Rücktritt vom Amt bei Hertha - "Zecke" Neuendorf geht mit ernüchternder Bilanz - und wohl eher unfreiwillig

Mo. 21.04.25 | 16:27 Uhr | Von Lukas Witte
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Andreas "Zecke" Neuendorf", Herthas ehemaliger Direktor Akademie und Lizenzbereich (imago images/Matthias Koch)
Audio: rbb24 Inforadio | 21.04.2025 | Lars Becker | Bild: imago images/Matthias Koch

Mit seinem überraschenden Rücktritt ist Zecke Neuendorf möglicherweise den Plänen des Vereins zuvorgekommen. Nach ernüchternder sportlicher Bilanz in den vergangenen zwei Jahren steht Herthas Führungsebene ein Umbruch bevor. Von Lukas Witte

Eigentlich kann man bei Hertha BSC mit den vergangenen Wochen mehr als zufrieden sein. Unter Trainer Stefan Leitl ging es zuletzt wieder nach oben, die Berliner sind seit fünf Spielen in Folge ungeschlagen (vier Siege, ein Remis) und haben mit dem 3:2-Auswärtssieg beim SSV Ulm am Sonntag den Klassenerhalt praktisch sicher.

Doch die aktuelle Erfolgssträhne kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Hertha in dieser Saison weit hinter den eigenen Zielen geblieben ist und es hinter den Kulissen schon länger rumort. Und so folgte am Ostersonntag beim Zweitligisten auf den Auswärtssieg ein Paukenschlag: Andreas "Zecke" Neuendorf gab aus persönlichen Gründen und mit sofortiger Wirkung seinen Rücktritt vom Amt des Direktors Akademie und Lizenzspielerbereich bekannt.

Zwei Jahrzehnte Alte Dame

Anfang 2023 hatte Zecke den Posten übernommen, war eines der Gesichter des vom verstorbenen Präsidenten Kay Bernstein ausgerufenen Berliner Wegs. Durch die Adern des Ex-Profis fließt blau-weißes Blut: Der gebürtige Hauptstädter absolvierte insgesamt 196 Pflichtspiele für die Alte Dame, war nach seinem Karriereende in den letzten zehn Jahren in verschiedenen Funktionen im Verein tätig und bei den Fans für sein direktes und emotionales Auftreten beliebt.

Noch im Oktober waren sein Vertrag und der von Sportdirektor Benjamin Weber vorzeitig bis 2027 verlängert worden – nun ist Schluss für die Vereinslegende Neuendorf bei Hertha BSC. Und auch wenn der Zeitpunkt so kurz nach dem Auswärtssieg etwas verwundert, wirklich überraschend kommt der Abschied nicht.

Der große Fehler Cristian Fiél

Schon seit geraumer Zeit gibt es Kritik an der Arbeit von Herthas Führungsriege, speziell an Neuendorf. Dieser hatte zuletzt großen Einfluss im Verein, soll maßgeblich auf die Geschicke eingewirkt haben. So ist ihm beispielsweise wohl die enttäuschende Amtszeit von Trainer Cristian Fiél zuzuschreiben.

Schließlich war Zecke der größte Fürsprecher Fiéls, soll dessen Wechsel von Nürnberg in die Hauptstadt im vergangenen Sommer persönlich eingefädelt haben. Die beiden gelten als enge Vertraute, kennen sich bereits seit vielen Jahren. Sogar eine Ablösesumme hatte Hertha für Zeckes Wunschtrainer nach Franken überwiesen. Und das, obwohl der Deutsch-Spanier in seiner Trainerkarriere zuvor kaum Erfolge vorzuweisen hatte.

Statt um den Aufstieg in die Bundesliga zu spielen, fanden sich die Berliner unter Fiél plötzlich im Abstiegskampf wieder. Lange schauten die Hertha-Bosse um Zecke dabei tatenlos zu und stärkten dem Trainer den Rücken. Nach den jüngsten Erfolgen von Stefan Leitl muss man sich fragen, was in dieser Saison wohl noch möglich gewesen wäre, hätte man den Trainerwechsel bereits zu Winterpause vollzogen.

