Unions Niederlage gegen Augsburg in der Analyse - Eine Fehlzündung und viele Sorgen

Do 16.01.25 | 11:22 Uhr
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Union-Trainer Steffen Baumgart (imago images/O.Behrendt)
Video: ARD Sportschau | 16.01.2025 | Stephanie Baczyk | Bild: imago images/O.Behrendt

Union Berlin bleibt im zehnten Bundesliga-Spiel in Folge ohne Sieg und vergeigt die Heimpremiere von Steffen Baumgart. Auch weil die Handschrift des neuen Trainers nicht nur unleserlich ist, sondern zugleich gefährliche Botschaften sendet. Von Ilja Behnisch

"Wir wollen das Ding anzünden. Und ich weiß, wie man das Ding anzündet", sagte Steffen Baumgart Anfang des Jahres bei seiner Vorstellung als neuer Trainer des 1. FC Union Berlin. Nach der zweiten Niederlage im zweiten Pflichtspiel unter seiner Anleitung, einem 0:2 gegen den FC Augsburg, muss man konstatieren: Baumgart hat offenbar nicht damit gerechnet, eine Mannschaft zu übernehmen, die ihr eigener Feuerlöscher ist.

Dabei war doch alles angerichtet für ein Feuerwerk. Die Heimpremiere für Baumgart, den verlorenen Sohn, der als Aktiver zwei Mal zu Unions Spieler der Saison gewählt wurde. Ein Flutlichtspiel gegen die mit null Siegen und zwei Remis bis dato schwächste Auswärtsmannschaft der Liga, die zuletzt selbst nach so etwas wie einem Streichholz zu suchen schien. Und dann das. Aber was eigentlich?

Zwischen zwangsläufig und verwegen

Baumgart schickte seine Mannschaft wieder mit der von ihm präferierten Viererkette ins Rennen. Das brachte offensiv gar nichts, weil scheinbar gleich drei Union-Mannschaften zugleich auf dem Rasen standen, jeweils geprägt von Trainern der jüngeren Vereinsgeschichte. Eine Urs-Fischer-Mannschaft, eine Bo-Svensson-Mannschaft und eine Steffen-Baumgart-Mannschaft. Selten schienen zwei Union-Spieler zeitgleich dieselbe Vorstellung davon zu haben, was bei Ballbesitz zu geschehen habe. Richtig blöd wurde die Sache nun dadurch, dass die Berliner offensiv also so harmlos waren wie zuletzt unter Baumgarts Vorgängern. Und defensiv deutlich schlechter.

Dass Baumgart sich erneut gegen die Dreierkette entschied, die ja aus guten Gründen fast so etwas wie in der Bundesliga-DNA des Klubs verankert ist, erscheint mindestens kühn. Als würde man den Rolling Stones nach ein paar schwächer verkauften Alben verordnen, es doch bitte einmal mit einer Jazz-Platte zu versuchen. Dass er zudem auch noch kräftig das Personal rotierte, mutet irgendwas zwischen zwangsläufig bis verwegen an.

Das Vorgehen scheint alternativlos - ist aber gefährlich

Mit Lucas Tousart, Rani Khedira, Jerome Roussillon und Kevin Vogt waren im Vergleich zum Heidenheim-Spiel (0:2) gleich vier Namen neu in Unions Startelf, wobei Roussillon nach der Rotsperre des Stamm-Linksverteidigers Tom Rothe ein Pflichtwechsel war. Dennoch - Unions defensive Außenbahnen waren viel zu oft luftiger als ein Spaziergang über das Tempelhofer Feld.

Vor allem beim 0:2 stimmte die Abstimmung zwischen den linken Gliedern der Viererkette zwischen den neu ins Spiel gebrachten Vogt und Roussillon nur nach der guten alten Weisheit: Nimm’ Du ihn, ich hab’ ihn sicher. Dass der nach vorne geeilte Augsburger Innenverteidiger Jeffrey Gouweleeuw schließlich im Strafraum gleich zwei Mal Zeit und Raum hatte, den Blick nach einem Mitspieler suchend in den Abendhimmel zu hieven, ist auf Bundesliga-Niveau ein eher seltenes Naturschauspiel.

