Trotz Reaktion die nächste Niederlage - Das Hertha-Paradoxon

So 09.02.25 | 09:23 Uhr | Von Marc Schwitzky
  37
Hertha-Trainer Cristian Fiél ist nach der Niederlage gegen Kaiserslautern ratlos. (Foto: IMAGO / Matthias Koch)
Audio: rbb24 Inforadio | 09.02.2025 | Philipp Höppner | Bild: IMAGO / Matthias Koch

Eine Reaktion gezeigt - und trotzdem zu wenig: Hertha BSC verliert auch gegen den 1. FC Kaiserslautern und offenbart dabei altbekannte Schwächen. Die dritte Niederlage in Folge lässt die Berliner gewaltig wanken - und auch Trainer Cristian Fiél. Von Marc Schwitzky

"Ich glaube, das Momentum habt ihr momentan leider nicht. Aber wenn das wiederkommt, werden auch die Punkte kommen", sagte Kaiserslauterns Cheftrainer Markus Anfang nach dem Spiel seiner Mannschaft gegen Hertha BSC zu Kollege Cristian Fiél. Für Anfang mögen diese Worte einfach und logisch geklungen haben - für Fiél und Hertha allerdings nach dem Unmöglichen.

Nach der 0:1-Niederlage am Samstagabend, der damit dritten Pleite in Folge und nur 25 Punkten nach 21 Partien, wirkt ein positives Momentum für Hertha so weit weg wie die Champions League. Wie jenes Momentum zurückkehren soll, ist mittlerweile nicht einmal mehr zu erahnen. Und so wirken Spieler, Trainer und die sportlichen Verantwortlichen der Blau-Weißen alarmierend ratlos.

Ein guter Matchplan

Trainer Fiél und Sportdirektor Benjamin Weber waren sich vor dem Anpfiff einig: Gegen Kaiserslautern müsse die Mannschaft ein "anderes Gesicht" als bei dem 0:2-Debakel gegen Jahn Regensburg zeigen. Es brauchte eine andere Mentalität, aber auch taktische Hilfestellungen des Trainerteams, um anders auftreten zu können.

Beides gelang besonders in der ersten Halbzeit. Fiél hatte sich für gleich mehrere personelle wie taktische Veränderungen entschieden. Kapitän Toni Leistner musste auf die Bank, Fabian Reese feierte hingegen sein Startelf-Comeback. Gegen den Ball agierte Hertha nicht wie sonst im 4-4-2, sondern im 4-2-3-1, um das Zentrum gegen kombinationsstarke Lauterer zu stärken. Zudem lernte Fiél von Regensburg und implementierte eine enge Manndeckung im Mittelfeld, die Hertha in der vergangenen Woche selbst noch das Leben schwergemacht hatte.

Daraus resultierte, dass Hertha gegen den Ball weitaus kompakter als in den Vorwochen wirkte und eine der ligaweit besten Offensiven über weite Strecken kaltstellte. Durch den Tausch von Leistner und Marton Dardai konnte Hertha weitaus höher verteidigen, dadurch Räume verdichten und im hohen Pressing einige Balleroberungen verzeichnen. Kaiserslautern hatte sichtlich Probleme.

Das alte Problem

Auch mit dem Ball trat die in den Vorwochen eher verwirrte "alte Dame" mit einem klaren Plan auf. Um die zuletzt großen Probleme in der zu statischen und dadurch ausrechenbaren Spieleröffnung zu lösen, veränderte Fiél den Aufbau. Während Linksverteidiger Deyovaisio Zeefuik neben die beiden Innenverteidiger rückte, schob sich Rechtsverteidiger Jonjoe Kenny bis auf die Höhe von Flügelpendant Reese. Zusätzlich bildeten Kevin Sessa und Pascal Klemens stets eine Doppelsechs vor der Abwehr. So ergab sich im Aufbau eine 3-2-4-1-Formation, die mehr Anspielstationen und Vertikalität erlaubte.

Hertha öffnete so Räume, die Kaiserslautern zunächst kaum schließen konnte. Der FCK war in seiner Zuordnung so überfordert, dass irgendwann im ersten Durchgang ein Zettel des Trainerteams als Hilfestellung durch die eigenen Reihen ging. Der Berliner Plan, auch weil konsequent von den Spielern durchgeführt, funktionierte also. Es gelang immer wieder, die massive Fünferkette des Gegners durch Kenny und Reese auseinanderzuziehen und Tiefe im Angriffsspiel zu erzeugen.