Im Nachhinein war es wohl der größte Fehler Neuendorfs, Fiél überhaupt nach Berlin geholt und dann so lange an ihm festgehalten zu haben.

Nachfolger bereits im Anflug?

Aber auch sonst fällt seine Bilanz im Amt ernüchternd aus. Misslungene Transfers wie Luca Schuler, Jon Dagur Thorsteinsson, Kevin Sessa oder Andreas Bouchalakis - und das trotz eines der größten Budgets der 2. Liga. Fragwürdige Personalentscheidungen, auch im Akademiebereich. Und eine ausbleibende sportliche Entwicklung seit dem Abstieg – all das hat er neben Sportdirektor Benjamin Weber und Geschäftsführer Thomas Herrich zumindest mitzuverantworten.

Auch Zeckes persönliche Nähe zu einer Spielerberateragentur, über welche Hertha zuletzt besonders viele Geschäfte abwickelte, sorgte sowohl unter den Fans als auch vereinsintern für Kritik.

Hinter den Kulissen beschäftigt man sich deshalb wohl schon länger mit einer Neuaufstellung der sportlichen Führung. Bereits Anfang März hatte Hertha in einer Mail an seine Mitglieder eine schonungslose Analyse des Misserfolgs versprochen – und sieht wohl in frischem Personal die Lösung.

Medienberichten zufolge soll Jonas Boldt im Sommer an die Spree gelockt werden. Der 43-Jährige war zuletzt fünf Jahre lang als Sportvorstand beim Hamburger SV tätig, scheiterte allerdings am Plan, diesen zurück in die Bundesliga zu führen. Zuvor war er Sportdirektor bei Bayer Leverkusen.

Medienbericht: Zecke kam Entlassung zuvor

Die Verpflichtung von Boldt wäre wohl zumindest mit erheblichen Einschränkungen der Kompetenzen von Weber und Neuendorf verbunden, oder könnte die beiden ihre Führungsrollen sogar komplett kosten. Nach Informationen des "Kicker" soll sich darüber auch Zecke im Klaren gewesen und mit seinem freiwilligen Abschied nun der eigenen Entlassung am Saisonende zuvorgekommen sein.

Wer zunächst seine Aufgaben übernehmen wird und ob ein Nachfolger für den Sommer tatsächlich bereits in den Startlöchern steht, blieb zunächst unklar. "Selbstverständlich laufen bereits seit geraumer Zeit die Planungen für die kommende Saison. Dabei haben wir die Aufgaben von Zecke Neuendorf intern verteilt und werden uns in diesem Bereich künftig neu aufstellen", teilte der Verein am Montag auf rbb-Anfrage mit.

Zu den Einzelheiten wolle sich Hertha zu gegebener Zeit äußern. Doch möglicherweise steht ein Wandel in der Führungsebne bevor - weg vom Berliner Weg, hin zu externen Gesichtern.

Sendung: rbb24 Inforadio, 21.04.2025, 12:15 Uhr

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Beitrag von Lukas Witte

12 Kommentare

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  1. 12.

    Für mich war Zeckes größter Fehler, Pal Dardai herauszukannten. Ihm hätte ich den Aufstieg zugetraut. Aber die Erfolge in der Bundesliga wurden schnell vergessen.

    Da lobe ich den SC Freiburg und den 1. FC Heidenheim. Mit guten Trainern langfristig planen. Der Mannschaft ein Gesicht geben. Zecke Neuendorf war ein Hertha-Spieler, aber kein Führungsmann im Verein, auch wenn er eine Indentitätsfigur ist. Ich wünsche mir, dass er Hertha treu bleibt, aber eben nicht in der Führungsebene.

    Gleichzeitig wünsche ich mir eine Rückkehr von Pal Dardai und auch Bene Dardai sollte den Weg zurückfinden. Sein Abgang könnte auch damit zu tun gehabt haben, dass Zecke seinen Vater hart angegangen ist.

  2. 11.