Steffen Baumgart muss probieren, welche Spieler am besten zu seiner Spielidee passen, muss probieren, welche sie am ehesten (gemeinsam) umsetzen. Das im laufenden Spielbetrieb tun zu müssen, könnte angesichts der akuten Abstiegsgefahr allerdings noch gruselige Folgen haben. Auch wenn das Vorgehen alternativlos scheint. Wenn die Zeit drängt, macht man sich über Wahl des richtigen Herzschrittmachers vielleicht eben erst Gedanken, wenn der Patient schon auf dem OP-Tisch liegt.

Ein beängstigendes Gefühl

Es hätte ja auch alles anders kommen können, hätte Stürmer Jordan in der 46. Minute die Einladung der Augsburger Abwehr angenommen. Hätte er aus rund 14 Metern, zentral und freistehend ins Tor statt gegen die Latte geschossen. Aber wie sagte einst ein großer Fußball-Philosoph? Wäre, wäre Fahrradkette.

Weshalb die Mannschaft in diesem Moment den letzten Funken Hoffnung zu verlieren schien, an diesem Abend wenigstens ein Strohfeuer zu entfachen. Das Haare und Turban (nach frühem Kopftreffer) raufende Rumpelstilzchen Danilo Doekhi, das offenbar nicht fassen konnte, dass Jordan diese Chance nicht zu nutzen wusste, war das so ziemlich letzte Unioner Lebenszeichen der Partie. Dass Jordan in der 69. Minuten bei einem halbwegs vielversprechenden Angriff der Berliner seinen Schuh verlor, war dann fast schon zu viel an Symbolbild.

Irgendwann Mitte der zweiten Halbzeit schließlich schlich sich ein beängstigendes Gefühl ein: Gäbe man dieser Mannschaft eine Schatzkarte, sie würde wohl kollektiv auf der unbeschriebenen Rückseite nach dem Weg zum Gold suchen. Und vielleicht ist das die Lehre dieses aus Union-Sicht ernüchternden Auftritts. Dass es keinen braucht, der "das Ding anzündet". Sondern einen, der die Zeichen der Zeit lesen kann.

Sendung: rbb24 Inforadio, 16.01.2025, 7:20 Uhr

35 Kommentare

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  1. 35.

    Zitat: "Und es hat nichts mit Hass zu tun, wenn man vom Hauptstadt-Club und den Köpenickern spricht - es waren die Köpenicker, die Stolz waren auf ihr Underdog darsein...."

    Na ja, Hass ist sicher zu hoch gegriffen; aber es zeugt doch von deutlicher Arroganz, wenn hier von "Hauptstadt gegen Köpenick" geschrieben wird. Sicherlich verweist der FCU gerne auf seine Wurzeln im Bezirk Köpenick, der übrigens ein paar hundert Jährchen älter als Charlottenburg ist, was aber doch nicht heißt, dass man sich gegen den "Rest Berlins" abgrenzen will.

    Die Hertha hat nunmal nicht die Standort-Tradition des FCU (inklu seiner Vorläufer), und die bloße Behauptung, man wäre der einzige Verein für ganz Berlin bzw. für alle Berliner, ist doch völlig aus der Luft gegriffen und unzutreffend, Markus.

  2. 34.

    "Vielleicht gelingt es ja bei Hertha und Union :-) in den nächsten 36 Jahren ein bißchen.........bis dahin schööööön friedlich Fußball spielen und der Bessere gewinnt halt
    U.N.V.E.U."
    Die Hoffnung bleibt bestehen und unsere Region groß genug um zwei Vereine in der Liga zu haben.
    Ich persönlich fände es schön, wenn es zwischen Unionern und Herthanern wieder eine Fanfreunschaft geben würde.
    Frei nach dem Motto: "in den Farben getrennt - für die Stadt vereint"
    Derbys müssen kein "Hochrisikospiel" sein, sie können auch einfach nur Spass bringen.

    HaHoHE

  3. 33.

    interessanter Artikel mit Spiegelung des Jetzt und Heute nach 36 Jahre Mauerfall und das Wort "Wiedervereinigung" hier musste bewußt vermieden werden, denn daran ist auf alle Fälle noch zu arbeiten. Vielleicht gelingt es ja bei Hertha und Union :-) in den nächsten 36 Jahren ein bißchen.........bis dahin schööööön friedlich Fußball spielen und der Bessere gewinnt halt
    U.N.V.E.U.

  4. 32.

