn man als junger Spieler aus Dänemark ins Ausland wechselt. Ich hatte mit den Füchsen Berlin ein gutes Gefühl, weil ich auch gute Gespräche mit Kretzsche [Stefan Kretzschmar, Vorstand Sport der Füchse Berlin, Anm. d. Red.] hatte. Außerdem wollte ich in einer großen Stadt wie Berlin wohnen. Der erste Gedanke war, dass ich für die Entwicklung der Person Mathias und als Handballer ein paar Jahre hier bleibe, aber jetzt habe ich mit den Füchsen Lust auf mehr und möchte den Verein weiterentwickeln.
Bei Instagram posten sie Bilder, auf denen Sie eine Wohnung renovieren. Fühlen Sie sich in Berlin schon richtig heimisch?
Meine Freundin Katrine und ich fühlen uns hier richtig wohl. Unser Hund Hermann hat sogar den perfekten Namen für Deutschland. Die Wohnung, Prenzlauer Berg und Handball, das passt alles zusammen. Wenn es im Handball schlechter laufen würde, wäre das schwieriger. Berlin ist einfach eine unfassbare Stadt.
Vorletzte Saison der Titel in der European League, in dieser Saison Champions League und es läuft gut in der Bundesliga, aber die Deutsche Meisterschaft fehlt Ihnen noch – was würde diese Ihnen bedeuten?
Natürlich viel! Die Bundesliga wird von Jahr zu Jahr stärker, da ist es schwierig. Die Bundesliga ist die beste Liga der Welt. Das macht Spaß, weil es sechs oder sieben Mannschaften gibt, die Deutscher Meister werden können. Schwierig, aber dafür ist die Bedeutung groß. Dann könnte ich auch einen Haken an den Wechsel zu den Füchsen Berlin machen und sagen, dass das die richtige Entscheidung war.
Sie sind im Sommer Olympiasieger geworden und hatten vor der Saison nur eine kurze Pause. Wie schaffen Sie diese Belastung?
Die Belastung ist unfassbar, meiner Meinung nach ist das nicht in Ordnung. Aber so ist es. Wir haben jetzt eineinhalb Jahre ohne Pause Handball gespielt und dann kommt noch die Weltmeisterschaft im Januar. Also die Belastung ist hoch. Es ist zu sehen, dass die Spieler, die bei Olympia dabei waren, mit der Stabilität und Motivation zu kämpfen haben. Es ist wirklich hart. Ich kann nur hoffen, dass ich verletzungsfrei bleibe. Aber es ist ein Gefühl, als würde man nur auf eine Verletzung warten. Es kann nicht sein, dass wir zwei Jahre am Stück Handball spielen. Jede Woche zwei Spiele auf diesem Niveau zu spielen, ist schwierig.
Auf dem Spielfeld lächeln Sie häufig. Ist Handball trotz der Belastung noch etwas, was Ihnen Spaß macht?
Vor 9.000 Zuschauern in der Max-Schmeling-Halle zu spielen, ist immer Spaß. Für mich ist das mein Spielplatz und ich liebe das. Ich bin sehr privilegiert, dass ich so oft vor so vielen Zuschauern spielen darf. Das macht es einfacher. Deswegen ist es auch so wichtig, dass die Zuschauer kommen. Das hat eine große Bedeutung für unsere Motivation.
Gibt es irgendwas in Dänemark, was Sie in Berlin vermissen?
In Deutschland heißt es Schwarzbrot – das ist nicht so gut wie in Dänemark. Jedes Mal, wenn meine Mutter zu Besuch kommt, hat sie Brot und eine dänische Sauce dabei, das ist hier in Deutschland schwierig zu bekommen. Es gibt hier viel Hollandaise, aber ich brauche die Bernaise.
Und dann wozu?
Wenn ich Essen mache, dann gibt es immer ein Steak und Pommes dazu. Aber es ist besser für uns beide [Mathias Gidsel und seine Freundin, Anm. d. Red.], dass ich zu Hause nicht so oft koche.
Danke für das Gespräch!
Das Interview führte Tabea Kunze, rbb Sport. Es handelt sich um ein Radio-Gespräch, das für die Online-Fassung gekürzt und redigiert wurde.
Sendung: rbb24 Inforadio, 27.11.2024, 10:45 Uhr