    " ... - weg vom Berliner Weg,..." na endlich.
    Was hat der letztlich gebracht?
    Immernoch die Gefahr, auf einem Religationsplatz zu landen?
    Das Ultra-Geküngel des "Herthaner des Jahren", dass den Anhängern, nach "Big City Club" oder dem "ganz BerlinliebtdieHertha" Geschwätz, die Sprachakrobarik von "Hertha-Super-Star", "Hertha-Legende" brachte? Oder den leistungsschwachen, aber sich durch eine Schlägerei in die Hertha-Chronik brennende Gersbeck, der durchgeschleppt wird? Einen nicht enden wollenden Prozess um eine Ablösung?
    Die Ängste um eine Lizenzverlängerung, wegen angehäufter und nicht eingelöster Verbindlichkeiten?
    Natürlich sehen das die blauweise Schar anders.

  3. 10.

    Als Spieler war Andreas "Zecke" Neuendorf bei Hertha BSC zu seiner Zeit relativ einmalig. Aber das war einmal und ist nicht heute.

    Als Manager meine ich, viele Aktionen von ihm waren durchwachsen. Jedoch weiß ich auch, dass sich sehr viele in der Vergangenheit gemachten Fehler der gesamten früheren Vereinsleitung, noch bis heute sichtbar sind und noch länger nachwirken werden.

    Aber im Gegensatz zu vielen anderen Managern im Fußballgeschäft beweist er Stil mit seinem jetzigen eigenen Rücktritt.

    Gespannt bin ich auch, wie es jetzt bei Hertha BSC in allen Bereichen weitergeht. Auch wenn es nicht mein Verein ist wofür ich sympathisiere, ich wünsche Hertha BSC auf allen Ebenen viel positiven Erfolg.

  4. 9.

    Ist er nicht, pathologischer Reese-Fetisch-Besessener mit den hundert Nicknames. Vielleicht im Sommer, gegen viel Geld. Bis dahin schießt er wie zuletzt weiter jede Woche Tore und Sie haben so ein geringes Selbstwertgefühl, dass Sie das so richtig ärgert. Wie schön!

  5. 6.

    Versteh mich nicht falsch, ich bin glücklich dass Zecke jetzt weg ist. Aber wenn Reese die gesamte Saison fit ist, dann spielt Hertha um den Aufstieg mit und keiner denkt nur daran, was zu ändern. Irgendwie hinkt der Vergleich. Es spielen immer mehrere Faktoren eine Rolle… HaHoHe

  6. 5.

    Hier muss gar nix zur Ruhe kommen !

    Die ganze sportliche Leitung samt Präsident muss "auf links gedreht" werden.

    Sportliche Verbesserung resultiert doch nur aus einen einzelnen Spieler (Reese) sonst stünden wir am Rand der dritten Liga !

  7. 4.

    Da Zecke sich das ja nicht während des Spiels überlegt hat und mit Sicherheit schon länger damit 'schwanger geht', erstmal Respekt dafür, dass er damit bis zum (eigentlich nicht mehr zu nehmenden) Klassenerhalt gewartet hat. Das ist bei Hertha - auch aufgrund der Geschehnisse in der jüngeren Vergangenheit- nicht immer so zu erwarten.
    Seine vorzeitige Vertragsverlängerung wurde (auch gerade hier) oftmals kritisiert und sollte daher eigentlich als tatsächliche Neuausrichtung verstanden werden. Mir fielen da noch 1 - 2 weitere Namen ein, die es ihm gleich tun könnten.
    Für den Rest der Saison geht es jetzt darum, Spieler die gutes Geld bringen können, optimal im Schaufenster 'zu platzieren', mit wichtigen Säulen zu verlängern und den jungen, wirklich guten Nachwuchs ab sofort zu integrieren.

  8. 3.

    Der Umbruch in der Führungsspitze kommtmal grad so 10-12 Jahre zu spät.

  9. 2.

    Endlich! Ich hoffe, dass die „Nähe“ zu der Agentur noch etwas näher beleuchtet wird.

  10. 1.

    Ich würde mich freuen wenn endlich mal Ruhe herrschen würde. Ist der Sportliche Erfolg auf dem Weg der Besserung, schon werden wieder Nebenkriegsschauplätze aufgemacht. Wie soll da der Verein zur Ruhe kommen.

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