Doch im letzten Schritt zeigte sich die alte Problemlage. Hertha ist meist gut darin, einen Angriff vorzubereiten - aber schon beinahe miserabel darin, ihn zu vollenden. Die Entscheidungsfindung im letzten Drittel bleibt ein einziges Defizit. Ob Flankenqualität, Timing im Abspiel oder Strafraumbesetzung - Hertha schafft es stets, sich selbst ein Bein zu stellen. Wie in schon so vielen anderen Partien der Saison belohnte sich Hertha für eine gute Phase nicht mit einem Tor. Scherhant, Maza, Cuisance und Co. zelebrieren Fußball, aber sorgen für reine Frustration, wenn es um das eine entscheidende Element des Sports geht.

Die Kunst des Einfachen

So ist in Herthas Spielen schon beinahe die Uhr danach zu stellen, dass nach guten Phasen oder in eben jene schockartig hinein der Gegner vormacht, wie es geht und ein Gegentor fällt. So auch gegen Kaiserslautern. Es reichte ein Konter in der 57. Minute, um die Partie auf den Kopf zu stellen und Hertha zu schlagen. Die Berliner hatten in jenem Angriff numerisch eigentlich keine Probleme, doch Michal Karbownik machte einen individuellen Fehler, grätschte am Ball vorbei und konnte dadurch anschließend den perfekt platzierten Schuss von Luca Sirch nicht mehr stören.

Das 0:1 sollte sogleich der Endstand sein. Weil Hertha im Anschluss alles probierte, um gefährlich vor das Tor zu kommen, doch wie so oft daran scheiterte, was ihnen Gegner fortlaufend vormachen: die Kunst des Einfachen. Dem Trainerteam um Fiél ist es in acht Monaten nicht gelungen, die Mannschaft bis zum Torerfolg zu coachen. Hertha kam auch gegen die Pfälzer zu beinahe unzähligen aussichtsreichen Angriffen und mehr als brauchbaren Halbchancen, war optisch über viele Strecken überlegen - um letztendlich genauso viele Abschlüsse und einen etwas niedrigeren Expected-Goals-Wert zu produzieren. Es gibt wohl kaum eine Mannschaft, die so viel Ballbesitz in so wenig Torerfolg ummünzt.

Fiéls Ratlosigkeit

Hertha lebt derzeit in einem Paradoxon. Spielen die Hauptstädter schlecht, verlieren sie. Spielen sie schlecht, gewinnen sie aber auch. Spielen sie aber gut, verlieren sie meist. Dass Hertha gut spielt und sich mit einem Sieg belohnt, ist in der laufenden Saison erschreckend selten eingetroffen. Und so wirkt Trainer Fiél mittlerweile ratlos. "Wir schaffen es nicht, es zu erzwingen", haderte der 44-Jährige nach der dritten Niederlage in Serie und bereits siebten Heimpleite.

Paradox ist auch, dass die Leistung gegen Kaiserslautern in Ordnung ging. Die Mannschaft hat tatsächlich ein anderes Gesicht gezeigt, das Trainerteam tatsächlich brauchbare Lösungen gefunden - auch wenn das Ergebnis nicht stimmt. Isoliert betrachtet könnten viele Hertha-Fans mit dem Auftritt am Samstagabend leben, ihn womöglich sogar loben.

Doch Fußball findet nicht im Vakuum statt, Spiele werden nicht isoliert betrachtet, sondern stets in den Gesamtkontext einer Saison eingebettet. Der Kontext der laufenden Spielzeit zeigt auf: Selbst wenn die Mannschaft Mentalität zeigt und den Ideen des Trainers folgt, reicht es nicht. Fiél ist nicht gelungen, Hertha über Phasen von ein paar Minuten hinaus möglichst nahe an die 100 Prozent Leistungsfähigkeit zu führen. Auch wenn Faktoren wie Spielerverkäufe oder Verletzungen wohlwollend dazugerechnet werden, ist das ein schlechtes Zeugnis.

Das Ende?

Wenn Fiél auf der Pressekonferenz Sätze sagt wie "In der zweiten Halbzeit kriegen wir ein Gegentor … ach, worüber wir auch schon tausend Mal gesprochen haben … was du so einfach nicht bekommen darfst", seine öffentlichen Auftritte immer schwermütiger und quälender daherkommen, und er sich immer öfter in seinen Aussagen wiederholt - dann scheint auch er allmählich den Glauben zu verlieren, noch die Wende zu schaffen.