    "Nur mal am Rande. Ostberlin war durchgängig Hauptstadt und viele Westdeutsche wollten sogar Bonn behalten!
    Schade, wie wir alle in unserem Hass geschichtsvergessen sind!"
    1. heißt es Berlin (West) und Berlin (Ost) - Westberlin war eine politische Erfindung um den Westteil der Stadt von der Hauptstadt der DDR abzugrenzen!
    2. Berlin war auch laut GG der Bundesrepublik immer schon Hauptsstadt. Bonn seit Gründung der Bundesrepublik 1949 Regierungssitz und bis 1990 provisorische Bundeshauptstadt.

    Und es hat nichts mit Hass zu tun, wenn man vom Hauptstadt-Club und den Köpenickern spricht - es waren die Köpenicker, die Stolz waren auf ihr Underdog darsein....

    Mein Bruder ist in den 80èr Jahren mehrmals im Jahr zu Fußballspielen von Union gegangen und pflegte eine enge Fanfreundschaft zu unseren Köpenicker-Kameraden.
    Nach der "Wende" wurde mein Bruder als "Scheiß Hertha-Wessi" beschimpft. "Westpakete" wurden nicht mehr gebraucht daher es war modern sich als "Ossi" abzuspalten.

  5. 31.

    Union steht aber nicht für ganz Berlin und das ist Hausgemacht, man denke bloß an Zingler.

  6. 30.

    Nur mal am Rande. Ostberlin war durchgängig Hauptstadt und viele Westdeutsche wollten sogar Bonn behalten!
    Schade, wie wir alle in unserem Hass geschichtsvergessen sind!
    Eisern Berlin

  7. 29.

    Als Herthaner sehe ich das auch so. Ich drücke Union die Daumen. Berlin ohne Erstligisten wäre nicht schön.

  8. 26.

    So wünsche ich mir Kritik . Nicht einfach über den Berliner Rivalen herfallen, sondern den Finger in die Wunde legen. Und, Volker, ich frag mich auch, was läuft da schief zur Zeit. Aber meine Meinung hatte ich ja schon mitgeteilt.
    EISERN

  9. 25.

    Unioner Spieler haben zu oft und zuviel in den letzten Jahren gefeiert, mit allem drum und dran, das ist das Übel und der Grund des Untergangs!

  10. 24.

    Ein Glück, daß Union erst am Sonntag wieder ran muss und so noch etwas länger trainieren kann.

  11. 22.

    Beitrag gefällt, es gibt doch noch FUSSBALLfans mit Liebe zum fairen Sport, tut richtig gut.
    Trotzdem, realistisch ist zur Zeit schon, Hauptstadtderby !!!!
    Motto bleibt im Leben, auch von
    Hertha und Union:
    ..... " irgendwann sehn wir uns wieder"....... bis dahin, auch Grüße nach Drüben
    U.N.V.E.U.



  12. 21.

    Sehr richtig gesprochen. Als baldiger Zweitligist aus Köpenick. Ansonsten haben Sie auch recht: Sowohl Hertha, als auch Union haben eigene Baustellen en masse. Gründe für wechselseitige Häme gibt es derzeit ... KEINE

  13. 20.

    Seltsame und traurige Entwicklung in Köpenick. Bin über den Zustand des Teams erschrocken. Was läuft da seit 20 Monaten so durchgehend falsch?
    Als Herthaner (und damit als Berliner) drücke ich den "Kameraden an der Wuhlheide" die Daumen. Reißt euch zusammen, unterstützt weiter eure Mannschaft und bleibt gefälligst in der 1. Liga! Berlin ohne Bundesligist, wasn Alptraum.
    Blau-Weiße Grüße rüber zu euch.

  14. 19.

    Am Trainer liegt es nicht. Es ist das mangelhafte Können der Spieler auf dem Platz die das Siegen nur zum Traum werden lassen.
    Es wäre nicht besser wenn der Liebe Gott der Trainer wäre .

  15. 18.

    Herthaner kommen aus Berlin und Brandenburg.

    Und sich über Kay heute lustig zu machen ist einfach nur „kultig“

    Schämt euch

  16. 17.

    Ich schrieb ja: Wir bewegen uns Richtung Westendniveau - also Richtung Boden.

  17. 16.

    Leute, nun hört doch auf den ewigen Zweitligisten aus Charlottenburg zu belegen. Wir müssen uns aktuell um uns kümmern.
    Eisern!

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