Die Reaktion der Fans nach dem Spiel war eindeutig: Sie haben auf gut deutsch die "Schnauze voll". Die Mannschaft schaffte es gar nicht vor die Ostkurve, weil fliegende Becher, Pfiffe und Beleidigungen sie wegstießen. Die Stimmung droht derzeit endgültig zu kippen, das so wichtige und behutsam geschmiedete Band zwischen Mannschaft und Anhang zu zerreißen.

So wird der Handlungsdruck immer intensiver. Es gebietet sich - jetzt, wo die Abstiegs- näher als die Aufstiegsränge sind - allmählich, das zu tun, was sportliche Verantwortliche eigentlich nicht tun sollten: kurzfristig denken und handeln.

Sendung: rbb Der Tag, 09.02.2025

Beitrag von Marc Schwitzky

37 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 37.

    Der Verein wird seit den letzten Jahren leider durch Unprofessionalität gepprägt. Kay hat vereint, was wichtig und richtig war. Aber der nächste Schritt, Erfahrung auf diversen Ebenen reinzubringen, wurde nicht genommen. Ich sage nicht, dass die Jungs schlecht sind, aber Hertha und Berlin erfordert mehr, als einmal bei Hertha irgendwas gemacht zu haben. Weber, Zecke, Ebert und Co. mögen zwar Berliner (Ebert ist aus Potsdam) sein, aber sie machen genau den Verein und Berliner Weg wieder kaputt. Hier wird leider zu sehr an Ideologien gehalten, als dass etwas mit Vernunft entschieden wird. Herrich ist wie eine Fahne im Wind. Vetternwirtschaft 2.0 würde ich das bezeichnen.

  2. 36.

    Dann verstehe ich aber nicht, wieso man Spieler wie Reese, Maza etc. nicht bereits im Winter für 20-25 Mio. verkauft hat, um sich abzusichern. Ein Maza alleine wird Hertha nicht retten, genauso wenig wie Reese.

  3. 35.

    Bei Hertha ist wieder alles beim Alten und wieder wirken die "Fachkräfte" in den Führungsetagen gänzlich unfähig.
    Fehler passieren (diverse Fehleinkäufe und die seltsame Verpflichtung von Herrn Fiel), dann muss man aber auch dazu stehen und nachjustieren. Wenn man das nicht kann, dann bitte sollten die Herren Weber und Neuendorf ihre Plätze räumen.
    Natürlich ist diese Situation für Keinen einfach, aber leiste dir mal sowas über Monate in der freien Wirtschaft, dann ist ganz schnell Ende mit lustig.
    Im Sinne aller Herthaner, gegenüber den Mitgliedern und Sponsoren:
    Herr Weber, Herr Neuendorf nehmen sie ihren Hut und Danke für Nichts.
    HaHoHe

  4. 34.

    Ich fürchte der Gerd Pils 22. hat recht.Und der Sportdir.von Hertha hat es ja auch indirekt schon angesprochen.Als es um Neuzugänge in der Transferperiode ging, antwortete er , die derzeitige Finanzlage gebe das nicht her und würde auch wirtschaftlich keinen Sinn machen.Sagt alles aus.Ich denke hier geht es garnicht mehr um Auf-oder Abstieg sondern um den drohenden Lizenzverlust Der Verein muss ja nachweisen das er alle laufenden Kosten der Kommenden Saison einschl.der Rückzlg.v.40Mill. stemmt.

  5. 33.

    „Hochmut kommt vor eem Fall“

    Was man ja in Westend aus eigener Erfahrung weiß
    Allerdings kann ich aus dem Beitrag des Eisernen beim besten Willen keinen Hochmut herauslesen.

  6. 32.

    Danke. Auf Frösche und Neonazischläger aus den 80ern kann ich auch herzlich verzichten. Früher war es ja so viel besser mit 8.000 Leuten im Stadion und Ha Ho He als einzigem Schlachtruf. Entschuldigt nicht das regelmäßige „Sichselbstfeiern“ der Ostkurve aber bitte die Kirche im Dorf lassen.

  7. 31.

    Blau-Weiß 90 Berlin gab es auch mal, Irgendwann wird man sagen: Früher gabs mal Hertha BSC. Dann gibt's neue Vereine und keiner trauert mehr...

  8. 29.

    Definitiv war früher nicht alles besser. Aber der Auftritt der Kurve hatte damals mehr mit dem Verlauf des Spiels zu tun als heute. Und das finde ich besser.

  9. 28.

    Die Hertha-Frösche waren ein Zusammenschluss von Anhängern des Berliner Fußballclubs Hertha BSC. Die in den 1960er Jahren gegründete Vereinigung wurde vor allem in den 1970er und 1980er Jahren bekannt durch ihr hohes Gewaltpotential und ihre Nähe zum Rechtsextremismus.
    Früher war alles besser?

  10. 27.

    Das sehe ich als ehemaliger Frosch auch so. Genauso das bescheuerte mit den Bengalos.

  11. 26.

    Wer bindet sich einen "Hertha-Super-Star", Modeschöpfer und einem, auf sozialen Plattformen um Freunde buhlenden, hochgejazzte Luftnummer, ans Bein?
    Und, warum sollte der gehen? Bei Hertha wird dem doch der Bauch gepinselt und hofiert.
    In anderen Mannschaften wäre er nur ein Spieler, der im Kollektiv siegen muss und nicht Gott oder gar Messias.

  12. 25.

    Zur Kurve, die sollten sich mal selber mit den Bechern beschmeissen. Dort sind meines Erachtens die Mitglieder zu finden, die Fabian Drescher wollten. Nun haben sie den Salat!

  13. 24.

    Sehe ich auch so. Kann kein grundlegendes System erkennen: Abwehr auch gestern unsicher, Sturm quasi nicht besetzt, Niederlechner für gefühlte 20 minuten und ohne Bindung, Rechts kam kaum was, Cuisance stirbt im Dribbelmodus.
    Lautern stand hinten drin, anders als der HSV. Da fand ich seit Reeses Einwechslung Energie und Tordrang. Gestern nur so halbverzweifelte Versuche. ALLE werden gegen die Dame hinten dicht machen, vorne findet immer einer eine Lücke…
    Text lobt Trainer und Mannschaft zu sehr. Münster, Ulm usw. - so wie Regensburg. Habe fertig, Hr. Fiel!

  14. 23.

    Ich war gestern auch im Stadion . Irgendwie war es ein Trauerspiel, nicht nur auf dem Platz, sondern auch auf den Rängen. Um mich herum herrschte die permanente Fäkalsprache vor. Auch wegen so etwas macht ein Stadionbesuch wenig Freude. Und Hertha? Die gruselige Spielzeit soll' n sie mal noch durchhalten. Ein Abstieg wohl nicht, aber viel zu retten ist auch nicht mehr. Da kann auch der Trainer bleiben, spart Geld.

  15. 22.

    Ist nicht vollkommen egal was jetzt passiert?
    In der nächsten Saison wird kaum noch ein Spieler , des derzeitigen Kaders, hier sein. Die Ablösesummen müssen in die Tilgung gesteckt werden. Qualitäts oder Unterschiedsspieler werden wir nicht mehr haben. Mit Glück dürfen wir noch ein bisschen 2. Liga spielen, wenn es die Lizenz gibt und wir nicht absteigen. Ich war für einen Trainerwechsel solange noch die Möglichkeit bestand oben mitzuspielen, obwohl der Trainer nichts für diese fatale Kaderzusammenstellung kann. Nun ist es zu spät.
    Augen zu und durch, bis zum bitterem Ende.

  16. 21.

    Ein Häufchen Elend diese Hertha gerade und ich vermute bei der Fortuna gibt es nächste Woche nochmal ein paar drauf.

  17. 20.

    Artikel ist leider murks. Es gab doch keine einzige richtige Torchance für die Hertha.

    Lautern konnte ganz entspannt den Druck aufsaugen, einen Nadelstich setzen und dann auslaufen lassen.

    Ein Wechsel nur des Cheftrainers wird allerdings gar nix bringen. Solange solche Leute wie Menger, Ebert und Kuchno dilettieren dürfen, ist der sowieso immer die ärmste Sau.

  18. 19.

    So gut ist der Reese nun auch nicht, oder?
    Ich glaube, die Berliner Spitzenmannschaft hat genug Potential und beginnt dies nun Schritt für Schritt freizulegen.

    Hertha drücke ich die Daumen, dass sie es doch noch irgendwie schaffen und wenigstens die Klasse halten.

  19. 18.

    Ein Trainerwechsel bringt aktuell nichts mehr, denn für das Saisonziel Aufstieg hätten die Weichenstellungen im letzten Jahr erfolgen müssen und 5 Punkte vor Münster und 8 vor Ulm, steigt Hertha frühestens nächste Saison ab.

    Für die Restsaison braucht es zur Neuorientierung lediglich einen Zettel mit gestaffelten Prämien ab Platz 9 an der Kabinentür für das neue Saisonziel "einstelliger Tabellenplatz". Fertig.

Nächster Artikel